675 Jahre Freystadt Diese
Lithografie von 1902 hat einen Bahnpoststempel "Jablonowo-Riesenburg
- Zug 981". Links unten ist der Bahnhof zu sehen, darüber die Post
und daneben eine Altstadt-Straße und die ev. Kirche. Die Stadtgründung Nach
geschichtlichen Überlieferungen erteilten Bischof und Domkapitel von
Pomesanien am 22. Januar 1293 der seit etwa 1260 in Preußen ansässigen
Familie von Stangen eine zusammenfassende Verschreibung zu Kulmischem
Recht über ihren gesamten, auf vier Gebiete sich verteilenden
Grundbesitz von 1000 Hufen (etwa 60.000 Morgen), zu dem das spätere
Gebiet von Freystadt gehörte, mit der Ermächtigung zur Gründung einer
Stadt. Das Jahr der Stadtgründung steht nicht genau fest, weil die
Gründungsurkunde leider nicht mehr vorhanden ist. Nach der
Stadtgeschichte von Dr. K. J. Kaufmann, Stadtarchivar in Danzig, fällt
sie in die Zeit von 1315-1320. Die älteste vorhandene Urkunde ist die
Handfeste vom 1. Januar 1331, nach welcher durch die Gebrüder Johannes
und Ludwig von Stangen in feierlicher Erklärung der Stadt Vrienstadt
(Freystadt) Land und Zinsaufkommen überlassen wurden. Das
Stadtwappen Das Wappen der
Stadt zeigt in einem Schilde den Johannes-Adler mit dem Heiligenschein
über dem Kopf, auf einem Spruchbande mit der Inschrift "St.
Johannes" stehend. Über dem Adler befindet sich ein Baumast, der
dem Wappen der Stadtgründer entnommen ist. Die Farben des Wappens sind:
Schild blau, Adler weiß mit gelben Fängen und gelbem Heiligenschein,
Spruchband weiß mit schwarzen Buchstaben, Baumast rot. Die
Lage von Freystadt Die
Stadt Freystadt liegt auf einem Bergrücken zwischen Stadtsee und
Gardenga-Fluss. Das Stadtbild wird beherrscht durch die 1331/40 im
Ordensstil in Ziegelrohbau und Feldsteinsockel errichtete, als
Baudenkmal wuchtig und architektonisch wundervoll wirkende evangelische
Kirche. Die Profilsteine ihrer Portale haben Ähnlichkeit mit denen des
Mittelschlosstores der Marienburg. Es darf als feststehend gelten, dass
ihr Bau kurze Zeit nach der Stadtgründung erfolgte. Im Jahre 1653 traf
ein Blitzschlag die Kirche, die bis auf die Grundmauern nieder brannte.
Sie wurde wieder aufgebaut, der Glockenturm erhielt aber aus Geldmangel
zuerst nur einen hölzernen Aufbau, bei dem sich nach einigen
Jahrzehnten Altersschwäche bemerkbar machte. Deshalb befreite man ihn
zunächst von der Last der Glocken. Einen neuen massiven Turm konnte
sich die arme Gemeinde erst 1856/57 leisten. Er ragte in massiver
Bauweise und mit einer Höhe von 45 Metern weit über das Stadtbild
hinaus. Der barocke Altar von 1696 zeigte die knienden Stifterfiguren
Otto Friedrich von der Groeben (Gründer der brandenburgischen Kolonie
in Afrika) und seiner Gattin.
Wie die Geschichte berichtet, wurde
die Stadt in den vergangenen Jahrhunderten oft von harten
Schicksalsschlägen betroffen. In den Kriegen mit Polen wurde sie
mehrmals zerstört. Auch Pest und Feuersbrünste haben in ihr gewütet.
Freystadt war früher befestigt. Reste der Stadtmauer sind noch
vorhanden. Es wird angenommen, dass zum Schutze der Bewohner und als
Stütze des Ritterordens hier ein gewisser Stab von Streitkräften
gehalten wurde. Soldaten in Freystadt Von 1719 bis 1850 hatte
Freystadt eine Garnison. Von 1742-1767 waren es Dragoner, danach Ulanen
und Husaren. Im Siebenjährigen Krieg (1756-63) hatte die Stadt eine
russische und 1806/07 eine französische Besatzung, die sie arg
schädigten. 1775 und 1819 zerstörten Brände Teile der Stadt. 1823
führte der Kommandeur der Garnison Beschwerde über das Baden im
Stadtsee, dessen Wasser der Austrocknung der Brunnen wegen, zur Speisung
der Truppen erforderlich war. 1831 wütete die Cholera in Freystadt,
weshalb auf eine 500-Jahrfeier verzichtet wurde. Die Kriege von 1864
bis 1866 und 1870/71 haben auch aus Freystadt Menschenleben auf den
Schlachtfeldern gefordert. Der 1. Weltkrieg kostete das Kirchspiel
Freystadt das Leben von 81 Mitkämpfern. Ihnen hat die
Kriegerkameradschaft Freystadt 1923 neben der Kirche ein Ehrenmal
errichtet.
Ende des 18. Jahrhunderts
war Freystadt eine Ackerbürgerstadt, in der das Bierbrauen als Gewerbe
betrieben wurde. Handwerker waren seltene Erscheinungen, doch das sollte
sich im 19. Jahrhundert ändern. An mehreren zu Chausseen ausgebauten
Land- und Heerstrassen gelegen, erfreute die Stadt sich ehedem lebhaften
Verkehrs, der Handel und Gewerbe bis in die Zeit von 1880 zu
hoffnungsvoller Entwicklung führte.
Bis zur Errichtung eines Bahnhofs hatte die "alte Postkutsche" nebst Reisenden auch die Postgüter für die Stadt gebracht. Das Bahnhofsgebäude mit der Güterabfertigung war ausreichend. Vorsteher des Bahnhofs war lange Jahre der Oberbahnhofsvorsteher Redies, Inspektor war Lenz. In der Nähe des Bahnhofs befanden sich Beamtenwohnungen.
Mit
dem Bahnhof bekam Freystadt auch ein "Postamt". Es lag in der
Hindenburgstraße und als Postmeister sind Krause, Stahl und Engelke
bekannt.
Bis
Ende des 19. Jahrhunderts hatte Freystadt eine private Molkerei. Da die
Bauern mit dem Betrieb nicht zufrieden waren, gründeten etwa 30 Bauern
eine Genossenschaft. Diese Molkerei wurde 1897/98 in der
Hindenburgstraße neu errichtet. Als der Betrieb florierte, kamen Bauern
aus Heinrichau, Goldau, Harnau, Langenau und Bischdorf dazu. Auf dieser Lithografie
ist links unten das Gebäude der Genossenschaftsmolkerei zu sehen,
darüber die ev. Kirche und rechts eine Gesamtansicht der Stadt um 1900. Die Schulen Zu seiner Zeit
bestanden in Freystadt 3 Schulen. Die älteste war die an der Kirche
gelegene. Sie wurde "Stadtschule" genannt und war für die
Kinder der Beamten, Gewerbetreibenden und Handwerker da. Die zweite
Schule lag in der Rosenberger Straße. Mn nannte sie die
"Vorstadtschule". Sie nahm die Kinder der Arbeiter auf. Die
dritte Schule war eine "Privatschule", die den höheren
Töchtern der Stadt eine höhere Bildung angedeihen lassen sollte. Da
diese Schulen zu sehr den Unterschied der Berufsstände betonten, schlug
der Bürgermeister den Bau einer neuen Stadtschule vor. Erst 1912
entstand die durch die Baufirma Sternberg erstellte Schule (Kosten
130.000 Mark) etwas abseits von der zum Bahnhof führenden Straße.
Die beiden Volksschulen
wurden nun zusammengelegt und um den Knaben auch eine höhere Bildung
zukommen zu lassen, wurde eine "Mittelschule"
gegründet, in der Knaben und Mädchen zur Mittleren Reifeprüfung
gelangen konnten. Bürgermeister Wende holte den bajuwarischen
Mittelschulrektor Beermann heran, der zugleich das Rektorat der
Volksschule übernehmen musste. Außerdem gab es in Freystadt eine "Fortbildungsschule"
und seit 1906 eine "Landwirtschaftliche Schule".
Das
Wirtschaftsgebiet der hiesigen Gewerbe-, Handwerks- und industriellen
Betriebe erstreckte sich in die Kreise Graudenz, Strasburg, Löbau, ja
für mehrere Betriebszweige bis Briesen, Thorn, Culmsee, Schwetz und
Neustadt. Freystadt wird Grenzstadt Durch das Friedensdiktat von
Versailles wurden alle diese wirtschaftlichen Zusammenhänge jäh
zerstört. Freystadt wurde Grenzstadt. Das wichtigste Wirtschaftsgebiet
der Stadt fiel nach dem unglücklichen Verlauf des 1. Weltkrieges an
Polen. Die Eisenbahn nach Goßlershausen, die wichtigste Verbindung mit
diesem Gebiet, wurde stillgelegt. Auf der früher sehr belebten Chaussee
nach Lessen-Graudenz wurde der Verkehr schon bei dem kaum sechs
Kilometer entfernten Grenzübergang Bischdorf abgeriegelt. Die
katastrophalen wirtschaftlichen Folgen vermag nur der zu ermessen, wer
sie aus dem eigenen Erleben kennt. Das Schicksal der Stadt selbst blieb
ungewiss. Sie gehörte zu dem der Volksabstimmung unterworfenen Teil des
Regierungsbezirks Marienwerder. Am 11. Juli 1920 fiel die Entscheidung
darüber, ob das Abstimmungsgebiet und damit auch Freystadt bei
Deutschland verbleiben oder dem polnischen Nachbarlande einverleibt
werden sollten. Von den 1875 abgegebenen Stimmen konnten aber nur 36
für Polen gezählt werden. Notgeld vom 1. Dezember 1920 mit einer Widmung von Generalfeldmarschall und Ehrenbürger von Freystadt "Paul von Beneckendorff und von Hindenburg" auf der Rückseite.
Durch die 1925 eröffnete neue Bahn nach
Bischofswerder wurde wohl eine weitere Abschnürung der Stadt
verhindert, jedoch den Verlust der Eisenbahnstrecke nach Goßlershausen
und des durch sie erschlossenen Wirtschaftsgebietes konnte sie nicht
ersetzen. 600 Jahre Freystadt Am
20. und 21. Juni 1931 beging die Stadt die Feier ihres 600jährigen
Bestehens, die durch die Anwesenheit ihres Ehrenbürgers und
Gutsnachbarn, des Herrn Reichspräsidenten Paul von Beneckendorff und
von Hindenburg, die höchste Weihe erhielt.
1931 hatte Freystadt 3228
Einwohner. Bürgermeister war immer noch Herr Wende. Beigeordneter:
Gruse, Ratmänner: Hahn, Heese, Prange und Scheerer. Stadtverordnete
waren: Drogeriebesitzer Kern, Maurer Hermann Bindeisen,
Stellmachermeister Emil Fenske, Gutsbesitzer Emil Goritz, Dentist
Hermann Hahn, Rechtsberater Gustav Koch, Maurer Gustav Meyer,
Briefträger Arthur Noetzelmann, Apotheker Albert Olinski, Besitzer Karl
Polenz, prakt. Arzt Dr. Rietz, Zimmermann E. Wrobbel, 5 Volksparteiler,
2 Deutschnationale, 4 Sozialdemokraten, 1 Zentrum.
Januar 1945 Am 20. Januar 1945 standen die
Kaufleute in Freystadt noch ahnungslos in ihren Läden, obwohl die
Räumung bereits feststand. Aber der Räumungsbefehl ließ auf sich
warten. Am Spätnachmittag hieß es: "Eiligst räumen!" Ein
Teil der Bevölkerung hatte bereits mit Notgepäck die Stadt per Bahn
verlassen. Am 21. Januar fuhren die letzen vollbesetzten Züge mit den
frierenden Flüchtlingen los. Zurückgeblieben waren 20-30 Personen. Auf
der Straße nach Rosenberg sollten sich am 21. Januar die Bauerntrecks
sammeln, aber der Treckleiter fehlte. Er hatte sich bereits abgesetzt.
So fuhr man in kleinen Gruppen los. Die Trecks zogen über Bellschwitz,
Wachsmuth und Garnsee zur Weichsel, dann über das Eis bis in die
Tucheler Heide. Bei Stettin wurde die Oder überquert. Einige Familien
sind schon früher aufgehalten und von den Russen überholt worden. Am
23. Januar 1945 drangen die Russen in Freystadt ein. Etwa 100 Menschen,
die nicht vorwärts gekommen waren, zogen später nach Freystadt
zurück, einige sind von der sowjetischen Soldateska ermordet worden.
Durch die Kriegshandlungen wurde die Altstadt zu 100% zerstört. |
13.05.06 -a-