Im Frühtau zu Berge.....

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Der Winter, der bei uns sehr hart war, brachte den Kindern Freude mit Eislauf und Schlittenfahrt. - Wenn im März die Sonne mit ihrem wärmenden Strahl die langen Eiszapfen der Dächer zum Schmelzen brachte und über Nacht der Tauwind über den See geflogen kam, dann rüttelte er an den Fenstern und die morsche Eisdecke des Sees zerbrach. Am Morgen trieben die grauen Eisschollen im Wasser und schmolzen an den Uferrändern. Über die Hügel am kl. Geserichsee kam nun sehr schnell der Frühling gezogen. Die Möwen waren die ersten über dem See. Sie umkreisten mit Geschrei und Flügelschlagen die kleinen blanken Wellen. - Wie wunderschön war auch der Stadtgraben, wenn in der Schlucht und auf dem Hügel zur Kirche die Bäume und Büsche blühten. Auch der Birnenbaum an der Ecke war in voller Blüte. Wie ein Lämmchen so sanft hat der März  mit seinem warmen Südwestwind und Regen Einzug gehalten. Am Uferrand blühten kleine Schlüsselblumen und Veilchen und man hörte den ersten Vogelgesang. Die Anlagen der Stadthallenterrassen waren mit Stiefmütterchen und Osterglocken bepflanzt. Unten am Seeufer fütterte eine hübsche junge Frau die Schwäne. Ich habe von der hübschen Maid ein Ölbild gemalt.



Meine liebe Frau beim Füttern der Schwäne (Juni 1993) - G. Templin

Wir wollen aber schauen, wie es am großen Geserichsee aussieht. Gleich hinter der Brücke ist auf der rechten Seite ein Bollwerk zum Anlegen der Frachtschiffe. Hier war es immer schön, weil auf dieser Seite immer die Sonne schien. Vor allem in der Mittagsstunde, wenn der See schlief und nur in leisen Atemzügen sich hob und senkte. Glasgrünes Wellengeschwanke ging leise um die alten bemoosten Holzpfeiler. Man sah, wie die Stichlinge und Ukeleis sich im Wasser tummelten. Hier saß immer der kleine "Helmut" mit seiner Dittchenangel und träumte vor sich hin. Es roch nach Wasser und Teer und nach dem sonnenheißen Holz der Bohlen.



Bollwerk Riesenburgerstraße mit Klein Helmut beim Angeln - G. Templin 2007

An Bord des Motorschiff's Ernst machte Kapitän Matzmor sein Schiff seeklar und rauchte gemütlich sein Pfeifchen. Bald fährt er wieder auf dem Geserichsee nach Schwalgendorf, Osterode oder Saalfeld. Außer diesem alten Bollwerk gab es noch einen Platz am Wasser. Wenn man die schmale, holprige Fischereisstraße lang ging, kam man an einen anderen Platz.

Hier war früher eine kleine Werft. Vor dem 1. Weltkrieg wurden hier Frachtschiffe (Oberländer) gebaut, die den Geserichsee von Deutsch Eylau über den oberländischen Kanal bis Elbing befuhren. Später hatte dort der Bootsbaumeister Grzan seine kleine Bootsbauwerft. Er stellte dort Paddel-, Ruder- und Segelboote her und später Eissegelschlitten für die Wehrmacht.

Auf der anderen Seite (gegenüber) war das Sägewerk Seifert, daneben Schrebergärten und das Freibad "Klein Zoppot". Wie sah es nun auf der schönen Insel Gr. Werder aus? Hier machte ich nur einen kurzen Abstecher. Ich fand dort den ersten Froschlaich, aber auch Larven von Fliegen an den Halmen der Binsen und Wasserpflanzen.

Es ist heute ein windstiller Tag, aber noch recht kühl. Es heißt immer: Der März geht wie ein Lamm. Im Wald zum Silmsee war ich noch nicht. Dort werden erst in ein oder zwei Wochen die Leberblümchen und Anemonen (Buschwindröschen) blühen. Ich fand aber schon an den Feld- und Wiesenrändern Schlüsselblumen und Märzveilchen. Sonst sah man nur Fingerkraut. - Die Rotkehlchen- und Amselnester waren schon besetzt. Als kleinen Vorgeschmack auf den Sommer, gab es im März schon einige warme Tage.



Rotkehlchen - G. Templin 2007


Es kam vor, dass Ende März schon die Karwoche begann. Im alten Kalender stand: Ist Palmensonntag hell und klar, gibt's ein gut und fruchtbar Jahr. Über die nachfolgenden Feiertage wurde schon oft berichtet. Wir wollen aber beim Frühling bleiben. Wenn die Rotkehlchen und Amseln noch keine Nester hatten, fingen sie an zu bauen. Das Rotkehlweibchen baute den Nistplatz zwischen Steinen, Wurzeln und Reisighaufen. Mit Halmen und Tierhaaren wurde es gut ausgepolstert. Das Weibchen bebrütete die 5 Eier in 13 - 14 Tagen und fütterte die Jungen mit Insekten, Larven und Spinnen. Sie wird aber vom Männchen unterstützt. Schon nach 12 Tagen verlassen die Jungen das Nest, sind aber noch flugunfähig. Der Gesang dieser hübschen Vögel ist sehr laut. Männchen und Weibchen haben die gleiche Farbe, nur beim Männchen sind die Farben etwas matter. -

Wunderbare Vögel auf dem See waren die stolzen Schwäne, die vor dem 1. Weltkrieg zu Hunderten auf dem Gaudensee schwammen. Es sah aus, wie eine weiße Blütenpracht auf dem See. Nach dem 1. Weltkrieg nahm die Zahl rapide ab. Man raubte den Schwänen die Eier, bis später harte Strafen diesen Raub eindämmten. Die Zahl der Schwäne nahm dann zu.

Zum Nestbau rammte man auch Pfähle in die Seen und befestigte Bretter darauf. Wir hatten eigentlich auf allen Seen Schwäne. Es gab verschiedene Schwansorten, u. a. den Höckerschwan und auch die Singschwäne. Der Höckerschwan war auf dem Karrasch-, Geserich- und Gaudensee heimisch. Wenn die Eier vom Weibchen bebrütet werden, verteidigt der Schwan sein Nest ohne Furcht. Seine Drohstellung zeugt von gestauter Angriffslust. So mancher nichtsahnende Bootsfahrer, der unabsichtlich einem Schwanennest zu nahe kam, musste schon vor dem Angriff eines Schwanenmännchens Reißaus nehmen. Mir ist es auf dem Fluss in Deutsch Eylau so ergangen, wobei ich im Schilf ein Paddel verloren habe. Der große Bestandsverlust der Schwäne ist auch auf die Gedankenlosigkeit der Angler zurückzuführen. Abfälle und Bleikügelchen an den Angelschnüren haben viele Schwäne vergiftet. Die Schwanenfamilie hält immer zusammen. Die Jungvögel haben zuerst ein schmutziggraues Federkleid, das erst nach einem Jahr weiß wird. Sie bauen so ihre Nistplätze (Schilf oder mooriges Gebiet), damit sie vor Raubtieren und auch "Laububen" sicher sind. Ihre Hauptfeinde sind die Füchse. Diese großen und eleganten Vögel ernähren sich ausschließlich von Pflanzen. Sie stecken oft ihren langen Hals ins Wasser, der maximal einen Meter unter die Wasserfläche reicht, um Stängel, Wurzeln oder Wasserpflanzen abzureißen. Manchmal rupfen sie auch Gras auf den Wiesen.

Auf unseren Seen gibt es noch eine zweite Schwanenart, es ist der Singschwan, der eigentlich aus Island kommt. Ich war erstaunt, was ich eigentlich schon einige Tage vorher um die gleiche Zeit vernahm. Es waren drei Schwäne, die sehr tief über dem Hotel Kormoran flogen. Es war ein rhythmisches, zischendes Geräusch, das dem Höckerschwan überhaupt nicht ähnelte.



Singende Schwäne - Gerhard Templin 2007

Der Förster bestätigte meine Beobachtungen und erzählte mir, dass die Singschwäne nach dem Krieg hier heimisch geworden sind. Infolge der Witterung überwintern sie in der norddeutschen Tiefebene oder auf den Stauseen. Die einzelnen Trupps halten wie Familien zusammen und grasen auch gruppenweise dicht beieinander. Die Männchen beobachten aufmerksam das Gelände. Diese Vögel sind sehr groß, aber zugleich vornehm und elegant. Sie haben es nie eilig, sondern laufen bedächtig. Hin und wieder blickt ein Vogel auf, schüttelt langsam den Kopf, lässt sich auf den Bauch nieder und beginnt in dieser Haltung weiterzugrasen. Sie haben schwarze Füße, die schwarz und gelb gezeichnete Schnäbel bilden den einzigen Kontrast zum schneeweißen Kleid.

Bei längeren Frostperioden verschwinden die Singschwäne aus diesem Gebiet, sind aber bei Tauwetter sofort wieder da. - Für den Frühling gibt es gute Ratschläge in unserer Heimat: Ist der Gründonnerstag weiß, so wird der Sommer heiß! Mai ohne Regen, fehlt's allerwegen. Und zuletzt: Abendtau und kühl im Mai, bringt viel Wein und Heu!

Copyright: Gerhard Templin & Christa Mühleisen