Der Sommer in unserer Heimat
v.
Gerhard Templin
Bearbeitung: C.
Mühleisen
Wann der
Sommer kam in unserer Heimat, war nicht sicher. Er ließ lange Zeit auf
sich warten und er kümmerte sich nicht um den Kalender. Man musste mit
Nachtfrösten noch lange nach den gestrengen Herren rechnen. Wer das
nicht wahrhaben wollte und noch nicht durch Schaden klug geworden war
und vor dem ersten Juni Tomaten oder sonstige frostempfindlichen
Gewächse auspflanzte, musste dies meist ein zweites Mal tun. Auch im
Wald war die Gefahr der Spätfröste groß, erfrorenes frisches Grün an
Buchen war keine Seltenheit.
Wenn der Sommer aber einmal richtig
da war, dann war es meist ein echter und warmer Sommer. Es gab meist
längere Schönwetterperioden, wenn es auch nicht stimmt, dass wir nie
einen richtigen verregneten Sommer gehabt haben, wie man es sich
nachträglich einbildet. Wozu aber gerade von einem solchen erzählen
und nicht lieber von strahlend schönen Tagen, derer es genug gab?
Wie
oft haben wir solch eine östliche Mitsommerfrühe erlebt, in der die
Morgendämmerung, ohne dass e richtig Nacht geworden wäre, die
Abenddämmerung ablöste und das schon müde Abendlied der einen Lerche
in den jubelnden Morgentriller der anderen überging. Es sind dies
sonderbare Tage, in denen der Mensch das Gefühl hat, dass er eigentlich
auch nicht schlafen dürfte, so erschlaffend die meist plötzlich
auftretende Sommerhitze auch ist.
Noch weiter im Osten und Norden
sprach man von den weißen Nächten. Unsagbar schön konnten diese Tage
sein. Doch das schönste an ihnen war der Morgen. Einer hiervon sollte
mir in Erinnerung bleiben.
Als ich nach sommerlich leichtem
Schlaf aufwachte, war es Dämmerung, und nur das Gefühl sagte mir, dass
die Sonne - die ich spät abends im See hinter dem Walde der Rosenberger
Chaussee hatte verschwinden und noch lange nachleuchten sehen - schon
wieder von ihrem kurzen Kopfsprung hinter den Horizont im Osten
auftauchen wollte. Ich habe mir vorgenommen, mit einem Motorboot einen
Sonnentag zu nutzen: Es ist noch etwas dunkel, aber wir fahren mit
leisem Motor über den Geserichsee zur nahen Insel Gr. Werder. Sehr
rasch wird es jetzt hell und ganz klar kann man mit bloßem Auge
inmitten des Geserich die kleine Insel in Richtung der
"Motten" sehen, wo einige Angler ihre Boote festgemacht haben.
Angler
am See (G. Templin)
Noch sind einige Sterne am Himmel und geisterhafte Nebelschwaden
lagern auf den Wiesen. Wir sind auf dem Scholtenberg, einer alten
Fliehburg der Prußen, und schauen nach Osten in Richtung des Freibades
Klein-Zoppot, wo sich jetzt der rote glutvolle Schein der Sonne rasch
verstärkt. Es ist der Weckruf der Mücken und Käfer, die ihre von der
Nachtkühle steif gewordenen Glieder in Bewegung bringen. Die Vögel
schlagen mit ihren Flügeln. Hier und da steigen die Raubvögel und
Enten empor, um für ihre Jungen das Futter zu besorgen. Es riecht nach
Fischen, Schilf und Wald. Der See ist wie ein Spiegel.
Enten im Schilf (G. Templin)
Wie auf
Kommando beginnt jetzt ein vielstimmiges Konzert, besonders aus einer
verschlafenen, durch vorliegende Schilfstreifen gegen Sicht gut
geschützten Bucht. Dunkelgrün und besonders üppig gedeihen da die
vielfarbigen Wasserpflanzen und hell leuchten reine weiße Seerosen aus
der satten, wohlabgestimmten Farbenpracht dieses vergessenen Winkels, in
dem viele Taucher und Blässhühner ihre Jungen spazieren führen. Von
Zeit zu Zeit verschwindet einer der Vögel plötzlich unter dem
Wasserspiegel, um bald darauf mit einem silbern glänzenden Fischchen im
Schnabel wieder aufzutauchen.
An der dritten Ablage stehen einige
Kormorane auf den im Wasser liegenden Baumstämmen. Wir sehen auch
einige Hirsche auf der Wiese, was wir eigentlich nicht vermutet haben.
Dankbar und froh blicke ich zu der grauen Lerche empor, die sich mit
einem jubelnden Morgenlied in die Höhe schraubt. Die Menschen unserer
nahen Heimatstadt kriechen jetzt schlaftrunken aus ihren Betten. Da
beginnen die Vorbereitungen für den neuen Tag: das Säubern der Büros,
das Schmieren der Maschinen, das Klappern der Milchkannen in dern
Dörfern. Bald wird es rattern, hupen, tosen und schreien in den Orten.
Aber wir genießen den Sommertag.
Wir machen in Lannoch
(Försterei) eine kleine Frühstückspause. Die Baumwipfel rauschen und
es ist ein Grunzen im Unterholz. Wahrscheinlich führt eine Bache
(Wildschwein) ihre Frischlinge aus. Obwohl es hier herrlich ist, halten
wir uns nicht lange an diesem schönen Ort auf, sondern fahren an der
Eisvogelkolonie vorbei in Richtung Heimat. Allmählich ist es wärmer
geworden. Einige Segler, Angler und Kanuten kommen uns entgegen und
grüßen recht freundlich. Es wird auf dem See immer belebter. Am linken
Ufer sieht man die wogenden Kornfelder. Es dauert bestimmt nicht mehr
lange, dann herrscht hier bei der Ernte Hochbetrieb. Auf den Pferde- und
Kuhweiden ist auch reges Leben. Viele Kälber und Fohlen tummeln sich
auf den fetten Wiesen. Man kann sagen: Der Sommer ist jetzt auf seinem
Höhepunkt. Es gilt, jeden Sonnenstrahl zu nutzen. Voller brauner,
lachender Menschen ist jetzt der Geserichstrand, besonders am Strandbad
und Klein-Zoppot geht es recht fröhlich zu. Die Mutigen schwimmen
allein oder in Gruppen zur Insel und zurück. Viele verweilen auch
länger auf dem schönen Fleckchen Erde, wo es sich so schön träumen
lässt. Viele bunte Schmetterlinge gibt es dort, die den weiten Weg
über das Wasser gemacht haben.
Nachtigall
(G. Templin)
Dies ist nur ein kleiner
Bruchteil aus der Fülle all dessen, was man an einem solchen Morgen
hört, sieht und erlebt, und gerade die zartesten Eindrücke sind es,
die dieses Erlebnis noch so lange nachwirken lassen. Nur lassen die sich
nicht schildern, auch wenn sie in der Erinnerung ebenso fest haften, wie
sie in der Gegenwart empfangen werden. Die Fülle des kleinen Getiers,
das herumkrabbelt, herumschwirrt und herumsummt und Auge, Ohr und Herz
erfreut, die Ameisen, Käfer, Schmetterlinge, Grillen und Hummeln,
selbst die Bremsen, Fliegen und Mücken, die einem manche Freude
vergällen können und deren leise, singende Musik dennoch zum großen
Sommerkonzert gehört, all' dies lässt mich in Staunen immer verharren,
so dass es schwer ist, nach Hause zu finden.
Sommerblumen
Sommerblumen aus
dem Garten, Sommersonne überm Haus. Was mag mehr das Herz erwarten, geht die Liebe ein und aus?
Gaben, dargebracht von
Händen, die das Schenken gern geübt. Niemals kann die
Freude enden, da die Sonne uns so liebt!
(Hans Bahrs)
Das Nutzungsrecht der Urheberrechte
an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an
Frau Christa Mühleisen übertragen.
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