...bleibt die Erinnerung... heimatliche Geschichten...

Eisfischerei und Eisernte auf dem Geserichsee

von Gerhard Templin

Bearbeitung: C. Mühleisen

Nicht nur auf dem Geserichsee, sonden auf allen Seen West- und Ostpreußens wurde im Winter Eisfischerei und Eisernte betrieben. In den zwanziger und dreißiger Jahren bis zur Vertreibung waren wir noch auf Natureis angewiesen. Hauptabnehmer waren Fleischereien, Gaststätten, Brauereien, Eiskonditoreien, Hotels und Lager mit verderblichen Lebensmitteln, aber auch private Haushalte. Viele Bauern und vor allen Dingen die Güter enteten Eis aus ihren Seen, um dieses in den Sommermonaten zur Kühlung zu benutzen. Das Eis wurde in sogenannte Eiskeller eingelagert und dann mit einer Schutzschicht aus Sägespänen und Stroh haltbar gemacht. Viele Bauern hatten Keller aus Natursteinen, die tief in der Erde gelassen waren. In den Städten hatten Brauereien, Fleischereien oder in Deutsch-Eylau die Essigfabrik ihre großen Eiskeller.

Wenn das Eis etwa 50 cm dick war, begann die Eisernte. Das Eis wurde mit Zusägen rechteckig gesägt und mit schweren Eishaken aus dem Wasser gezogen. Die Essigfabrik in Dt.-Eylau hatte ihre eigene Rutschbahn, die im Sommer im Bereich der Uferpromenade um etwa 5 m unterbrochen war. Ein Schlitten, auf dem im Wasser die Eisblöcke befestigt wurden, brachte auf dieser Rutsche das Eis ziemlich schnell in den hochgelegenen Eiskeller. Die offenen Stellen im Eis wurden mittels Leinen und Fähnchen abgesperrt. Es war schon eine kalte Angelegenheit, aber die Männer hatten immer eine Flasche Korn oder Rum bei sich. Auch an der Reichsbank und der Dampferanlegestelle wurde Eis geerntet. Es wurde dort mittels LKW, Schlitten oder Pferdewagen in die Eiskeller gebracht. Zusätzlich wurden Stollen in die Hufeisen der Pferde geschraubt, sie bekamen eine gute Rutschfestigkeit und konnten sich bis fast an die Schnittstellen bewegen. Die Voraussetzung war natürlich eine feste Eisdecke, die aber durch die hohen Minuswerte immer vorhanden war.




Eisschneiden (G. Templin)

Ein anderer Gewerbezweig war die Eisfischerei. Sie war bei der großen Zahl der fischreichen Seen ein ertragreicher Erwerbszweig. Da sie körperliche Tätigkeit voraussetzte, war es selbst bei winterlichen Temperaturen nicht so kalt. Mit Eisäxten, Pelzen, Wollsachen und Jacken, sowie Gummistiefeln mit Eissporen ging es hinaus auf die Eisfläche zum Eisfischen, oftmals kilometerweit mit Pferden und Schlitten. Mit den Eisäxten wurden mehrere Wuhnen geschlagen. Lange Stangen mit Korkschwimmern und Bleigewichten wurden ins Wasser versenkt. Oft machte man mehrere Löcher und schob die Stangen mit den Netzen von Loch zu Loch. Dazu brauchte man eine Windentonne. Man ließ diese Netze manches Mal tagelang drin. Man legte auch ein Brett über das Loch und schlug mit schweren Holzhämmern im Takt darauf. Die Fische wurden angelockt. Barsche, Kaulbarsche, Zander, Plötze und Bressen waren oft die ausgiebige Beute.




Eisfischen (G. Templin)

Eine andere Art der Fischerei war das Eisangeln, was vor dem Krieg kein Sport war. Das Angelgerät war einfach. Es bestand aus einer starken Angelschnur, die mit einem starken Angelhaken versehen war. Zum Straffziehen der Angelschnur war Blei daran befestigt. Ein Schwimmer zum Anzeigen, wenn ein Fisch an den Köder ging, gehörte mit dazu. Ein schmales Holzbrett etwa 30 cm lang, an beiden Enden eingeschlitzt, diente zum Aufwickeln der Schnur und zum Fang. Mit einer Eisstoßstange wurden etwa 25 cm runde Löcher in das Eis gestoßen und von den kleinen Eisstücken frei gemacht. Der Köder, meistens Tauwürmer, die in Lehmkisten überwinterten, wurden aufgesteckt. Die Angelschnur wurde bis kurz vor dem Seegrund herabgelassen. Jetzt bestand die Kunst darin, durch leichtes Wippen der Schnur den Fisch anzulocken und aufs Eis zu ziehen. Voraussetzung war, dass man die Stellen auf dem See kannte, an denen die Fische standen. Bekanntlich hält sich der Barsch eine längere Zeit in Schwärmen an derselben Stelle auf. Hatte man eine gute Stelle erwischt, so hatte man bald ein Gericht Fische zusammen. Aber alle Tage ist Fischtag, aber nicht alle Tage ist Fangtag. Es gab auch Tage, an denen man ohne einen Fisch nach Hause schlich.

War das Eis klar und konnte man es ohne Gefahr betreten, war die Zeit der Fischdiebe gekommen. Bei längerm Zufrieren, besonders an flachen Stellen, wurden den großen Fischen der Sauerstoff knapp. Sie kamen an die Oberfläche unter dem Eis, um Sauerstoff zu tanken. Sie waren unter dem klaren Eis gut zu erkennen. Mit einem starken Knüppel oder der Rückseite einer Axt wurden einige kurze Schläge direkt über dem Fisch aufs Eis geschlagen. Der Fisch wurde bewusstlos und lag flach für eine kurze Zeit unter dem Eis. Schnell wurde ein Loch geschlagen und mit einem kurzen Bootshaken der Fisch auf das Eis geholt. Bei günstigen Umständen wurden öfter über 50 Pfund Fische herausgeholt. Fischmeister und Fischer passten in dieser Zeit auf Fischräuber scharf auf. Diese Art zu fischen nannte man Gluche. Wildfischerei wurde genau so wie Wilddieberei hart bestraft. Fischmeister Steinberg aus Deutsch-Eylau hat so manchem Fischdieb das Handwerk gelegt.

Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.