Eissegeln

von Gerhard Templin

Bearbeitung: C. Mühleisen

Bereits in der Januar/Februar-Ausgabe des Heimatkuriers im Jahr 2004 erschien ein ausgezeichneter Aufsatz über den unvergessenen Europa- und Deutschen Meister Oberfeldwebel Poppeck aus Deutsch Eylau, den sein Sohn Burkhard geschrieben hat. Ich will heute über das gesamte Eissegeln in Ostpreußen schreiben.

Die Ursprünge des Eissegelns liegen im Holland des 17. Jahrhunderts, wo Seeleute einen Weg suchten, um ihre Boote auf zugefrorenen Wasserflächen nutzen zu können. Die ersten Eissegler waren daher kleine Lastensegler, an deren Unterseiten Kufen moniert wurden. Wie das Segeln allgemein, fand auch das Eissegeln um 1850 das Interesse von "Lustseglern", die die Segelei als Zeitvertreib betrieben. 1865 wurde am Hudson River (USA) der erste Eissegelclub der Welt gegründet, und es wurden die ersten Eisyachten gebaut. In den ersten Jahren des Sports waren noch keine Wettfahrten. In den USA fuhren die Eissegler Rennen gegen Eisenbahnzüge, die entlang der Flüsse verkehrten.

Im ersten Weltkrieg baute man Eisfahrzeuge, die mit Waffen ausgerüstet und militärisch eingesetzt wurden und die bis zu 80 qm Segelfläche hatten. Sie wurden als Patrouillenboote in den Buchten der baltischen Länder eingesetzt.

In den 1930er Jahren kam das Bedürfnis nach einer kleinen Eisyacht für jedermann auf, die man leicht transportieren und vor allen Dingen auch selbst bauen konnte. Es wurde der sogenannte D.N.-Schlitten entworfen, der sich seither weltweit verbreitet hat und auch auf dem Auto transportiert werden kann. Es wurden Bootsklassen geschaffen, die im Falle des Eissegelns viel Spielraum bei der Konstruktion und Ausrüstung lassen.

Die Eissegelregatten werden nach ähnlichen Maßstäben organisiert und durchgeführt, wie Regatten auf dem Wasser. Es werden sogenannte Up- und Down-Kurse gesegelt, das heißt, der Start erfolgt genau gegen den Wind zu einer Wendemarke in Luv (dem Wind zugekehrte Seite) und dann zu einer Leemarke (dem Wind abgekehrte Seite), die dicht in Luv der Startlinie liegt. Nach einer festgelegten Zahl der Runden dieser Marken, folgt der Zieleinlauf über die Startlinie.

Ein bedeutender Unterschied auf dem Wasser ist, dass beim Eissegeln die Starter an der Startlinie stehen. Beim Startschuss schieben die Piloten ihre Boote an, um sie zu beschleunigen und steigen erst ein, wenn das Boot eine Geschwindigkeit erreicht hat, bei der das Segel selbst genügend Vortrieb liefert. Der vom Segeln auf dem Wasser bekannte fliegende Start ist beim Eissegeln nicht nötig, da die Piloten ihre Boote auf dem Eis festhalten können.

Allerdings ist das Eissegeln ein beschränkter Sport. Er kann nur dort stattfingen, wo geeignete Gewässer sind, die auch im Winter zufrieren, z. B. waren es in Ostpreußen der Mauersee, Schwenzait- und Geserichsee, Ostseeküste und Kurische Nehrung, dann die Seen in Polen, Österreich, baltische Seen und Finnland, Schweden und Russland.



Eissegelwoche auf dem Schwenzaitsee




Vor dem Start


Es ist auch nur ein Sport für harte Männer, obwohl auch auf dem Mauersee eine Frau segelte. Der Geserichsee in Deutsch Eylau war eigentlich nur für Trainingszwecke geeignet. Gebaut wurden die Schlitten für den Heereswassersportverein von Bootsbaumeister Gerhard Grzan, der mehrere Klassen baute (12,15 und 20 qm Klassen). Die Schlitten waren aus Holz. Gelenkt wurden sie mit einem Lenkrad und der Heckkufe. Der Mast war aus Holz und die Kufen aus Bronze. Es gab Einsitzer und auch Zweisitzer und die Piloten saßen in ihren Schlitten. Bei Bedarf wurden sie in Eisen ausgewechselt.



Lagebesprechung auf dem Geserichsee


Zu den ersten Gaumeisterschaften schickte die Wehrmacht aus Deutsch Eylau einige Schlitten 1936 nach Angerburg, die auch alle Wettfahrten durchhielten. Hier erschienen auch zum ersten Mal die Namen Poppeck und Tribukeit. Sie gehörten dem 2. Batt. des Inf. Reg. 3 in Deutsch Eylau an. Ich hörte mir damals schon die Sportberichte im Radio an. Dabei fiel auch immer der Name von Erich Holst. Er war der Führer der baltischen Flotte. Er war der Vater des europäischen Eissegelsports und war damals schon Deutscher- und Europameister.




Erik von Holst - Leiter der baltischen Jagdgruppe und Vater des europäischen Eissegelsports


Die meisten Teilnehmer waren Wehrmachsangehörige. 1937 begann die Siegesserie von Oberfeldwebel Poppeck, er wurde Deutscher Meister. Übrigens alle drei Jahre fanden die Europameisterschaften auf dem Schwenzaitsee statt. Auch im Ausland nahmen die Eylauer Segler an Wettfahrten teil und errangen gute Plätze. Auch im letzten Krieg wurden Meisterschaften ausgetragen. So die Kriegsmeisterschaft 1941 auf dem Schwanzaitsee bei Angerburg.

Ein Sonderberichterstatter der Königsberger Allgemeinen Zeitung schrieb darüber einen Bericht:

"Im Gästeheim Jägerhöhe, wo die Teilnehmer schliefen, hängen im Heizungskeller die Schutzanzüge der Mannschaften und die Stiefel zum Trocknen. Segel haben sich in die Korridore verirrt, und in den Zimmern trocknen die Strümpfe und andere Kleidungsstücke. Es war gestern eine harte Schlacht, bei den Pfützen und dem Regen, der für Führer zu schmerzenden Schlägen wurden. Es hat phantastisch ausgesehen, wenn die Schlitten vor der Wendemarke gestiegen sind und um die Wendemarke kamen und auf neuen Kurs gingen. Der entscheidende Tag begann mit einem Aufmarsch der Yachten vor dem Heldenfriedhof Jägerhöhe, um der gefallenen Kameraden zu gedenken, ca. 40 Eissegelyachten in einer Linie.



Ehrung der gefallenen Kameraden vor dem Ehremal in Angerburg


Bei diesen Meisterschaften wurden Oberfeldwebel Poppeck und Hautpmann Tribukeit Deutsche- und Europameister. Bei diesen Meisterschaften segelte auch eine Frau mit, die drei Siege errang."



Poppeck vor dem Start




Poppeck in voller Fahrt mit dem "Iltis"




Zwei Deutsche Meister (rechts Poppeck) beglückwünschen sich.


Bei einem Heimattreffen in Halle traf ich Herrn Paul Poppeck. Er trug seine Europameisternadel am Anzug. Die Freude war groß und so tauschten wir Erinnerungen aus. Ich durfte einmal bei strahlendem Wetter in seinem Schlitten mitfahren. Als wir von Schalkendorf zurückkamen, war mein Gesicht fast erfroren. Diese Schlitten konnten fast 130 km/h fahren. Trotzdem hat es Spaß gemacht. Jedoch konnte man auf dem Geserichsee nicht so ein hohes Tempo fahren.

Am günstigsten ist es für die Eissegler, wenn es etwas getaut hat und über Nacht gefroren ist, dann war das Eis spiegelglatt. Im letzten Winter hatten wir einige Frosttage und so war es hier auf dem Steinhuder Meer recht erfreulich. Hier fanden auch die deutschen Eissegelmeisterschaften statt und zwar am 11. und 12. Februar 2012.



Zwei Schlitten bei der Deutschen Meisterschaft

Warum schreibe ich diesen Aufsatz? Unser Enkel Maximilian hat auf dem Steinhuder Meer einen Eissegelschlitten. Wir haben uns ausgiebig über diese neuen Schlitten unterhalten. So sind diese Fahrzeuge schlanker und leichter. Es gibt sie aus Holz oder Kunststoff. Der Mast ist aus Edelstahl (früher Holz). In dem schlanken Rumpf liegt der Pilot auf dem Rücken, nur der Kopf ist erhöht. Er steuert mittels einer Pinne die Bugkufe. Allerdings Lenkräder gibt es auch, vor allen Dingen bei den Zweisitzern, wobei der hintere Mann lenkt. Die Kufen sind aus Edelstahl und mit der Heckkufe wird gelenkt. Schutzbrille und Gesichtsschutz muss getragen werden, gesteppte Kombi und Handschuhe sind selbstverständlich.



Eissegeln 2012 auf dem Steinhuder Meer bei Hannover

Maximilian Templin in roter Jacke mit seinen Clubfreunden und ihren Schlitten




Eissegelschlitten in voller Größe




Pilot Maximilian Templin in seinem Eissegelschlitten


Man könnte noch eine ganze Menge über diesen schönen Sport schreiben, aber die hier gezeigten Bilder sprechen für sich. Ein besonderer Dank gilt Herrn Burkhard Poppeck für die vielen Unterlagen. Wir werden seinen Vater immer in Erinnerung behalten und unserem Enkel Maximilian für die technische Beratung herzlichen Dank.

Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.