Die berühmte
Haushaltungsschule in Deutsch Eylau
von Gerhard Templin
Bearbeitung
C. Mühleisen
Die Haushaltungsschule in
Deutsch Eylau wurde am 01. April 1918, also noch im letzten Kriegsjahr
des 1. Weltkrieges gegründet.
1918
(Stehend v. l. n. r.): Gertrud Hildebrand,
Gertrud Wodtke/Sommerau, Emmy Gnuschke, Gertrud v. Kawetzki. (Sitzend
v. l. n. r.): Gerda Alshut/Riesenburg, Gewerbelehrerin Frl. Zander, Frl.
Böttcher, Gewerbelehrerin Frl. Bleck, Erika Eggert, Charlotte Pruegel
Frau Kolb, geb. Prügel
erzählt, dass sie an diesem 1. Kursus teilgenommen hat. Die Schule war
in der Niederwallstr. 1.
"Wir waren eine recht lustige
Sieben und die Schule führte bald den Namen "Klopsakademie",
kurz "Klops" genannt. Die Gewerbelehrerin, Frl. Zander zeigte
uns, was man damals zu schmackhaften Gerichten verarbeiten konnte, denn
es gab immer noch Lebensmittelkarten, denn der 1. Weltkrieg war noch
nicht zu ende. Wir machten z. B. falsche Schlagsahne aus Magermilch, die
ich im Zweiten Weltkrieg sofort wieder herstellte. Gewerbelehrerin Frl.
Bleck leitete den Handarbeits-, Näh- und Flickunterricht. Bei schönem
Wetter wurden oft die theoretischen Stunden bei Frl. Zander im Garten
von Frl. Böttcher abgehalten, die eine rechte Freude waren. Auch an
Ausstellungen nahmen wir teil und erhielten Preise für unsere
Erzeugnisse, z. B. Torten".
Was berichtet nun Frl. Böttcher
über die Entstehung und Entwicklung ihrer Schule?
"Jeder,
der seinen Weg zur Haushaltungsschule Deutsch Eylau führt, bleibt
betroffen vor dem kleinen Häuschen Niederwallstr. 1 stehen, das mit
seinem hellen Anstrich und mit dem gemütlich kleinen Laternchen über
der Eingangstür den Beschauer zwar ganz freundlich anlacht, das aber
kaum ein Schulgebäude vermuten lässt und wohl schon manchem Besucher
die Frage auf die Lippen gelegt hat: "Das soll eine Schule
sein?"
Und geht man zu einer Zeit hinein, in der es
arbeitsstill im Hause ist, durch den altmodischen Flur nach dem dahinter
liegenden Hof, so wird man auch dort kaum erkennen, dass in den Seiten-
und Hintergebäuden ein größerer hauswirtschaftlicher Lehrbetrieb
stattfinden könne.
Besucht man aber die Anstalt zur Arbeitszeit
und durchwandert die voll besetzten Klassen, in denen so viele Hände
und Füße sich fröhlich regen, sieht die neuzeitliche Kojenküche, die
Nähklasse mit ihren zahlreichen Maschinen, die Plättstube mit ihrer
sehr zweckmäßigen Plättanlage, so findet mancher, der beim Eintritt
die verwunderte Frage getan hat, die Antwort in dem Gedanken:
"Größe und Form machen auch noch nicht allein die Schule, und das
Äußere ist nicht immer das Spiegelbild des Inneren". Jedenfalls
lässt hier der 1. Blick erkennen, dass die Arbeit sich durch die
ungünstigen Raumverhältnisse nicht hat behindern lassen, dass ein starkes
Bedürfnis doch die gewünschte Entwicklung gebracht hat, trotz
anfänglicher Mängel.
Wie es kam, dass die räumliche Entwicklung
stecken blieb, trotz der starken Entwicklung des Schulbetriebes?
Durch den Verlust des Anlagekapitals, das der "Treudank" in
Höhe von 250 000,-- RM spenden wollte, und das durch die Inflation
verloren ging.
Aber der Zweck, der der "Treudankspende"
zu Grunde lag: Kulturelle Förderung ist auch trotz des Verlustes
erreicht worden. Wie es auch eine Besucherin der Anstalt ausdrückte,
eine an Erfahrung und Erkenntnissen reiche Frau, der ein sehr großes
und verzweigtes Arbeitsfeld untersteht, als sie nach einer Besichtigung
sagte: " Eine gesunde Kulturquelle hier für Ihren umdrohten
Winkel".
Aus dem kleinen Anfang, der 1918 von der damaligen
Kreisschulinspektion angelegt wurde, dem Lehrgange mit sieben
Schülerinnen, der an eine Privatpension angeschlossen wurde, umfasst
die heutige Anstalt nachfolgende Betriebe, die heute in drei Häusern
arbeiten:
1. Die Haushaltungsschule mit
ihrer Abteilung Kinderpflegerinnenschule, die beide zusammen 97
Schülerinnen fassen.
2. Das Schülerinnenheim, in dem 30 Schülerinnen Unterkunft
finden. 3. Die
Aufbaulehrgänge als zweites Lehrjahr der Haushaltungsschule.
4. Die städtische Berufsschule mit ihren 120 Schülerinnen.
5. Die je nach Verfügung des Ministeriums von der Regierung
eingerichteten Ausbildungslehrgänge
für Hilfskräfte an ländlichen
Mädchen-Fortbildungsschulen.
6. Das
alkoholfreie Wohlfahrtsheim, das dem alkoholgegnerischen Kampfe dienen,
der Schule auch eine größere Kochmöglichkeit geben sollte, das aber
auch sonst noch im weiteren Sinne
Wohlfahrtsarbeit leistet und der
städtischen Kinderspeisung und Armenfürsorge zur Verfügung
steht.
Diese
Aufnahme aus dem Jahr 1929 zeigt 9 Lehrerinnen
1.
Reihe: Schwester Ella - Fräulein Böttcher - Frau Dr. Chwalina 2.
Reihe: Fräulein Ankermann - Name unbekannt - Fräulein Giesbrecht -
Name unbekannt obere Reihe: Fräulein Hofrichter - Fräulein Kunze
Im Garten der Haushaltungsschule 1929 Von
links nach rechts: Charlotte Hirsch - Elisabeth Mielinski - Ella
Stegemann - Frl. Meyer - Lotte Elert - Hildegard Köpsel - ? - ? -
Käthe Goldbeck - Hilde Köpke - Anna Noll - Lotte Lorra.
An diesen Betrieben arbeiten vier Gewerbelehrerinnen,
eine landwirtschaftliche Lehrerin, zwei Jugendleiterinnen, eine
staatlich geprüfte Schwester und die notwendigen Büro- und
Hausangestellten. Zu dem ursprünglichen Träger der Anstalt, dem Verein
zur Förderung der Volkswohlfahrt e.V., trat auf Anregung der
staatlichen Aufsichtsbehörde die kommunale Mitträgerschaft durch Stadt
und Kreis hinzu, die die planmäßigen Lehrerinnenstellen schufen und
dadurch die Existenz der Anstalt sicherten.
Die Not der Zeit
klopft natürlich auch an die Türen dieser Anstalt, aber sie wird auch
gerade durch die Not noch größere Aufgaben erhalten: Unsere weibliche
Jugend, der Abitur und höhere Berufsausbildung oft keine Arbeitswege
mehr öffnen können, mehr als bisher in die natürlich praktische
Berufe zurückzuführen und weitere Arbeitswege für sie zu schaffen,
aber auch Wohlfahrts- und Fürsorgearbeit mehr als bisher zu
leisten".
Dieses war ein Aufsatz von Frl. Böttcher aus dem
Jahre 1931. (Wie sieht es heute aus?)
Unsere "Klops"
hat sich im Laufe der Jahre zu einem in Ost- und Westpreußen bekannten
und geschätzten Institut entwickelt. Es soll wohl nur drei dieser
Einrichtungen in Ostpreußen gegeben haben. Dt. Eylau war wohl die
bekannteste Schule. Nicht nur die einheimischen Mädchen besuchten die
Schule, sondern viele Töchter der großen Güter und Nachbarstädte
ließen sich hier ausbilden. Sie schliefen oft im Schülerinnenheim, das
im Nebenhaus untergebracht war. Leiterin war Frl. Vogel. Es waren die
sogenannten "Heimchen", die ein lustiges Völkchen waren.
Woher
weiß ich über diese Schule so gut Bescheid? Im Jahre 1924 machte mein
Vater seine Meisterprüfung als Maler, und zwar machte er eine
Deckenmalerei in Frl. Böttchers Wohnzimmer als Meisterstück. Seit 1924
waren wir nun Hausmaler der "Klops". Als ich im Februar 1925
geboren wurde, erstellte Frl. Böttcher mein Horoskop für mein
zukünftiges Leben. Sie beschäftigte sich nebenbei mit der Astrologie.
Am Geburtstag meiner Mutter am 4. Mai schickte sie immer eine Schülerin
mit einer Torte. Eine schöne Geste.
Wir schreiben nun das Jahr
1931/32. In der Kinderpflegerinnenschule lehrt jetzt Frl. Hildegard
Hermann. Sie unterrichtet auch Staatsbürgerkunde und Krankenpflege.
Säuglingspflege lehrt Frl. Bamberg und Nähunterricht Frau Dr. Chwalina.
Hier hatte auch meine jüngste Tante Nähunterricht. Da meine Tante gut
zeichnen konnte, zeichnete sie eine Karikatur von dieser Lehrerin auf
die Tafel, was beinahe zum Schulverweis führte. Fräulein Böttcher
lachte darüber und damit war der Fall erledigt.
Lehrkräfte und Schülerinnen im Jahr 1934
Kochküche mit Frl. Ankermann
Im
Schulgarten 1934
Wir
überspringen nun einige Jahre und kommen in das Jahr 1938/39. In dieser
Zeit wurde ein Film über die gesamten Tätigkeiten der Schule gedreht,
der in der Stadthalle uraufgeführt wurde. Er lief unter dem Titel
"Mütter von morgen". Frl. Hermann führte Regie. Er zeigte
echte Wirklichkeit. So kommen auch fehlerhaftes und ungeschicktes
Hantieren ins Bild. Spielen mit Kleinkindern, Kochen, Schneidern wurden
gezeigt und sogar ein Schlachtfest wurde veranstaltet. Der Film wurde
ein großer Erfolg. In dieser Zeit gab es noch eine größere Aktion.
Ca. 40 Fischgerichte in kleinen Portionen wurden angeboten. Es sah wie
im Fischrestaurant aus. Über dem Hof schaukelten die selbstgebastelten
Lampions in Fischform, die abends ein buntes Licht gaben. Die Hausfrauen
ließen sich gerne beraten. Vor dieser Veranstaltung hatte unser Betrieb
die Schule mit einem neuen Anstrich versehen. Auch Herr Böttcher, der
Bruder, der seinen Garten liebte und seinen Goldfischteich pflegte, gab
sein Bestes. Beim Anstrich der Fußböden hatten wir immer
Schwierigkeiten. Auf dem Gelände waren viele Katzen, die über die
frisch lackierten Holzfußböden liefen. Dazu ging auch noch eine
Lehrerin über die Fläche.
Da dort mehrere Handwerker
arbeiteten, bat Herr Böttcher einen Gesellen, einige Katzen zu töten.
Da wir unsere Farben in der Veranda stehen hatten, lag am nächsten
Morgen eine erstarrte Katze zwischen unseren Töpfen. Einer unserer
Gesellen machte sich den Spaß und stellt sie mit dem Kopf gegen
den Fahnenmast. Als nun Frl. Ackermann den Hof betrat, sagte unser
Geselle: "Schauen Sie Frl. Ackermann, gestern wurde die Katze
getötet und heute kühlt sie sich ihren Kopf". Mit einem Aufschrei
war Frl. Ackermann weg.
Im Jahr 1942 haben wir zum letzten Mal
die Räume renoviert. Im kleinen Haus waren zwei Essräume. Hier gab es
noch in diesem letzten Krieg ein schmackhaftes Essen. Hier war auch das
Büro. Meine Frau, die auch diese "Klopsakademie" besuchte,
erzählte mir, dass die Mädchen, die von den Gütern und Bauernhöfen
kamen, Geflügel, Fleisch und Naturalien mitbrachten, dadurch konnte der
Kochunterricht gut durchgeführt werden. Übrigens waren die
Mädchen aus der "Klops" bei den jungen Männern der Stadt
sehr begehrt. Sie hatten immer ein natürlich gepflegtes Äußeres und
ein gutes Benehmen. Ein Lob der guten Schule.
Einige Male fuhren
wir mit den kleinen Mädchen aus dem Schülerinnenheim mit dem Ruderboot
abends auf den See. Wir hatten sie am kleinen Anlegesteg am Fluss
abgeholt. Auf dem Koffergrammophon spielte unentwegt die Schellackplatte
"Auf dem Dach der Welt, da steht ein Storchennest". Es war
damals der große Schlager. Die kleinen Mädchen sollten aber um 22 Uhr
im Heim sein, aber es war schon 23 Uhr. Sie bedankten sich ganz herzlich
bei uns, aber sie hatten Glück, denn die Haustür war noch auf. Frl.
Vogel war sonst sehr streng.
Dt.
Eylau 1935
Ausflug vom Nähkursus von Fräulein
Lehmann mit Ruderbooten auf die Liebesinsel im Geserichsee. Wie heißen
diese Damen? Wo wohnen die Damen heute? Wir bitten um Mitteilung!
Frau Ulla Helwig, geb. Schneider aus
Dr. Eylau erzählte mir, dass sie im Jahre 1941/42 diese berühmte
"Akademie" besuchte und ein besonderes Erlebnis hatte. Die
Soldaten der Stadt veranstalteten ein Winterfest in der Stadthalle und
luden ein benachbartes Maidenlager des Arbeitsdienstes ein. Wegen
Schneeverwehungen konnten die Maiden aber nicht kommen und so wendeten
sich die Soldaten an die Haushaltungsschule, die sofort einsprang. Unter
den jungen Mädchen war auch "Ulla". Sie war aber erst 15
Jahre jung. Aufgrund der Veranstaltung ließ sie ihre Zöpfe
abschneiden, zum Leidwesen ihres Vaters, der gerade seinen Heimaturlaub
von der Wehrmacht bekam. Jedenfalls machten die Mädchen alle einen
guten Eindruck bei diesem Fest.
Abschlusszeugnis
der einjährigen Haushaltungsschule 1941
Leider kenne ich die Pädagogen
aus dieser Zeit nicht. Diese Anstalt gibt es auch nicht mehr. Man hört
kein fröhliches Singen und Lachen mehr. Auf diesem Gelände stehen
jetzt große Häuser, aber die Straße ist noch vorhanden und die Bäume
sind noch größer geworden.
Frl. Böttcher wohnte nach der
Flucht in Nordhorn und dort ist sie auch verstorben. Meine Eltern
hatten noch bis zu ihrem Tode mit ihr Verbindung.
Dankbar denken
alle "Kommilitoninnen" an diese herrliche Schulzeit zurück.
Das
Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von
Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.
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