Eine Erlebnisfahrt auf dem Eylenzfluss in Deutsch Eylau

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Schon seit langer Zeit war es mein Wunsch, mit Heimatfreunden eine Bootsfahrt auf dem Eylenzfluss zu machen. Dieses sollte nun Wahrheit werden. Die aufstrebende Stadt Deutsch Eylau hat sich nicht nur baulich verändert, sondern gestaltet auch die Ufer des Geserichsees neu und tut auch etwas für den Eylenzfluss, der aus dem Geserichsee seinen Ursprung hat, sich an der Hausmühle gabelt, durch den Eylenzsee und Daulensee mit vielen Windungen in die Drewenz fließt. Ca. 1 km von Rosen entfernt ist diese Stelle. Die Drewenz fließt bei Nessau in die Weichsel, wo im Jahre 1231 Hermann Balk mit einigen Rittern die Weichsel überquerte, dort Fuß gefasst hat und eine Baumburg errichtete.

Lange Jahre war der Eylenzfluss stark verschmutzt. Eine Geflügelschlachterei leitete ihre Abwässer in den Fluss. Inzwischen hat die Stadt eine moderne Kläranlage geschaffen, und so gehen alle Abwässer über diese Anlage. Der Fluss ist wieder sauber. Leider kennen oder kannten die Einwohner unserer kleinen Stadt nicht so genau diesen Wasserweg, der die Stadt wie einen Arm umschlingt. Der Deutsche Orden, der unsere Stadt anlegte, wusste, was die Lage für ihn bedeutete. Es war nur eine Landzunge vorhanden, und diese war durch Palisaden in der Ober- und Niederwallstraße geschützt.

Als ich den Wunsch einer Flussfahrt unserem Freund Joachim vortrug, war er sofort bereit, diese zu organisieren. Gleich am nächsten Tag ruderten wir von seinem Bootssteg auf den Fluss. Es war recht mild, aber die Luft sehr diesig. Beginnend am Sägewerk Seifert und Spritzenhaus, wo der Fluss aus dem See kommt, fuhren wir am ehemaligen Bootshaus des Turnvereins vorbei, das einer Promenade weichen musste, durch die Brücke und haben links das Haus Biermanski. Etwa 50 m rechts war der Gemüsegarten der Haushaltungsschule.



Eylenzbrücke - Saalfelderstraße in Dt. Eylau (G. Templin)




Blick von der Eylenzbrücke - Saalfelderstraße (G. Templin)

Die Strömung war recht stark, so brauchten wir uns beim Rudern nicht so anstrengen. Uns fällt auf, dass die Ufer befestigt und etliche Schilfecken verschwunden sind. Wir halten uns aber rechts. Hier bauen am Gaswerk einige Arbeiter Yachthäfen. Hier sollen die Boote liegen, die durch die Modernisierung der Geserichufer keine Bleibe mehr haben.

Ich erzähle meinen Freunden, dass hier nach einer Sage der Fischkönig lebte. Es war ein trauriges Kapitel für die Ehre der Deutsch Eylauer. Außerdem ist es nur eine Sage, da weiß man nie, wo das Märchen aufhört und die Wahrheit anfängt.



Der Fischkönig (G. Templin)

Ein Schloss habe der Fischkönig auch gehabt. Es stand auf dem Grundes des Flusses, dort, wo er hier vor der Gasanstalt breit und tief ist. Natürlich war es kein Schloss aus Marmorsteinen oder Bergkristall. Er war eben nur ein kleiner Flusskönig, mit dem König in der Drewenz oder Weichsel gar nicht zu vergleichen. Nur drei oder vier Wasserjungfrauen, die den alten Herren betreuten und Botengänge verrichteten, hatten seinen Hofstaat gebildet. Der Fischkönig war schon alt. Gewiss tausend Jahre und mehr. Gesehen haben ihn viele. Wenn man darauf anlegte, konnte man ihn sicher in einem der Seerosen- oder Mummelgärten weiter hinten nach der Mühle sehen. Sein Gesicht hatte direkt menschliche Züge, war gutmütig und freundlich. Manch einer behauptete, er habe eine Krone aus silberglänzenden Schuppen gehabt.

Er hatte alle Hände voll zu tun. Zuerst die Hausmühle. Immer versorgte sie der König mit Wasser, und in den trockenen Monaten war es gar nicht so einfach. Da trieb er das Wasser in großen Wellen in den Fluss. Immer wenn die anderen Mühlen schon längst feiern mussten, drehte sich noch das Rad. Von weit her brachten die Bauern ihr Korn zur Mühle. Der Müller hatte alle Taschen voll Geld. Und dann das mit der Fischerei! Kaum hatten die Fischer ihre Netze ausgeworfen, so trieb der König ganze Haufen von Fischen hinein. Und die Flößer erst! Sie hatten es mit Staken leicht. Und mochte das Floß aus tausend und mehr Stämmen bestehen, der König schob so kräftig nach, dass es, ehe man sich versah, dort an der Schneidemühle, die dem alten Herrn Seifert gehörte, anlegen konnten. Und viele Eylauer hat er vor dem Tode des Ertrinkens bewahrt. Es war eine gesegnete Zeit für unsere Stadt.

Aber im Leben kommt Reichtum niemals allein, immer bringt es ein paar wüste Gesellen mit, meist heißen sie Trägheit und Übermut. Die Eylauer wurden stinkfaul. Nicht einmal den Unrat brachten sie auf die Äcker vor der Stadt. Sie schmissen einfach alles in den Fluss, und die Jauche ließen sie auch hineinlaufen. Das Wasser verseuchte und viele tausend Fischlein starben.

Natürlich ging das alles dem Fischkönig sehr zu Herzen, alle Fische waren seine Untertanen. Den Deutsch Eylauer Bürgern war das auch nicht recht. Aber anstatt das Übel an der Wurzel zu fassen und für Ordnung zu sorgen, ließen sie für teures Geld weise Herren kommen, die die Ursache des Fischsterbens feststellen sollten. Es kam aber nichts dabei heraus. Und dann der Übermut. Immer war hier etwas los. Vom Vogelschießen und Schützenfest will ich ganz schweigen, auch die Familien feierten alle mit, eine ganze Woche hindurch. Die Frauen wurden liederlich, das Mannsvolk soff sich voll im "Krug zum langen Tom", wo der Ruderclub später seine Feste feierte. Wie aber die jungen Männer und Lümmel so sind, erst betrunken und dann fangen sie an zu brüllen und zu streiten.

Den Fischkönig störte das. Er wohnte doch ganz nahe. Keine Nacht konnte er schlafen, der alte Herr. Er konnte aber keinem ein Leid zufügen. Dann kam das Letzte. Ein paar Rüpel ruderten zu der Stelle hin, wo der König wohnte, warfen einen mächtigen Stein hinunter, zertrümmerten das Dach und hätten um ein Haar den alten Herrn getroffen. Nun sah es auch der Fischkönig ein, dass seines Bleibens hier nicht länger mehr wäre.

Er packte noch in der gleichen Nacht sein Ränzlein, schwamm die Eylenz hinunter zur Drewenz, von dort in die Weichsel, die Wasserjungfrauen folgten ihm weinend. Der Weichselkönig soll ihn freundlich aufgenommen haben. Bestimmtes weiß keiner. Ist nicht das ganze Leben ein Märchen?




Seerosen (G. Templin)

Nach kurzer Pause fuhren wir flussaufwärts. Durch die Entkrautung und Beseitigung großer Schilfecken erscheint uns der Fluss viel breiter. Ein Schwanenpaar, das seine Jungen ausführt, kommt mit wildem Geschrei auf uns zu. Wir bleiben in angemessener Entfernung. Einige Angler stehen am Ufer und warten auf ihre Beute. Auf der Breite vor dem Schülerheim sind die gelben Mummeln bereits am Verblühen, während die Seerosen noch knospig sind. Ein herrliches Bild! Überall quaken die Frösche oder "Poggen", wie wir früher sagten. Enten mit ihren Jungen kreuzen unsere Bahn, und viele Libellen fliegen um uns herum. Das Zirpen der Grillen begleitet uns. Inzwischen kommt auch die Sonne durch den Dunst.



Stockenten (G. Templin)

Wir nähern uns jetzt der Gabelung des Flusses, der rechts über die Hausmühle und links durch die Schleuse mit Aalfang sich wieder vereinigt. Auch hier gibt es eine Sage, und zwar vom Müller und dem Teufel. Ich erzähle auch diese meinen Freunden.



Die Rückseite der Ordensmühle (G. Templin)




Schleuse mit Aalfang (G. Templin)

Auf der linken Seite des Flusses fährt jetzt ein Weg bis zum Friedhof. Auf der Höhe sehen wir die Siedlung Freundshof und ein Hotel. Wir haben nun gewendet und fahren auf der anderen Seite zurück. Auch hier sind die Ufer gesäubert. Überall blühen die gelben Wasserlilien. Meine Mutter nannte sie immer "Kodderlilien."



Sumpfschwertlilien (G. Templin)

Das Wasser ist jetzt ziemlich glatt. Die Ufer mit den herrlichen Bäumen und Sträuchern spiegeln sich im Wasser. Vornehmlich stehen hier Weiden und Erlen. Hinter dem Silberhof mündet ein breiter Graben in den Eylenzfluss, man nannte ihn früher Grenzgraben. Er kam vom Labenzsee über Gut Stein. Er wurde in den dreißiger Jahren vom Reichsarbeitsdienst begradigt und vertieft. Diese Ecke ist ein idealer Platz für Fischotter (ca. 1,5 m). Ich habe ein Tier an der Brücke Saalfelderstraße schwimmen sehen.



Fischotter im Eylenzfluss (G. Templin)

Die Scheunen des Silberhofes mit dem Storchennest sind eingefallen. Hier haben wir oft als Kinder gespielt und pflückten auf den Wiesen Margariten, Kornblumen und Glockenblumen. Die Störche fanden auf den Wiesen reichlich Beute. Nach fast dreistündiger Fahrt nähern wir uns dem Anlegesteg unseres Freundes und werden zum Mittagessen eingeladen. Was gibt es? Natürlich Fische aus dem Geserichsee. Aal, Zander und Hecht, gebraten und gekocht mit reichlich Beilagen. Ich erzählte, dass vor dem 1. Weltkrieg jeden Donnerstag ein Korb Geserichzander an den Tisch des Kaisers ging. Sogar in Paris kann man Geserichzander kaufen. Wir werden noch lange an diese Fahrt denken.

Copyright: Gerhard Templin & Christa Mühleisen