Ein König über dem Geserichsee

von Gerhard Templin

Bearbeitung: C. Mühleisen

In letzter Zeit habe ich mir einige Sendungen über Adler angeschaut und musste öfters lachen, denn da wurden in den Sendungen die Adler verwechselt. So wurden Fischadler zu Seeadlern oder umgekehrt. Für unseren Heimatkreis möchte ich Klarheit schaffen. Immerhin kommen wir aus einem reichen Adlergebiet. Sechs verschiedene Adlerarten gab es in unserem Heimatkreis Rosenberg. Es gibt auch einen "Club der Adler" in Deutsch Eylau. Vorab möchte ich bemerken, dass seit einigen Jahrhunderten "der Seeadler" das Wappentier unseres deutschen Volkes ist. Er hat eine Flügelspannweite von 2,50 m. Das Auge dieses Adlers ist dem des Menschen vielfach überlegen. Es könnte in einem 70 m entfernten Buch jeden einzelnen Buchstaben erkennen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Deutschland fast alle Adler ausgerottet. man stellte sie unter Naturschutz und Bewachung und verbot das Versprühen von Giften. Jetzt gibt es sie wieder in großer Zahl in Ostpreußen, und in Mecklenburg-Vorpommern haben wir wieder über 600 Brutpaare und jährlich kommen 20 hinzu. Das Federkleid ist bräunlich mit hellbeigen Federn durchsetzt. Die ehemalige DDR hat sich für die Erhaltung dieses schönen Tieres eingesetzt. Wo früher Panzer das Gelände durchpflügten ist heute ein prächtiger Kiefernwald entstanden, es ist der Müritz Nationalpark und ein Teil der Mecklenburgischen Seenplatte von 2000 Seen. Man sollte vor den Seeadlern recht vorsichtig sein, denn sie greifen auch Menschen an, vor allen Dingen, wenn sie Junge im Nest haben. Sie greifen nie von vorn an, sondern lassen sich von oben fallen und wehe dem, der keine Mütze auf hat. So erging es unserem unvergessenen Heimatfreund "Vogel Hoffmann", der mit einem völlig zerkratzten Kopf von der Adlerpirsch heim kam.



Ein Seeadler (oben) und ein Fischadler (unten) v. G. Templin

 

Ich habe auch fast so eine Begegnung gehabt. Vor vier Jahren war ich im Adlergebiet des Tromnitzsees. Auf der Bruchstelle einer geknickten Kiefer war ein  großes Seeadlernest. Es war Zufall, dass ich dieses Nest sah und zwar mit meinem Fernglas. War wir nicht wussten, der Adler hatte noch am 2. September vier Junge in seinem Nest, die laut ihr "jüpjüpjüp" von sich gaben. Mein Begleiter sagte mir, dass ich den Ruf nachmachen soll, was ich zweimal tat, da wurden die Adler ganz wild. In 10 Meter Höhe saß der alte Adler und setzte zum Sprung auf uns an. Wahrscheinlich sah er in uns einen Rivalen. Wir sind die 50 Meter aus dem Waldstück schnell auf den Weg gelaufen. Das laute Geschrei der Adler, wahrscheinlich kam der zweite Adler noch dazu, verfolgte uns bis zu unserem Geländewagen, den wir 150 Meter vorher geparkt hatten.

Aber nun zum Fischadler, den ich oft auf dem Geserichsee jagen sah. Im Gegensatz zum Seeadler misst seine Flügelspannweite 1,80 Meter. Er ist am Kopf, Unterseite und Flügelansätzen weiß, die Flügel sind dunkel. Die Krallen dieses Adlers sind deutlich länger, extrem gekrümmt und dornartig beschuppt. So kann dieser tollkühne Schwimmer Fische halten. Seinen Ruf "jüpjüpjüp" hört man schon von weither. Er ist schon ein Schauspiel, wenn man ihn fliegen sieht. Es offenbart die ganze Schönheit der Schöpfung. Mit hochwachem, gestrengem Blick patrouilliert er den See. Meistens jagen zwei abwechselnd, z. B. Enten, bis diese nicht mehr können. Der jagende Adler rüttelt mit seinen schlanken meterlangen Flügeln auf der Stelle. Seine leuchtend gelben Augen haben etwas fixiert, fast 50 Meter unter ihm. Plötzlich stürzt er nieder mit zurückgelegten Schwingen, wie ein mächtiger großer Pfeil. Kurz bevor er das Wasser erreicht, streckt er die Fänge vor und durchschlägt die Oberfläche des Wassers wie ein Geschoss, abgefeuert auf einen gigantischen Fisch. Kein angeschnallter Autofahrer würde so einen Aufprall überleben. In seiner schäumenden Wasserfontäne muss der kühne Jäger nun in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung über Leben und Tod fällen, denn er lebt gefährlich. Fische kann er noch in einer Tiefe von einem Meter erbeuten. Ist ein Fisch aber zu groß, muss er seine Krallen wieder herausziehen, um nicht in die Tiefe gezogen zu werden (er wiegt nur 3 bis 3,5 Pfund), er würde sonst ertrinken, wie es am Geserichsee vor dem Krieg geschehen ist. Da hat sich ein Adler in einen großen Karpfen verkrallt und wurde von ihm in die Tiefe gezogen. Ein Fischer fing so einen Karpfen mit den Adlerkrallen.



Ein Fischadler (G. Templin)

Die Fischadler sind sehr menschenscheu. Wenn jemand in die Nähe des Nestes kommt, legen sich die Jungadler flach hin und kommen erst wieder hoch, wenn die Mutter es befiehlt. Die größte Fischadlerkolonie ist in der Schwalgendorfer Forst auf den obersten Spitzen der Bäume. Sie jagen aber auf allen kleinen und großen Seen unseres Heimatkreises.

Deutschland und vor allen Dingen das ehemalige Ostpreußen haben die höchste Adlerdichte Europas. Die alten Adler überwintern teilweise in ihren Nestern. Es hängt mit dem Klimawechsel zusammen. Nur die Jungen fliegen in den Süden.


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.