Vor
einigen Jahren nahm ich an einer Dampferfahrt von Deutsch Eylau nach
Buchwalde über den Oberländischen Kanal teil. Obwohl ich den Kanal
kannte, so war es doch ein Erlebnis, worüber ich berichten möchte.
Vor
über 60 Jahren im Jahre 1938 hatte ich eine Fahrt nach Elbing
mitgemacht. Die Rücktour ging über den Oberländischen Kanal. Jetzt im
Jahre 2000 sah vieles anders aus. Diese Fahrt ging nun von Deutsch Eylau
aus. Es ist Juli und es wird ein sehr heißer Tag. Das kleine
Motorschiff ist gerade von Osterode über den Geserichsee gekommen und
macht am Bollwerk unseres Hotels "Kormoran" fest. Pünktlich
um 7 Uhr geht unsere Fahrt los. Da ich viel sehen und fotografieren
will, ist mein Platz hinten, also "achtern". Bald ist Eylau
unseren Blicken entschwunden. Der Geserichsee ist ganz ruhig und der
Himmel wolkenlos. Unser Oberland wurde oft mit den Seen in Masuren
verglichen. Es ist wohl in der Fläche kleiner und nicht so reich an
großen Seen, dafür haben unsere Seen ein verschiedenartiges
Pflanzenreichtum und die Wälder sind Mischwälder, während in Masuren
meistens Fichtenwälder vorhanden sind. Die malerische Romantik wird
durch die vielen Buchen und Kiefern hervorgerufen.
Ich halte
Ausschau nach großen Raubvögeln wie z. B. Rohrweihe, Milane und
Adler. - Etliche Kormorane und Graureiher überfliegen unser
Schiff. Wir fahren entlang der rechten Uferseite. Aber gegenüber des
Widlungsees haben wir doch noch Glück. Zwei Fischadler sind plötzlich
da. Der eine rüttelt über dem See vor der Schilfwand und fängt einen
Fisch. Ich kenne dieses Gebiet, denn in der Widlung sind etliche
Adlerhorste. Die rechte Seeseite nennt sich "Seefriede". Dort hatten die
Geschäftsleute von Dt. Eylau ihre Wochenendhäuser. Etwas davor war die
"Preußenhütte". Es war ein ausgedienter Eisenbahnwaggon als
Übernachtungsstätte für Soldaten, die hier einen Kurzurlaub
verbringen wollten oder als Schutz vor Unwetter.
Fischadler gegenüber der Einfahrt zum Widlungsee-Geserichsee
(G. Templin)
Bald sind wir
auf der Schwalgendorfer Breite. Einschließlich Kraggenwinkel ist hier
der Geserichsee 7 km breit. Links in der Ferne sieht man Schwalgendorf.
Etliche kleine und große Inseln sind hier, die zum Teil eine Furt
hatten. So konnten in altere Zeit die Bewohner z. B. von Weepers bei
Gefahr die Inseln zu Fuß erreichen. Die Furt zum Bukowitzwerder wurde
allerdings von Weepers dorthin Anfang 1930 zugeschüttet.
Schalkendorfer
Breite (G. Templin)
Inzwischen
brennt die Sonne heiß vom Himmel herunter. Wir sind jetzt im
Kraggenwinkel. Bald ist die Durchfahrt zum Dubensee erreicht. Über die
Brücke verläuft die Straße Deutsch Eylau - Saalfeld. Nun empfängt
uns Schatten. Der Dubensee ist ein kleiner, aber hübscher See. Überall
stehen Zelte und fahren Segelboote.
Brücke Geserichsee - Einfahrt Dubensee (G. Templin)
Auf der Anhöhe stehen einige hübsche
Häuschen, die wahrscheinlich zu Schnellwalde gehören. Man kann leider
rechts das Schloss Karnitten am Kesselsee nicht sehen, da ein kleiner
Laubwald die Sicht versperrt. Einer unserer Mitfahrer hat sich ein
kleines Büchlein, "Das Oberland", eingesteckt und las nun vor:
"Die Kanalschiffe sind 24 m lang, oben 3 m und unten 2,5 m breit, bei
einem Meter Tiefgang tragen sie 60 Tonnen Last. Nach dem unzulänglichen
Vorbild des Morriskanals, der nach New York führt, arbeitete Baurat
Steenke von 1837 - 44 seinen Plan aus. Senkte bis zum Jahre 1852 die
Wasserflächen der in die Kanalverbindung gezogenen Seen auf die Höhe
des Geserichsees (100 m ü. M.).
Den tiefer liegenden
Abiskarsee überquerte er durch einen genügend breiten Damm und bettete
den Kanal hinein. 1860 wurde der Kanal dem Verkehr übergeben. 1872 - 76
wurde bei Osterode der Pausen- und Schillingsee angeschlossen. Hier
wurden die Höhenunterschiede durch Schleusen überwunden. Über die
einhundert Meter hohe Geländestufe zur Drausenseeniederung führen die
fünf Geneigten Ebenen bei Buchwalde, Kanten, Schönfeld, Hirschfeld und
Kußfeld hinab." Dieses war der Bericht unseres Freundes.
Nun
befahren wir den Oberländischen Kanal. Das Kanalbett ist jetzt
eingeengt. Links und rechts Bäume, die fast geschlossen über uns sind,
wir fahren wie durch einen Dom. Man hat jetzt Gelegenheit, die Tier- und
Pflanzenwelt zu beobachten. Der Kanal hat in der Mitte eine Fahrrinne.
Beiderseitig blühen die Seerosen und gelbe "Mummeln", wie wir
sagten. Sie werden durch die Wasserverdrängung des Schiffes unter
Wasser gedrückt und kommen schnell wieder hoch, ein besonderes
Schauspiel.
Der
Oberländische Kanal mit blühenden Seerosen und Mummeln (G. Templin)
Kiebitze und Störche sieht man auf den kurz
geschorenen Wiesen. Die Rohrsperlinge lärmen im Schilf, und die
Fischreiher kann man ganz nah beobachten. Auch einige Enten werden durch
unser Schiff aufgescheucht. Bunte Schmetterlinge und Libellen flattern
über uns hinweg. Das Vieh weidet ruhig auf den saftigen Wiesen. Hier
und da sieht man Familien Camping machen und im Kanal baden. Das Wasser
ist durch die vielen Pflanzen sehr sauber, man kann bis auf den Grund
sehen.
Badefreuden
am Kanal (G. Templin)
Nun nimmt uns der Kanal über dem Abiskarsee auf, der
höher als der See in 480 m Länge verläuft. Doch leider kann man den
See durch die hohen Deiche nicht sehen. Einige Brücken spannen
sich im Bogen um diesen Wasserweg. Unser Schiff fährt ruhig an
träumerisch liegenden Ortschaften vorbei. Plötzlich eine große
Öffnung und wir sehen Liebemühl vor uns und auch die Schleuse, die
die Schiffe aus Richtung Osterode durchschleust, denn der Drewenzsee
liegt ca. 4 m tiefer als der Geserichsee. Wir bleiben aber auf dem Kanal
links abbiegend in Richtung Eylingsee, Zopkesee und Krebssee. Leider
gibt es hier keine Krebse mehr. Sie wurden im 18. Jahrhundert
durch einen Virus vernichtet.
Bis Buchwalde liegen wir immer
noch auf der Höhe des Geserichsees. Wälder, Wälder, wie nicht jeder
sie kennt. Hoch oben nisten Reiher, Rohr- und Gabelweihe suchen tief
fliegend ihre Beute. Am Rande des Krebssees ist die Thorchenbrücke. Es
ist der Eingang zum Rötloffsee, der eine Länge von 11 km hat. Der
gesamte Kanal ist ca. 130 km lang.
Am
Thorchen zum Rötloffsee (G. Templin)
Die Oberlandschiffer haben am
Fuße einer Eiche, dicht an der Thorchenbrücke, ihren im Ersten
Weltkrieg gefallenen Kameraden ein schlichtes Denkmal gesetzt mit
folgender Inschrift: "Flagge dippen," (hin und her bewegen)
"1914 - 1918 den gefallenen Oberländischen Schiffern von ihren
Kameraden." Es steht noch da, ist aber mit Moos überwuchert. Unser
polnischer Kapitän wurde nun von einem deutschen Kapitän (Karsten
Meyer) abgelöst, der mit einer Ruhe das Schiff auf diesem langen
Rötloffsee steuert.
Rechts begleitet uns der Wald weiter und
links sind weite Flächen mit Seerosen. Reiher und Kormorane haben hier
ihre Tummelplätze. Nach ca. 3 km rechts geht der Dutzkanal ab. Wir
fahren aber nicht hinein. Man nannte ihn auch "Laubenkanal".
Ein
Paddelboot im Dutzkanal (G. Templin)
Die
Schiffe fahren dort langsam, still, um das Bild im Spiegel des Wassers
nicht zu zerstören, darin sich Wasser, Himmel und Waldesgrün zärtlich
vereinigen. Nur wenige Sonnenstrahlen finden den Weg zum Waldboden und
zaubern wunderbare Reflexe hervor. Ein Naturdom, wie man ihn sich nicht
schöner denken kann. Dieser Kanal verbindet den Rötloff- mit dem
Bärtingsee.
"Hört mal zu," sagt unser Mann mit dem
Buch, "hier steht etwas Lustiges drin, das passt gerade hierher, da
wir auf dem Mohrunger Gebiet sind und die haben eine besondere Sprache.
"Da
fragt einer einen Schiffer vom Rötloffsee, was es noch zu sehen gäbe.
Der antwortet auf "Mohrungsch": Na, was is da nu vil zu sehe?
De Pinnausee is vawachse. Als mein Großvata noch jung war, da war e
halb so lang wie de Rötloff. Nu is he man bloß e kleines Tümpelche an
Rohr und Schilf nich abzesehe. Oba de Schwanmutter mit de nain Jungaches
is vaschwunde; da vafluchte Jägas schisse alles, was ihne voa Flinte
kömmt. Un den Samrodt, de is nun von den Eisebohn mitte durchgeschnitte.
Da müsse wi voade Brück die Segel raffe on de Mast umlege, s' is zum
Verrücktwerde. Didseit hat de Hildebrandt de halbe See mit Fleeßholz
belegt. Wie unsaeins da steire muß, um nich e Baumstamm in e
Schiffsbauch zu kriege. Bei Maldeite is Stremung, da rutscht de Kahn
gemittlich ana Zölp vorbei inne Rötloff. "
Ansichtskarte von Zölp aus dem Jahr 1900 mit "Bauinspektionsgebäude"
und Villa von Baurat Steenke am Nordende des Rötloffsees. (Sammlung C.
Mühleisen)
Unsere Fahrt
geht nun weiter an Maldeuten vorbei in den Samrodt- und Pinnausee,
überall die üppige Pflanzenwelt, Seereosen und Tierwelt. Nach 8
Stunden Fahrt erreichen wir unser Ziel Buchwalde (1. Geneigte
Ebene). Hier erleben wir noch eine Besonderheit, wir fahren über diesen
Rollberg hinüber und auch zurück. Es war eine herrliche Fahrt. Mit
einem kleinen Sonnenbrand kehrten wir mit dem Bus zurück.
Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und
Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa
Mühleisen übertragen.