Handwerk und Handel
im
Wandel der Zeiten in Deutsch Eylau
von Gerhard Templin
Bearbeitung
C. Mühleisen
Wenn man die Geschichte oder
Chronik einer kleineren Stadt im Osten sorgfältig studiert, so findet
man sehr wenig über die handwerkliche Entwicklung oder den Handel
aufgezeichnet. Der Deutsche Orden und auch die Kirchen füllen mit ihren
Chroniken den ganzen Inhalt. Bei den Stadtgründungen kann man auch noch
nicht von den Gewerken oder vom Zunftwesen sprechen.
Wie kam
überhaupt das Handwerk nach Deutschland und nach Westpreußen? In den
Klöstern Deutschlands fanden nicht nur Wissenschaften und Künste ihren
Platz, die Klosterwerkstätten waren die Wiege des Handwerks. Die
meisten geschulten Handwerker kamen aus Rom. Zum Beispiel der Bischof
Bernward von Hildesheim war im Jahre 1001 nach Rom gegangen und kehrte
von dort als künstlerisch geschulter Mönch zurück. Er war in
Schreibkunst, Malerei, Bildhauerei und Baukunst sehr erfahren. Eigene
Werkstätten richtete er ein und baute die Michaeliskirche in
Hildesheim. Da ein größerer Teil der Siedler, die der Deutsche Orden
in unser Land holte, aus dem Braunschweiger Raum kam, sind auch die
Handwerker mit eingewandert. Durch das mächtige Aufblühen der
Städte im 14. Jahrhundert war den Handwerkern ein reichhaltiges
Betätigungsfeld gegeben. Die gotischen Kirchen und Burgen schossen wie
Pilze aus der Erde. Viele italienische Bauhandwerker brachten außerdem
aus dem Süden ihr Können mit. Man malte nicht nur die Innenräume an,
sondern auch die Außenseiten der Gebäude. So war z. B.
"Blau" die Bauernfarbe und "Rot" die Hoffarbe.
Vornehmlich verwandte man als Bindemittel Leim, Milch, Käse und Kalk.
Durch die Bauernkriege und den 30jährigen Krieg wurde sehr viel
Handwerkskunst vernichtet. Nur der Osten unseres Vaterlandes wurde
verschont. Deshalb waren vornehmlich Danzig und Posen Zufluchtstätten
der Handwerker, die hier sesshaft wurden und blieben. Das beste Beispiel
solider Handwerksarbeit kann man an der Deutsch Eylauer Ordenskirche
sehen. Im Jahre 1992/93 wurde die Kirche restauriert. Wie in alter Zeit
wurden die Materialien geformt und hochgebracht. Es war eine Freude dies
zu sehen. Noch immer zeigen die Dächer den alten Verband des 14.
Jahrhunderts. Im Laufe der Jahrhunderte wurden oft Mauerwerke
ausgewechselt, jedoch blieb der Innenraum unberührt. Leider ist der
Baumeister nicht bekannt. Man nimmt aber an, dass es ein
Ordensbaumeister war, wie es auch Baurat Schmid in seinem Aufsatz von
1906 bestätigt. Das künstlerisch wertvollste Stück der
Innenausstattung ist der Altar, dessen Schöpfer ein in Deutsch Eylau
ansässiger Bildhauer Johann Heinrich Selcke war.
Einige Jahre
später wurde die Bemalung in Blau und Silber ausgeführt. Der
Altaraufsatz ist ein hervorragendes Kunstwerk im Danziger Barock mit
zierlich geschnitzten Ornamenten. Das Altarbild, welches Jesu
Gebetskampf in Gethsemane mit dem Engel, der ihn stärkte, darstellt,
wurde von dem Berliner Maler Christian Bernhard Rode gemalt, den seine
Zeitgenossen auch Fixmaler nannten. Er war unter Friedrich dem Großen
Direktor der Akademie der Künste in Berlin. Im Kreis Rosenberg haben
sich das Handwerk und der damit verbundene Handel sehr langsam
entwickelt. Im 14. Jahrhundert mussten selbst tüchtige Handwerker in
den großen Städten ihr Glück versuchen. Sie benötigten eine
Empfehlung des Rates der Stadt, um dort arbeiten zu können. Es war ein
Zeichen, dass es in den Kleinstädten mit der Arbeit nicht sehr rosig
aussah. Ein Grund war auch, dass die junge Stadt Deutsch Eylau durch
Feuer, Pest und andere Krankheiten in ihrer Entwicklung immer wieder
zurückgeworfen wurde. Auch der Zusammenbruch des Deutschen Ordens im
Jahre 1410 trug dazu bei. Als mehr Ruhe ins Land kam, hatte der
Ordensmeister mehr Glück. Er bemühte sich um Handel und Gewerbe. Die
Baumeister, die die Ordensburgen und
Schlösser sowie Kirchen bauten, holte er meistens aus Italien. Nach und nach wurden eigene Meister und
Gesellen herangezogen, die auch mit der gotischen Baukunst vertraut
gemacht wurden.
Fleischer, Schuster, Böttcher, Müller und auch
Tuchmacher wurden allmählich tätig. Sie hatten ihre Werkstätten am
Rande der Stadt. Es waren in Deutsch Eylau die sogenannten Büdner und
Erkner. Sie verkauften ihre Waren auf den Wochen- oder Jahrmärkten. Die
Büdner waren zum großen Teil Kleinkrämer und die Erkner wohl
Handwerksleute. Sie machten die Klasse der Kleinbürger aus.
Mit
der schnellen Entwicklung der Städte im 15. Jahrhundert wurde auch die
Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Bekleidung und dem Häuserbau immer
größer. Durch das Schossregister im Jahre 1447 erfahren wir, dass vor
allen Dingen in Deutsch Eylau die Bierbrauerei blühte und somit reger
Handel mit anderen Orten aufkam. Dadurch bekamen auch andere Handwerker,
z. B. die Böttcher, mehr Aufträge. Die beiden Mühlen lieferten ihre
Erzeugnisse über die Grenzen hinaus, und die Tuchmacher in Kl. Sehren
konnten ihre Aufträge kaum bewältigen. Diese drei Gewerke
brachten der Stadt viele Steuern ein. Die Haupteinnahmen der Stadt waren
jedoch die Abgaben von Grundstücken und Vermietungen an die Gewerke.
Die erste Organisation der Handwerker waren die Bruderschaften. Es waren
oft verschiedene Handwerkszweige, wie auch später im Zunftwesen,
vertreten. Sie unterhielten eine Herberge oder auch eine Zunftstube. Das
Wort Zunft kommt von zemen oder ziemen und deutet schon auf die Wurzel
der Bruderschaft hin.
Zunftstube
um 1600, (Gerhard Templin)
Die
Zunft trat nur für die Leistungen solcher Genossen ein, die ihr
Handwerk zunftmäßig erlernt hatten. Eine drei- bis fünfjährige
Lehrzeit bei einem zünftigen Meister waren vorgeschrieben. Die Gesellen
wohnten meistens bei den Meistern. Bald spalteten sich viele
Handwerkszweige aus der gemeinsamen Zunft ab. In Deutsch Eylau gab es
die erste Bruderschaft 1474. Es wurde eine "Bruderschaft des heiligen
Leichnams" von den Deutsch Eylauer Pfarrern Johannes Cristanii von
Lessen, seinem Kaplan Niclas Neumann, den Pfarrern zu Granoth (Gramten)
und Hansdorf, dem Unterkämmerer der Stadt Schumacher und einer Reihe
Bürgern gegründet und vom Ordensmarschall von Kindsberg bestätigt.
Der Zweck war der einer Begräbnisgenossenschaft. Es wurden Bestimmungen
getroffen, wie Beerdigungen gehalten werden sollen und über die
Teilnahme. Bei den Versammlungen wurde das Tragen von Waffen verboten.
Am Fronleichnamstag fand ein "Bruderbier" statt, vor dessen
Verschenkung erst die Wahl eines Ältesten vorgenommen wurde. Wer sich
auf diesem Fest nicht anständig benahm oder betrank, der musste mit 1
Pfund Wachs büßen. Hielt einer die Satzungen nicht ein, wurde er
ausgewiesen.
Eine zweite Bruderschaft war die "Unser lieben
Frauen". In der Reformationszeit verschwanden viele Bruderschaften.
Im 17. Jahrhundert finden wir ausdrücklich erwähnt: Bäcker, die
Bruderschaft der Schumacher, Fleischhauer, Schneider, Maurer,
Zimmerleute, Schmiede, Glaser, Töpfer, Tischler und Brettschneider.
Auch eine Apotheke und ein Gewürzkrämer waren vorhanden.
Der Bäcker um 1700 ( G. Templin)
Für die
einzelnen Gewerke wurden Richtlinien ausgearbeitet. So bestätigte der
Magistrat von Deutsch Eylau, die von der Bruderschaft des
Schustergewerbes eingereichten Artikel für die Gesellen. Sie betrafen
die Pflichten des Gesellen gegen den Meister und umgekehrt.
So
besagte der § 10, dass keiner bei Strafe von 10 Schillingen sich
unterstehen solle, im Schurztuch, Handleder oder "Koprühmen"
über die Straße zu gehen. Auch auf übermäßiges "Saufen"
war eine Ordnungsstrafe gesetzt.
Der
Tischler um 1700 (G. Templin)
Ein Gildebrief und
Handwerksordnung wurde für die Kleinkrämer und Böttcher in Deutsch
Eylau vom König von Preußen 1774 überarbeitet und festgelegt. Es
wurden Wanderjahre eingeführt, die die Voraussetzung für die
Meisterprüfung waren. Auch damals wurde die Militärzeit angerechnet.
Die Anfertigung der Meisterstücke war genau vorgeschrieben. Sie wurden
vom Altmeister und mehreren Meistern abgenommen. Nach bestandener
Meisterprüfung musste der junge Meister Gebühren an den Magistrat , in
die Meisterlade und einige Essen bezahlen. Ebenfalls erhielt die
Armenkasse einen Beitrag. Selbst das Fernbleiben oder Zuspätkommen bei
einer Zusammenkunft wurde mit Strafe geahndet. Sämtliche Unterlagen und
Gelder wurden in eine Lade verschlossen, die drei verschiedene
Schlösser hatte. Der Altmeister, Jungmeister und noch ein gewählter
Meister hatten je einen Schlüssel.
Auch auf den Märkten des
Kreises Rosenberg wählte man jedes mal die Stände aus, damit keiner
bevorzugt wurde. Selbst Preisabsprachen waren verboten. Richtlinien bei
einer Einstellung eines Lehrlings nahm man sehr streng. Er durfte nur
eingestellt werden, wenn er lesen und schreiben konnte und wenigstens
fünf Hauptstücke aus dem Katechismus aufsagen konnte.
Auch
für die Gesellenprüfung gab es Anordnungen. - Das älteste Gewerk im
Kreis Rosenberg waren die Tuchmacher auf der Walkmühle in Kl. Sehren,
die dem Erbhauptmann von Deutsch Eylau gehörte. Er verlangte, dass die
Meisterstücke ihm gehörten. Der König befahl aber aufgrund einer
Kabinettsorder, dass die jungen Meister ihre Meisterstücke zu freiem
Eigentum behielten. - Die Gewerke entwickelten sich von 1718 - 1888
kolossal. Da die Stadt mehrere Male abbrannte (Häuser waren mit Stroh
gedeckt), ordnete Friedrich der Große an, dass nur noch
Dachpfannen verwendet werden durften. Dadurch erhielten das Baugewerbe
und auch die Dachdecker viel Arbeit. Das Hauptgewerbe allerdings war das
der Schuhmacher. Die Einschränkung, dass sie nur zwölf Bänke haben
sollten, wurde aufgehoben und so vielen Schuhmachern, wie sich ernähren
konnten, Freiheit für Deutsch Eylau gegeben. - Allmählich trat ein
Rückgang der Zünfte ei, die sich aber bei uns im Osten länger hielten
und dann von den Innungen abgelöst wurden. Das Lehrgeld wurde unmäßig
erhöht, die Lehrzeit verlängert, der Lehrling wurde von der Meisterin
zu allerhand Hilfeleistungen im Haushalt missbraucht, den Gesellen wurde
die Erwerbung des Meisterrechts durch allerhand Kniffe erschwert, und
die Arbeitsmethoden wurden beschränkt. Ab 1731 stellte man die Zünfte
unter die Aufsicht der Behörden. Anstelle des Zunftzwanges kam die
Gewerbefreiheit. Starke Konkurrenzen entstanden, denn jeder Handwerker
konnte sich seine Preise selbst machen. Obwohl Deutsch Eylau in der
Ordenszeit fünf Jahrmärkte im Jahr hatte, wurden sie im Herzogtum auf
acht erweitert. Die Erzeugnisse der Gewerke durften nur auf den Märkten
oder Jahrmärkten veräußert werden und nicht im Hause. Vieh- und
Flachsmärkte kamen jetzt auch noch dazu.
Der Apotheker stellte
damals die Medikamente noch selbst her, während der Bader die Wunden
heilte. Zum Betrieb eines bürgerlichen Gewerbes war überall das
Bürgerrecht erforderlich.
Die Lebenshaltung der Handwerksleute
war um 1824 sehr kümmerlich. Oft gab es nur Kartoffeln und Salz. Der
Absatz war schlecht, besonders bei den Schuhmachern, die damals noch
Schuhe anfertigten, und bei den Tuchmachern, die mit geliehenen
Materialien arbeiten mussten. dass ihnen fast nichts als der
Arbeitsverdienst übrigblieb.
Ein anschauliches Bild gibt eine
Zusammenstellung der Einkünfte um 1820.- Der reichste Bürger der Stadt
Deutsch Eylau war der Bürgermeister mit 324 Talern im Jahr. Der
Kreisphysikus erhielt 300 Taler, während die Handwerker z. B. Schneider
und Schuhmacher 30 bis 80 Taler und die Tagelöhner 25 Taler im Jahr
verdienten. Durch die neue Städteordnung und dauernde Eingaben bei der
Regierung änderten sich allmählich das Kassenwesen und auch die
Abgaben. Danach nahm die Bautätigkeit zu. Die Stadt war immer noch von
Mauern umgeben, und außerdem ging ein Kranz von Palisaden die Mauer
entlang. Die Garnison verlangte es, dass diese repariert wurden. Die
Stadttore erneuerte man, das Stadtgefängnis wurde erweitert. Die
Garnison verlangte auch den Neubau von Häusern. Die Einwohnerzahl
betrug 1760 ohne Militär 435 und 1885 wurden 6697 gezählt. Durch
diesen rapiden Anstieg der Einwohner entwickelten sich auch das Handwerk
und der Handel. Hierüber liegt uns aus dieser Zeit gutes und
reichhaltiges Material vor.
Rangstreit
zwischen Maler und Tüncher (G. Templin)
Was die Ausdehnung der Gewerke
anbelangt, so gab es 1808: 1 Apotheker, 4 Bächler, 2 Böttcher, 1
Chirurgen, 2 Drechsler, 1 Färber, 1 Fleischer, 2 Fischer, 1 Glaser, 2
Hauszimmerleute, 3 Hufschmiede, 3 Hutmacher, 5 Kürschner, 5
Kuchenbäcker, 1 Leineweber, 1 Mälzer, 2 Maurer, 5 Redemacher, 5
Rotgerber, 1 Sattler, 4 Schlosser, 1 Seiler, 8 Schneider, 43 Schuster, 1
Stellmacher, 5 Tischler, 4 Töpfer, 14 Tuchmacher, 6 Tuchwarenkrämer,
Kupferschmiede und Maler. Vom Zunftwesen der Maler sind uns
Aufzeichnungen überliefert.
Nach 1804 heißt es in der alten
Zunft über die Pflichten für neu aufgenommene Lehrlinge des
Malerhandwerks: "Sollst du des Morgens um 5 Uhr aufstehen, dich
sauber waschen und nachher mit Andacht dein Morgengebet verrichten, so
dann fein fleißig zur Arbeit dich finden lassen." Oder: "
Sollst du Wasser vor die Gesellen zum Waschen in die Werkstatt bringen,
nachher deines Meisters Schuhe putzen, und solche morgens und abends an
sein gewöhnlich Ort setzen... Sollst du auf dein Werkzeug wohl
achtgeben, wenn dir etwas abgeht, solches dem Meister ansagen, und wenn
du siehst, dass die Gesellen wie es oft geschieht, etwas verbrechen oder
verschneiden, so sollst du es dem Meister insgeheim anzeigen und
sonstens allen Schaden auf alle Weise verhindern helfen.
Der
Gesellenlohn betrug pro Tag 36 Pfennig mit Kost. Mancher hat sich auf
Jahre verschuldet. Es war üblich, sich gleichzeitig mit der
Meisterprüfung zu verheiraten. Inzwischen ist alles anders als in
früheren Jahrhunderten. Lediglich der Bierdurst von Meister und
Gesellen scheint unverändert zu sein.
Ab 1870 wurden die
Gewerke in Dt. Eylau noch mehr erweitert. So entstanden eine
Eisengießerei und Maschinenbauanstalt, eine Holzschneideanstalt, eine
Brettschneideanstalt, eine Dachpappenfabrik, zwei Bierbrauereien und
eine Seifenfabrik. 1902 gab es bereits 8 Innungen, 151 Gewerbesteuer
zahlende, 200 gewerbesteuerfreie Gewerke und 55 Gast- und
Schankwirte. 1884 wurde dann eine Fortbildungsschule für Gesellen,
Gehilfen und Lehrlinge eröffnet. Einen bedeutungsvollen Aufschwung nahm
die Stadt von 1895 bis 1909 durch Bürgermeister Grywacz und von 1910
bis 1934 durch Bürgermeister Giese.
Das Handwerk und der damit
verbundene Handel blühten auf. Deutsch Eylau besaß nun vier
Sägewerke, darunter die Firma Schlobach mit über 100 Arbeitskräften,
der Musterbetrieb Rotkrug und die Kartoffelflockenfabrik in der
Yorckstraße. Diese Betriebe trugen besonders zur Hebung des
Wirtschaftslebens bei.
Verladebahnhof
der Schlobachwerke in Deutsch-Eylau und Ankunft zweier Güterzüge
mit hochwertigem Eichen-, Eschen- und Erlen-Rundholz. Die Firma Franz
Schlobach G.m.b.H. besaß außerdem Furnier- und Sägewerke in
Böhlitz-Ehrenberg (Leipzig), Hamburg-Wilhelmsburg und Falkenberg
(Mark). (AK von 1930 - Sammlung C. Mühleisen)
Durch die inzwischen starke Garnison (3500
Soldaten) und für das 600-jährige Bestehen im Jahre 1905 wurde sehr
viel gebaut. Noch fehlte der Stadt viel, was andere Städte, die langsam
gewachsen sind, bereits hatten. Trotz Beginn des Ersten Weltkrieges geht
der Aufschwung weiter. Er wurde aber durch die Revolution 1918 zunächst
gebremst. Die Wohnungsnot für die aus dem sogenannten Korridorgebiet
ausgewiesenen 4000 Leute kurbelte erneut den Aufschwung an. Neben
Wohnungsbauten werden Stadthalle, Sportplatz, Strandbad, Lyzeum,
Tennisplätze, Jugendherberge und Blücherschule gebaut. Tüchtige
Handwerker und Kaufleute gaben dafür die Grundlagen. Es gibt aus dieser
Zeit noch vieles zu berichten. Umsonst nannte man Dt. Eylau nicht
"die Metropole des Hinterlandes". In der Zeit von 1900 bis
1945 stieg die Zahl der Handwerksbetriebe um ein Mehrfaches.
Die
Ausbildungsplätze reichten teilweise nicht aus. Man sah es bei den
jährlichen Berufswettkämpfen, wie gut die
Ausbildungsgetriebe des Handwerks in Dt. Eylau waren. Etliche
Lehrlinge siegten in diesem Wettbewerb und wurden durch die
Begabtenförderung weiter ausgebildet. Die Berufsschulen hatten gut
ausgebildete Fachlehrer. Man konnte hier noch vom goldenen Boden im
Handwerk sprechen. Bei den Innungen gab es noch bei den Freisprechungen
die feierliche Eröffnung der Bundes- oder Innungslade mit dem Ritual
aus der Zunftzeit. Die Gesellen- und Meisterstücke waren öfters eine
Pracht. Nicht umsonst hieß es:
Meister ist, wer was ersann, Geselle
ist, wer was kann und Lehrling ist jedermann.
Die
Innungen tagten fast alle in der Gaststätte Potrafke am Markt. Mann
nannte sie auch Handwerkerbörse. Hier wurden die Erfahrungen bei einem
guten Tropfen ausgetauscht. Während des Zweiten
Weltkrieges erhielt das Handwerk Ersatz für die zur Wehrmacht
einberufenen Gesellen durch ausländische Handwerker, die z. T.
ausgezeichnete Facharbeiter waren. Nach diesem unglückseligen Krieg
baute man wieder auf. Es wird restauriert. Die Ordenskirche ist fertig,
am Wiederaufbau des Rathauses arbeitet man. Das Strandbad hat ein
anderes Aussehen. Zwischen Kl. Zoppot und Schönhof entstehen hübsche
Häuschen, die alle verschieden gebaut sind und viele
Kunstschmiedegitter und kunstvolle Bodenplatten haben. Mit wenigen
Mitteln, die die Leute haben, wird doch viel getan. Viele Handwerker
müssen ihr Glück in den Großstädten oder in Deutschland suchen wie
in der alten Zeit. Sie verzagen nicht, sondern warten auf ein vereintes
Europa.
So seid voll Fröhlichkeit, ihr Meister und Gesellen, und lasst
euch nicht kreuz- und kummerquälen, trinkt lustig und tapfer herum und
schonet nicht das Bier. Gott, der uns Leben gab, der gibt uns täglich
mehr.
Copyright: Gerhard Templin & Christa
Mühleisen
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