Ein
Erlebnisbericht:
Meine erste Begegnung mit
Deutsch Eylau und seinen lieben Menschen
von
Gerhard Templin
Bearbeitung C. Mühleisen
Herr
Ernst Morgenroth, der lange Zeit Rektor der Deutsch Eylauer
Stadtschule war, hat uns etliche Aufzeichnungen hinterlassen. Unter
anderem schreibt er auch über seine erst Begegnung mit Deutsch Eylau.
Geboren
wurde er am 18. September 1881 in Domnau, Kreis Friedland, Ostpreußen.
Von 3 Söhnen war er der jüngste. Er besuchte von 1890 bis 1898 die
gehobene Bürgerschule in Domnau und anschließend die
Präparandenanstalt in Friedland. Auf dem Lehrerseminar in Pr. Eylau
absolvierte er die erste Lehrerprüfung und erhielt seine erste
Lehrerstelle in Juditten bei Königsberg. In Ortelsburg legte er seine
zweite Lehreprüfung ab und war danach sechs Jahre lang im Kreis Lyck
eingesetzt. In den Fächern Botanik, Zoologie und Erdkunde bestand er
1913 in Königsberg die Prüfung als Mittelschullehrer. In diesem Jahr
führte er am 5. Oktober seine Lebensgefährtin Gertrud geb. Brehm zum
Traualtar.
Seit 1. Oktober des Jahres 1913 hatte er eine
Lehrerstelle in Lautenburg/Westpr. und wurde kurze Zeit später Leiter
dieser Schule.
Schon oft war er auf seinem Weg über
Goßlershausen nach Lautenburg in Deutsch Eylau vorbei gefahren und
jedes Mal hat seine Frau gesagt: "Hier möchte ich so gerne
wohnen!" War es Ahnung oder Vorschau? Frauen sind bisweilen
hellsichtiger als Männer, das liegt wohl in der Natur des weiblichen
Geschlechts. Wie sollte das wohl möglich sein?
1915 bestand
Morgenroth seine Rektorenprüfung in Königsberg und erhielt seine erste
Rektorenstelle in Fürstenfelde, Neumark. Am 1. Dezember 1918 wurde er
dann Rektor und damit Leiter der evangelischen Volksschule in Deutsch
Eylau. Gleichzeitig war er Leiter der Grenzschutz-Polizeischule. Es
waren drei Hundertschaften dieser berittenen Polizeitruppe in Deutsch
Eylau stationiert, da man ja immer mit Grenzverletzungen rechnen musste.
Seine
vielen Schriften geben ein beredtes Zeugnis von seinem Wirken für die
verlorene Heimat.
Gleich nach der Flucht hat er ein kleines
Erlebnis mit einer alten Deutsch Eylauer Dame niedergeschrieben. Sie
liebte unsere schöne Heimat mit jeder Faser ihres Herzens und war ein
feinsinniger, tief veranlagter Mensch.
Rektor Morgenroth
schreibt: "Und wenn ich an Deutsch Eylau denke, so steht sie mir
immer vor Augen". Es war Fräulein Kowalski, die Besitzerin des
vornehmsten Hotels in Deutsch Eylau. Damals war sie schon über 80 Jahre
alt. Wenn ich mittags aus der Schule nach Hause ging, traf ich sie eine
zeitlang regelmäßig, stets nickte sie mir wie einem alten Bekannten
freundlich zu, immer zitterte dann ein feines, gutes Lächeln um ihren
Mund. Und dann kamen wir ins Gespräch so ganz ungezwungen,
selbstverständlich, als müsste das so sein". "Sie haben
einen weiten Weg zur Schule, Herr Rektor!" "Weit?",
meinte ich, "das habe ich eigentlich noch gar nicht gemerkt,
Fräulein Kowalski, meist dusele ich auch so vor mich hin, achte auf den
Weg gar nicht". "Ja, sicher, wenn man jung ist, ist alles wohl
auch anders. Mir fällt das Gehen doch schon recht schwer!".
"Und
dennoch gehen sie täglich hier spazieren, Fräulein Kowalski?"
"Ach was, Bewegung, die habe ich auch zu Hause, hier ist es anders.
Wenn ich den Spaziergang nicht mache, erscheint mir der Tag leer,
beinahe schon sinnlos!"
Promenade
am Denkmal - zwischen den Bäumen der Geserichsee (G. Templin)
Sie wurde ein bisschen verlegen als
müsse sie jetzt ein Geheimnis ihres Herzens preisgeben, langsam formten
es ihre Lippen: "Ich habe meinen Geserichsee so lieb!" Wir
schwiegen beide. Ich suchte nach einem guten Wort, fand aber keines. Und
dann sprach Fräulein Kowalski weiter, etwas verhalten, aus dem
innersten ihrer Seele heraus: "Ich bin schon über 80 Jahre alt,
Herr Rektor, und jeder Tag erscheint mir wie ein Gnade des Schöpfers
und die Welt ist doch so schön, mein lieber Geserichsee besonders. Das
Leben ist überhaupt schön!" "Doch nicht immer, Fräulein
Kowalski, es gibt auch viel Hässliches!" "Hässliches, Herr
Rektor, nein, Herr Rektor, alles ist schön, auch im Hässlichen liegt
Schönheit, man muss es nur verstehen mit rechten Augen zu
schauen!"
Ich musste über die Worte der alten Dame
nachdenken. "Das Leben ist schön und jeder Tag ist eine Gnade des
Schöpfers!" Sie sprach es nachher noch einmal leise vor sich hin
und ihre Augen gingen wie suchend über die silberglänzende Fläche des
Sees hin.
Wo sich ein Wellchen heraushob, da glänzten die
Goldfunken der Mittagssonne auf. Ganz hinten schloss das dunkle, zackige
Band des Waldes auf der Widlung die Fernsicht. Und dann reichte sie mir
ihre feine, zartgliedrige Hand. "Ja, und nun sind sie gleich zu
Hause und ihre liebe Frau wartet schon mit dem Mittagessen!" Das
klang ein bisschen schelmisch, in ihren schönen warmen Augen leuchtete
es ganz jungmädchenhaft auf, so klar und so rein. So jung war sie
noch....so jung....Ich habe Fräulein Kowalski nachher nicht mehr
getroffen. Einige Wochen später ging sie heim zu ihrem Gott und zu
seiner ewigen Schönheit.
"Bewahrt Eure Liebe zu unserer
schönen Heimat mit der ganzen Inbrunst, zu der Euer Herz fähig ist!
Betrachtet die Heimat nicht als verloren! Die Ordenskirche, der
Geserichsee warten auf Euch, auch als Besucher, in verzehrender
Sehnsucht".
Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an
den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau
Christa Mühleisen übertragen. |