Am Dorfteich

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Neben den 60 Seen, den vielen Fliesen und Flüssen, die der Kreis Rosenberg hatte, gehörte zu jedem Dorf ein Dorfteich. Was könnte er alles erzählen, wenn er nicht so verschwiegen wäre. Das ganze Leben des Dorfes spiegelte sich in ihm. Schon in den frühen Morgenstunden, bevor sich noch die ersten Sonnenstrahlen in ihm spiegelten, wenn er noch von leichten Nebelschwaden umgeben ist, sind die kleinen zierlichen Vögel da. Sie trinken aus ihm ein Schlückchen oder nehmen am Rande ein Bad. Noch haben sie Ruhe. Aber dann kommen schon die Frühaufsteher der Bauernhöfe, die Hühner und Puten zum Teich gezogen, um ebenfalls zu trinken und suchen am Rande leckeres Gewürm.

Zwei junge Mädchen kommen aus einer knarrenden Gartenpforte, die Pede auf den Schultern mit großen Eimern, um für ihren Gemüsegarten das fruchtbare Nass zu holen. Mit den klappernden Henkeln der Eimer wecken sie ihn vollends auf. Mit den großen Ringen, die die beiden beim Schöpfen schlagen, kommt größere Bewegung in unseren Dorfteich. Die Enten und Gänse kommen watschelnd herbei, um sich schnatternd in ihn zu stürzen, in seinen stillen Buchten im Entenflott herumzuschnabulieren und seinem lebendigen Inhalt mit hocherhobenem Pürzel auf den Grund zu gehen. In den Büschen summen die Bienen und Hummeln und fliegen von Blüte zu Blüte und der letzte Tau schillert im Sonnenlicht. Es wird nun lauter. Einige Hunde jagen das Hühnervolk und patschen im Teich herum und es ist aus mit der Ruhe.

Er muss nun für alles stillhalten. Eine Bauersfrau schöpft ihm sein weiches Wasser für ihre Wäsche ab. Wagenräder und Holzbottiche werden ihm zum Quellen und Dichten anvertraut, Pferde werden in die Schwemme geritten und das Vieh kommt zum Tränken. Auch der Storch, der sein Nest in der Nähe hat, kommt angeflogen, um sich einen Poggenbraten zu holen, denn er hat Jungstörche im Nest.

Wenn es ganz heiß wird im Sommer, dann ist der Teich unentbehrlich. Kleine Viehherden kommen und suchen in ihm Kühlung. Die Melkerin setzt sich mit ihrem Melkeimer dicht an den Teichrand, um die Kühe zu melken. Sie werden dann mit einem Klaps in das kühle Nass wieder entlassen.



Das Leben an unserem Dorteich (G. Templin)

In der Nähe stehen 2 kleine Jungen, die mit ihren "Dittchenangeln" Gringel fangen wollen, während die größeren Jungen unterm Baum liegen und dösen. Sie sind zu matt, um Dummheiten zu machen. Selbst den kleinen Pferdchen ist es zu heiß, sie suchen ihren Stall auf.

Wenn es dann Abend wird und die letzten Sonnenstrahlen in den kleinen Wellen golden blinken, das Vieh und Federvolk in die Ställe zurückkehrt, der Storch und seine Jungen die Köpfe unter die Flochten stecken, dann wird es auch an unserem Dorfteich  ruhig. Nur ein Froschkonzert ertönt aus dem Entenflott- und Schilfwinkel. Schwalben ziehen im Tiefflug über ihn und holen sich aus dem tanzenden Mückenpulk ihre Beute. Auch einige Fledermäuse aus dem nahen Kirchturm sieht man im Zickzackflug fliegen. Nur ein Plätschern springender Fischlein ist noch zu hören.

Ein Liebespaar, das an seinem stillen Ufer Hand in Hand sitzt, das ist das Letzte, was unser kleiner Dorfteich am Abend mit seinen silbrigen Strahlen des Mondes wahrnimmt, dann schläft er ein.


Copyright: Gerhard Templin & Christa Mühleisen