Dichter und Schriftsteller

im Kreis Rosenberg

von Gerhard Templin

(Bearbeitung C. Mühleisen)

Man sagte früher: "Der Kreis Rosenberg wäre die Metropole des Hinterlandes in Westpreußen." So war es tatsächlich auf einigen Gebieten. Mit Interesse las ich die alphabetische Übersicht: "Dichter und Schriftsteller in Westpreußen." Ich möchte mit meinem Aufsatz etwas näher auf die Schriftsteller meines Heimatkreises "Rosenberg" eingehen. Sie sind sehr bekannt, und ich möchte auch nur die großen Schriftsteller vorstellen.




Bogumil Goltz (1801 - 1870)

Bogumil Goltz hat einige Jahre seiner Kindheit in Kl. Tromnau bei Riesenburg verlebt, wo er mit mehreren anderen Knaben von dem Pfarrer Jackstein erzogen wurde. In dem "Buch der Kindheit" und in "Ein Jugendleben, biographisches Idyll aus Westpreußen", hat er gerade dieser Zeit ein unvergängliches Denkmal gesetzt. In dem "Buch der Kindheit" schreibt er über Riesenburg vor 120 Jahren und in seinem Buch "Ein Jugendleben" deutet er den Schauplatz Klein Tromnau unverkennbar an, ohne ihn zu nennen, und zwar in den Abschnitten "Eine musikalische und bejubelte Wassersnot", "Eine Morgentoilette in der Pension im Dorfe", Spazierspringen" und "Eine Wolfsjagd mit Medizin". Aus den Überschriften sieht man schon ungefähr, um was es sich in diesen kleinen Geschichten handelt. In seinen Erinnerungen sieht er aber nur das Gute und Schöne, und ganz vereinzelt wurden Mängel besonders vermerkt. Wenn er an diese schöne Zeit seines Lebens zurück denkt, dann wird sein Herz wie von einem Zauber berührt, ein erquickender, oft auch drastischer Humor belebt noch alles.

- Ein ganz anderes Bild unseres Kreises erhalten wir in dem Werk, das ich jetzt nennen will und sehr bekannt ist "Im Schatten der Titanen" von Lily Braun. Goethe und Napoleon sind die Titanen. Lily Braun, eine Tochter des Generals von Kretschmann, die Gattin des bekannten sozialdemokratischen Schriftstellers Heinrich Braun, ihre Großmutter Jenny von Gustedt, geb. von Pappenheim, war eine Tochter Jerome Bonapartes, des Königs von Westfalen. Sie wuchs auf unter den Augen Goethes und war befreundet mit Goethes Sohn August und hat seinen Kindern Wolf und Walter ersten Unterricht gegeben. Allen Glanz des Hoflebens gab Jenny von Pappenheim auf, als sie sich 1838 mit Werner von Gustedt verheiratete, der das Gut Garden bei Deutsch-Eylau kaufte.



Jenny von Pappenheim 

Was Lily Braun nun nach den Erzählungen und Aufzeichnungen ihrer Großmutter über die damaligen Zustände im Kreise Rosenberg berichtet, gibt freilich kein besonders rosiges Bild. Sie schreibt u.a. "Es war im großen und ganzen ein verwahrlostes, dem Trunk ergebenes, in Unreinlichkeit und Unordnung dahin vegetierendes Volk. Kranken- und Armenhäuser gab es meilenweit in der Runde nicht, die Schule war schlecht, um das körperliche und geistige Wohl der Kinder kümmerte sich niemand."

Die Großmutter, Jenny von Gustedt, sammelte die Kinder der Landarbeiter und Instleute um sich, um ihnen neben warmen Kleidern, guter Milch, reinen Händen und Gesichtern durch Spiel, Erzählung, die primitivsten Ideen des Guten, Wahren und Schönen beizubringen. Auch die Schule, die bisher in einem fernen Dorf lag, wurde nach Garden verlegt und ein jüngerer Lehrer angestellt. Sie nahm außerdem 7 Zöglinge in ihr Haus auf. Als ihr Mann 1851 Landrat des Kreises wurde, verpachtete er Garden und kaufte den Adligen Hof Rosenberg.



Hof Rosenberg, der Sitz des Landrates 

Ein Rettungshaus für uneheliche Kinder wollte sie gründen und dafür verkaufte sie einen großen Teil ihres Schmuckes. Jenny von Gustedt ist sehr alt geworden. Sie starb 1890 in Lablacken am Kurischen Haff.

Ein ganz anderes Bild zeigt uns "Hans von Hülsen", der Sohn eines Pfarrers (1890 - 1968). Er verlebte seine Jugendzeit in Deutsch-Eylau, wo sein Vater Pfarrer in der Ordenskirche von Deutsch Eylau war. In dem Buch "Kinderschrank" und "Der Finckensteinsche Orden" beschreibt er Kindheitserlebnisse in Deutsch Eylau. Er erwähnt allerdings die richtigen Namen nicht. Außerordentlich eindrucksvoll und treu sind die Bilder dieser Zeit und das Gesicht, das unser Städtchen damals hatte, im Gedächtnis und im Herzen des Dichters haften geblieben. So taucht denn das Bild unserer Stadt und, als ihr Mittelpunkt, ihre alte Kirche mit ihrem damaligen Küster vor uns auf; wir blicken vom Kirchturm weit in das Land hinein und schauen auch in den alten Stadtgraben hinab, der damals ein anderes Aussehen hatte als heute. Wir werden auf den Kirchplatz geführt und in die damals dort stehende Schule.

Als er 1942 Dt. Eylau besuchte, traf er dort noch seine Spielgefährtinnen, die mir, da ich mit ihnen bekannt war, seine Erlebnisse mit ihm bestätigten und es gab mit dem "Hanschen", wie er damals genannt wurde, ein großes Wiedersehen. Mit seinem Schlüsselroman "Das aufsteigende Leben", einer Danziger Bürgermeistergeschichte, ist er bekannt geworden. Er war ein Freund Gerhard Hauptmanns und erhielt auch den Gerhard Hauptmann Preis für das Buch "Der Schatz im Acker". Weitere Werke waren: "Zwillingsseele" und "Tragödie der Ritterorden". Er starb in Rom.

Ein weiterer Sohn unseres Heimatkreises ist Ottfried Graf Finck von Finckenstein. Auf Schloss Schönberg ist er 1901 geboren und ist einer der bedeutendsten Schriftsteller Westpreußens. 1936 erschien sein Buch "Fünfkirchen". Diese an einem See gelegene Ordensburg dürfte wohl Schönberg sein. Die Handlung spielt am Haussee bzw. Geserichsee. Dieser Roman ist ein Heimatroman, der uns - ganz abgesehen von der packenden Erzählung - gefangen nimmt durch die liebevolle und schöne Schilderung einer herrlichen Waldlandschaft, die jedem Bewohner des Kreises vertraut ist.



Ottfried Graf von Finckenstein (1901 - 1989) 

1937 erschien die Novelle "Der Kranichschrei", 1938 der Roman "Die Mutter", 1942 der Roman "Die Dämmerung", 1949 die Novelle "Liebende", 1950 die Novelle "Die Nonne" und "Männer am Brunnen". 1950 erschien der Roman einer versunkenen Heimat, "Schwanengesang". Dieses Buch und auch "Die Mutter" sind Erinnerungen aus bzw. um Deutsch Eylau, Garden und Schönberg.

Nach dem Kriege ging er nach Ottawa (Kanada), wo er das Buch schrieb "Nur die Störche sind geblieben". Er ist auch dort gestorben. Finckenstein erhielt 1932 den Herderpreis der Uni-Königsberg und 1938 den Wilhelm Raabe Preis. Zu seinem 65. Geburtstag schrieb Paul Fechter: "Den Instinkt für den immer verkanntesten Osten, den des Landadels, brachte Ottfried Graf Finckentstein mit. Er kennt die Atmosphäre der großen Gutshäuser, ihre Menschen und ihre sehr besondere Kultur aus der Erfahrung des eigenen Lebens. Er wuchs in diesem für andere schwer zugänglichen Sonderbereich auf, kannte ihn und seine Menschen von Kind auf, sprach vom eigenen Leben, wenn er von ihnen und ihrer Welt sprach. Graf Finckenstein verfügt über die sehr östliche Kraft des Sehens, des Fassens einer Atmosphäre und ihres unmittelbarsten Ausdrucks. Er hat die unmittelbare Wirklichkeitsbeziehung des östlichen Menschen, die Fähigkeit, das jeweils Besondere eines Waldes, einer Ortschaft, eines Menschen sinnlich zu erfassen und fühlbar werden zu lassen. Er kennt die Menschen und stellt sie mit knappen, festen Strichen hin. Er hat von Hamsun gelernt und das Gelernte kräftig aufgeostet, ihm Weichselfarbe und Weichselluft gegeben".

- Anschließend will ich noch 2 Bücher erwähnen, die in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen sind. Da ist zuerst das Gedichtbuch der Deutsch Eylauer Dichterin Helene Nieckau: "Unser schönes Deutsch Eylau. Bilder aus unserer Heimat". Es sind reizende kleine Werke (auch mit Bildern ausgestattet), die in schönen von innigster Heimatliebe zeugenden Versen von der alten Ordensstadt am Geserichsee singen. Sie versetzen uns in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg.

Unvergesslich in unserem Heimatkreis ist auch unser Georg Hoffmann (1900 - 1963). Er war Lehrer, Ornithologe und Schriftsteller. Sein bekanntestes Buch ist "Rund um den Kranich", das 1936 erschienen ist. Im Jahre 1941 erschien "Ein See im Walde" und 1954 "Der See der Adler".



Georg Hoffmann, genannt Vogel-Hoffmann (1900 - 1963)

Aus einer Buchbesprechung über das Buch "Rund um den Kranich" entnehme ich: "Nur ein Poet kann die Natur so sehen wie unser Landsmann. In ihrer Gesamtheit wird sie ihm lebendig, jede ihrer Stimmungen genießt er mit der empfänglichen Seele des Künstlers und als rechter Philosoph ordnet er sich und sein Menschsein bescheiden in den großen Kreislauf des Werdens und Vergehens ein. Er will sie nur verstehen, nicht aber richten oder den großen Plan des Schöpfers verbessern. Darum mischt er sich nicht ein, als der junge Rohrweih seinen kleinen Bruder zu Tode quält, und tut recht daran, denn dem Kleinen bleiben die Qualen eines langsamen Hungertodes, der seine Brüder nachher trifft, erspart. Gerade dieser Zug ist ein untrügliches Kennzeichen echter Liebe zur Natur und wirklicher Naturnähe".

Schließen will ich die Reihe der Schriftsteller mit Hans Graf Lehndorff - Inhaber der Kant-Medaille des Kreises Rosenberg (1910 - 1987). Er wurde in Graditz bei Torgau an der Elbe geboren. 1922 erhielt sein Vater die Aufforderung, Trakehnen in Ostpreußen zu übernehmen. Der junge Graf war damals 12 Jahre alt. Seine Mutter war eine geborene von Oldenburg, Tochter des Gutsbesitzers und Reichstagsabgeordneten Oldenburg-Januschau. Da sein Großvater eine große Pferdezucht hatte, war es selbstverständlich, dass seine 5 Geschwister in ihren Ferien ihre Freizeit auf den Rücken der Pferde verbrachten.



Hans Graf Lehndorff (1910 - 1987)

Nach seinem Medizinstudium wird er Arzt in Berlin, Königsberg und Gumbinnen. Beim Einmarsch der Russen kann er nicht mehr aus Ostpreußen fliehen. Er schlägt sich nach dem Kreis Rosenberg durch. Er ist einer der wenigen Menschen, die noch bis 1947 in unserer Heimat waren. In seinem "Ostpreußischen Tagebuch" hat er seine Erlebnisse als Arzt bei der Besetzung Königsbergs und seinen abenteuerlichen Weg in unseren Heimatkreis beschrieben.

Er versorgte die Kranken und Verletzten im Abschnitt Rosenberg - Schwalgendorf - Deutsch Eylau. Meine Verwandten in Schwalgendorf haben mir seine Aufzeichnungen bestätigt. Vor seinem Tode besuchte er noch alle Heimatfreunde, die ihm bei seiner schweren Aufgabe geholfen haben und schenkte ihnen sein Buch, das ein Bestseller wurde. Eine schöne Geste des Grafen.

Weitere bekannte Bücher sind "Die Insterburger Jahre (Mein Weg zur bekennenden Kirche)" und "Menschen, Pferde, weites Land", wo er seine Kindheits- und Jugenderinnerungen beschreibt.

Zum "Ostpreußischen Tagebuch" schreibt die Stuttgarter Zeitung im Jahre 1970:

"Wer dieses Buch unbewegt oder unbelehrt aus der Hand legen kann, der muss von Stein sein. Sechzehn und mehr Jahre nach dem nahezu apokalyptischen Ende der deutschen Katastrophe beschwört es jene Situationen mit einer Kraft, wie sie nur dem gegeben ist, der mit wachen Sinnen an der Pforte des Todes und am gähnenden Abgrund des Nichts gestanden ist. Die Erschütterung, die damals die meisten von uns verspürt, seither aber verdrängt oder vergessen haben, greift uns beinahe jede Seite dieses Buches ans Herz".

Bildnachweis:
Bogumil Goltz - Motekat, H.: Ostpreußische Literaturgeschichte, München: Schild-Verlag, 1977.
Jenny von Pappenheim - Lily Braun: Im Schatten der Titanen, Braunschweig, Verlag von G. Westermann, ca. 1910.
AK vom Hof Rosenberg - aus der Sammlung von Christa Mühleisen.
Ottfried Graf von Finckenstein - Nur die Störche sind geblieben, München: Langen Müller Verlag, 1994.
Georg Hoffmann - Heimat Kurier, Heimatzeitung für den ehem. Kreis Rosenberg / Wpr.

Copyright Gerhard Templin & Christa Mühleisen 

14.08.06 -a-