Ein Berliner
entdeckt Ostpreußen - Eine humorvolle Geschichte zusammengestellt von Gerhard Templin - Bearbeitung: Christa Mühleisen Die Erde ist klein und wird immer kleiner, je mehr man reist, bis sie eines Tages zu einem Globus wird, den man auf den Tisch stellen zu können vermeint. Nun kenne ich nicht nur das kleine Europa, sondern mit Ausnahme des Südpols so ziemlich alles, was besuchenswert ist. Der Fujijama ist mir fast ebenso vertraut, wie der Kreuzberg in Berlin, ich habe im heiligen Ganges ebenso krokodilsicher gebadet, wie im Hotel Astoria in Veracruz, trank mit Lamas, Buddhisten, Yogis, Jakuten, Mormonen, Neuseeländern Bruderschaft in dem jeweiligen Nationalgetränk, tanzte mit Geishas, der Königin von Madagaskar, Indianer- und Mormonenfrauen, schlug mich mit Moskitos und gewöhnlichen Mücken und Flöhen herum, fuhr auf Dschunke, Kanu, Spreekahn, Gondel, Paddelboot, rollte, sauste, schwirrte auf Dampf-Benzin-Rädern und -Flügeln und hätte von Rechts wegen schon längst im Paradies der Muselmanen, in Abrahams Schoß, in Nirwana, in den ewigen Jagdgründen der Indianer, im Christenhimmel oder in deren Gegenteilen, jedenfalls im Jenseits sein müssen. Da dieses bis jetzt noch nicht
der Fall ist, beschloss ich, nach einem der unbekanntesten Gebiete der
Erde, nach Ostpreußen zu reisen, es gewissermaßen erst zu entdecken,
da es noch so gut wie ganz unerforscht ist. Über diese meine letzte und
aufregendste Reise will ich auf den folgenden Blättern berichten, dann
kann die letzte Fahrt von dieser Welt beginnen. Die
Vorbereitungen Ich hatte erfahren, dass man zu einer Reise
nach diesem fernen Lande sehr viel Humor, Pelze und Eishacken gebraucht,
Lebensmittel dagegen sollten dort zu finden sein. Da ich von Natur ein
mutiger Mann bin, hatte ich auch keine Furcht vor Wölfen, Bären und
Ostelbiern, von den letzteren sagt man ja doch, dass sie eine Art von
Menschen wären. Ich ließ deshalb auch meine Flinten zu Hause; und weil
ich im Hochsommer dort anzukommen hoffte, nahm ich nur meinen
gewöhnlichen Winterpelz mit und zwei Dutzend Wollstrümpfe, für den
Humor einige Bände Bonsels, dazu 50 Pfund Seife und ebensoviel
Stearinlichte, sowie reichlich Desinfektions- und Ungeziefermittel. Dann
steckte ich mir einige Pfund Papierschnitzel in die Tasche für den
Fall, dass ich mich verirren und gesucht werden sollte. Natürlich hatte
ich im Winter die einschlägige Literatur durchstudiert, angefangen von
den altphönizischen Berichten über die Bernsteinfunde bis zur letzten
Expedition des deutschen Kronprinzen. Ferner versuchte ich noch die
ostpreußische Sprache zu erlernen. Da es aber dafür kein richtiges
Lehrbuch gibt, verließ ich mich auf meine mir angeborene Gabe, die
Eingeborenen zu verstehen auch ohne Sprachkenntnis, wie ich's schon oft
bei Kaffern, Neuseeländern und Indianern erprobt hatte.
Gleich von Anfang will ich der Meinung entgegentreten, die ziemlich allgemein
verbreitet zu sein scheint, dass Ostpreußen jenseits Sibiriens liegt.
Meinen gewissenhaften und mühseligen Messungen ist es gelungen
festzustellen, dass das keineswegs der Fall ist. Ich sah auch, dass es
den größten Teil des Jahres eisfrei ist; und das Nördliche Eismeer
stößt zwar an das Land, aber vermittels des Skagerraks, des Kattegatts
und der Ostsee. Eisberge habe ich nur in Konditoreien getroffen, und die
dazu gehörigen Bären musste ich mir extra aufbinden lassen. Von
Wölfen sind nur die auch sonst wo gebräuchlichen zu finden: Leo Wolf,
Loeser & Wolff, Heinrich Wolff u. a.
Die Küste der Ostsee, die
Samlandküste, ist an einzelnen Stellen bis 9000 cm hoch. Leider wird
sie von dem Meere fortgesetzt abgetragen. In tausend Jahren frisst sich
die See um 0,5 cm ins Land. Ich wollte mich davon durch den Augenschein
überzeugen, aber es dauerte mir zu lange. Sicher ist jedoch, dass in
ein paar kurzen Jahrhunderttausenden jede Königsberger Hausfrau ihre
Wäsche am Meeresstrande wird waschen können.
Die merkwürdigsten Gebilde des Landes sind die beiden Nehrungen, die wie zwei Wurmfortsätze eines Blinddarms am Körper des Landes angeheftet sind. Ähnliche Bildungen habe ich nur an den Gestaden des Atlantik vor der Mündung des gewaltigen Amazonenstromes beobachten können. Aber sie sind noch jetzt steten Veränderungen unterworfen, so dass es sich kaum lohnt, von ihnen Karten zu kaufen, weil sie ja in 1000 Jahren sicher nicht mehr stimmen. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist in einzelnen Teilen berühmt; Ostpreußen gehört zu den Kornkammern der Welt. Leider ist die Ernte seit Menschengedenken so entsetzlich schlecht, dass nicht einmal die Aussaat von den Landwirten eingebracht werden kann. Das liegt an den Witterungsverhältnissen und an der Statistik und ist sehr traurig. Aus der Vorzeit des Landes
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und Ostpreußen.
Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern und ruhte sich über
Ostpreußen aus. Diese Geistesruhe ist dem Lande geblieben bis auf den
heutigen Tag, zugleich aber ist das auch der Grund, weshalb hier später
Immanuel Kant geboren wurde. In der Kreidezeit war hier eine riesenhafte
Ansammlung von Brontosauriern, auch dieses ist nicht ohne Folgen
geblieben. Adam und Eva sollen hier nach ihrer Vertreibung aus dem
Paradiese noch 100 Jahre gelebt und sich kümmerlich durch eine Plantage
von Paradiesäpfeln und Kumst ernährt haben.
Leider widersetzten sich die alten
Preußen diesem segensreichen Verfahren gleich von Anfang an. So
erfüllten sie dem heiligen Adalbert seinen innigsten Wunsch, ein
Märtyrer zu werden, bereitwilligst, indem sie ihn in der Nähe von
Fischhausen im Samland niederträchtigerweise ermordeten, nach ihrer
Ansicht mit Recht wegen Forstfrevels, begangen an einer heiligen Eiche.
Manchmal waren die Heiden jedoch so vernünftig, freiwillig das Feld zu
räumen, wie der Herzog Samo mit den Seinen, der sich mit
Schwefelhölzchen vergiftete, in der Annahme, dass die Dichter dadurch
einen dankbaren Stoff für ein Heldenepos erhalten würden. |