Die Deutsch Eylauer "Flaniermeile"

von Gerhard Templin

(Bearbeitung C. Mühleisen)

Die vielen Zuschriften und Zusammenkünfte mit meinen Verwandten sind für mich eine Anregung, an unsere Heimat aus der Jugendzeit zu erinnern und zu schwärmen. So will ich heute über die Deutsch-Eylauer "Flaniermeile" berichten. Sie wurde auch "die Renn" genannt und jeder Heimatfreund ob alt oder jung wusste, wo diese "Renn" war. Sie begann an der Post und endete am Markt. Die Unentwegten gingen auch um den Markt herum. Diese Seite wurde bevorzugt, während die Rathausseite weniger genutzt wurde.

Was bedeutete nun diese Flaniermeile? Der Name hat sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Hier konnte man wählen zwischen den Ursels, Rosemaries, Ruths, Käthes, Annemaries usw., wie damals die jungen Mädchen hießen. Wenn am späten Nachmittag die Schularbeiten gemacht waren, trafen sich hier die Jungen und Mädchen in kleinen Gruppen. Sie waren immer schön angezogen (keine Jeans). Die Jungen wurden dann von den kleinen Mädchen angehimmelt oder umgekehrt. Die Abiturienten trugen hier stolz ihre Alberten spazieren und auch die Studenten in den Semesterferien trafen sich hier. So ging es meistens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Lokale wurden kaum besucht. Höchstens die ältere Jugend traf sich in "Küssners Mokkastuben", ein beliebtes Schülercafé, wo Fräulein Küssner oft nicht so genau mit den Kuchenkarten (Krieg) war und preislich konnte man sich als Schüler ein kleines Stückchen Apfelkuchen erlauben.



Ein Teil der Flaniermeile in der Freyburger Straße

Aber auch in der Eisdiele wurde oft eine Pause eingelegt. Man wusste genau, wann die einzelnen Gruppen auf dieser Flaniermeile waren. Es gab in unserer Stadt ein Schülerheim in der Hindenburgstraße, ein Schülerinnenheim im Hotel Kowalski und ein Schülerinnenheim in der Haushaltungsschule (Klopsakademie). Es gab auch etliche Privatunterkünfte, vor allen Dingen für die älteren Jugendlichen, die in den oberen Klassen waren. Begehrt waren die jungen Mädchen aus der Haushaltungsschule und dem Schülerinnenheim von Fräulein Vogel, die meistens nach dem Abendbrot ihre Freizeit hatten. - Oft traf man auch hier etliche Jugendliche der Berufs- und Berufsfachschulen, die erst abends ihre Heimfahrt mit der Reichsbahn hatten und ihre Freizeit hier verbummelten.

Man traf sich aber auch in der Tanzstunde bei Fräulein Bukowski oder in unserem modernen Kino. Oft wurden Paddel- und Ruderbootfahrten mit der Herzensdame auf dem Geserichsee veranstaltet. Je älter die Jahrgänge wurden, umso kleiner wurden die Gruppen. Die ganz jungen Pärchen bevorzugten den Schützengraben, die Uferpromenade, das Zigeunerwäldchen oder das Waldschlösschen für ihre Spaziergänge. Doch vielfach dehnte man seine Spaziergänge bis zum Silmsee aus. Der Treffpunkt war meistens an der Post oder am Rathaus. Man konnte damals unbehelligt seine Spaziergänge machen. Es gab keine Überfälle oder Schlägereien. Zwischen den Schülerheimen und den einheimischen Jungen wurden ab und zu kleine Streitigkeiten ausgetragen, die harmlos verliefen. Hierbei handelte es sich immer um  Mädchen.




Die Jüngsten trafen sich im Schützengraben

Kesse oder freche Damen gab es auf der Flaniermeile nicht. Wenn es einige versuchten, wo wurden sie nicht beachtet und kamen in einen schlechten Ruf. Sie ließen sich dann nicht mehr sehen. Da viele junge Mädchen in den Abendstunden Klavierunterricht hatten, wurden sie brav nach Hause begleitet. Ich will nicht auf einzelne Erlebnisse eingehen, aber ein Erlebnis will ich doch bringen. So hatte ein Freund von mir (er ist leider gefallen) Abschlussball in der Tanzstunde. Er wartete vor dem Haus seiner Tanzstundendame mit einem Blumenstrauß, um sie abzuholen. Die Zeit ging dahin und sie kam nicht. Da kam eine ältere Dame, die meinen Freund ansprach und sagte, dass sie ihn schon eine Weile beobachte und meinte, er müsse die Dame zur Pünktlichkeit erziehen. Er solle es sich nicht gefallen lassen, was er auch ganz ärgerlich versprach. Etwas später kam die junge Dame und sie gingen zum Abschlussball. Aber er erschrak, als er zu seinem Tisch kam und die ältere Dame hier sitzen sah, die er vor dem Hause gesprochen hatte. Es war die Mutter. Sie sahen sich an, lächelten, aber keiner sagte ein Wort. Er meinte später zu mir, dass es noch ein schöner Abend wurde, aber mit der jungen Dame war es nur eine Episode. Vielleicht gibt es diese junge Dame noch?

Ein anderer Freund erzählte mir, dass er von einem jungen Mädchen nach Hause eingeladen wurde, da die Eltern Ausgang hatten. Allerdings kamen die Eltern früher zurück und so musste er durch das Fenster aussteigen. Er hatte Glück, es war Parterre. Dass es damals viele hübsche kleine Mädchen in Deutsch Eylau gab, habe ich schon geschrieben.

Aber es gab noch eine kleine Episode eines kleinen süßen Mädchens. Ihr Freund hieß "Hänschen" und war im Schülerheim in der Hindenburgstraße. Da er einen schönen Scheitel trug, wurde er "Hänschen mit dem Poposcheitel" genannt.



Ein Stelldichein im Schützengraben


Man traf sich im Schützengraben, und es war die erste große Liebe. Es wurden außerdem kleine Briefchen geschrieben, vielleicht gab es auch die ersten zaghaften Küsse? Zu Beginn er Weihnachtsferien kam das letzte Briefchen, es war das Jahr 1944 und der Jüngling zog von dannen..........

Noch heute schwärmen die inzwischen älter gewordenen Heimatfreunde von dieser Zeit. Darum denke, die Märchen beginnen alle mit "es war einmal."

Text und Zeichnungen: Gerhard Templin

Copyright 07.09.2006 Gerhard Templin

29.09.06 -a-