Unser lieblicher See

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Der Kreis Rosenberg weist alle genannten Bildungen der Eiszeit in reizvoller Ausprägung auf. Gegen das Ende jener Zeit lagerten hier zwei mächtige Eiszungen. Ihre Ränder stießen zunächst südlich von Rosenberg zusammen. Bei der Fortdauer der Abschmelzung entfernten sie sich immer mehr voneinander; die eine schwand in der Nordostrichtung zum Geserichsee, die andere in der Nordwestrichtung zur Weichsel. Mehrfach wurde die Schmelzperiode durch Stillstandszeiten unterbrochen. Die Tätigkeit der Gletscher rief einen Reichtum an Seen hervor. Einer der größten Seen ist der Sorgensee bei Riesenburg. Insgesamt sind es 65 Seen im Kreis Rosenberg, die Hälfte aller westpreußischen Seen. Der südliche Teil der Seenplatte ist der 34 km lange Geserichsee. Er ist ein Rinnensee, der flussartig wirkt, da er stellenweise nur 200 - 300 m breit ist und eine durchschnittliche Tiefe von 12 m hat. Von diesem großen See möchte ich erzählen, denn er ist so schön, dass er es wohl verdiente, von berufener Seite, von Dichtern und Malern gepriesen und  verherrlicht zu werden. Aber ich sage mir, auf Liebhaben kommt es an, deshalb möchte ich es ruhig wagen, ein Wörtchen mitzureden. "Kennen Sie den Geserichsee?" hört man auch heute noch viele Landsleute fragen. Eine Antwort hierauf zu geben ist nicht ganz leicht. Es ist so, als wenn einer fragt: "Kennen Sie Schiller?" Und der andere antwortet mit der Gegenfrage: "Welchen Schiller meinen Sie, ach den Dichter, die Glocke, usw.?"

Die Frage "Kennen Sie den Geserichsee?" heißt "Kennen Sie ein Stück der schönsten westpreußischen Heimat?" Kaum einer kannte den Geserichsee richtig. Unser Herrgott muss wohl einen guten Tag gehabt haben, als er unseren See schuf. Ja unser See, er gibt unserem Städtchen so recht die besondere Note, Farbe und Schönheit und den Reiz der wechselnden Stimmung. Tausend bunte Sommerfreuden schaukelt er auf seinen blanken Wellen. Er ist der quellfrische Born, der uns die Seele reinbadet von Staub und Hast des Alltags, und wer es nur erproben will, kann es fühlen. Was gibt es Schöneres, als an einem blauen Sommertage in kleinem Boot hinauszuschwimmen zur Insel Gr. Werder, der Liebesinsel, der 3. Ablage oder zur Widlung, in eine jener vielen kleinen Buchten, die sich so still und märchenschön in den Arm des Waldes schmiegen.



Widlung - Geserichsee / Deutsch Eylau (G. Templin)

Nichts regt sich, nur der Wald rauscht und etliche Vogelstimmen sind zu vernehmen. Und morgens auf der Schalkendorfer Breite sieht man das Silber des Wasserspiegels und die Bläue des Himmels darüber. Es ist so schön ruhig und friedvoll. Die Försterei Lannoch liegt so romantisch da, denn wir haben ja noch tiefsten Frieden. Dort liegt die Preußenhütte. Es ist ein ausgedienter D-Zug Wagen, der manch einem Wasserwanderer Unterschlupf vor Unwetter und einbrechender Nacht gab. Wie oft haben wir am Ufer beim Lagerfeuer gesessen und in die Nacht gelauscht. Gegenüber liegt die Widlung, es ist eine große Bucht. Im Frühjahr ist sie ein Fischschutzgebiet. Kormoran-, Reiher- und Adlerhorste sind hier vorhanden. Eine Deutsch-Eylauer Dichterin hat über diese Widlung ein Gedicht geschrieben:

Abend in der Widlung
Komm, wenn die Feuer der Sonne verglimmen,
Wenn in Gold und Purpur die Wasser schwimmen,
Wenn die Möwen sich wiegen im Abendschein,
Mit den spielenden Tauchern, die uns geleiten
Lasst uns auf schimmernder Fährte gleiten
In den goldenen, leuchtenden Abend hinein.

Dass ich ins selige Traumland entfliege,
Schaukeln die Wasser in goldener Wiege
Zärtlich und sacht meines Bootes Bug;
In den Buchten, die märchenschön und verschwiegen
In den grünen Armen des Waldes liegen,
Trägt mich des Schifffleins gleitender Zug.

Gluckst nur am Ufer der Wasser Bewegen,
Hebt sich nur plätschernd ein Schwingenregen
Der Wasservögel im dichten Rohr.
Um die schweigenden dunklen Kiefernkronen,
Wo hoch in den Nestern die Reiher wohnen
Spinnt sich schon weißlicher Nebelflor.

Hörst Du es nicht aus der Stille tauchen,
Wie Stimmen, die strömend im All verhauchen,
Wie eine schwebende Melodie?
Nur leis in dem Psalm dieses Abends zu singen
Lockt es mein Herz um mitzuschwingen
In der Unendlichkeit Harmonie.



Segelpartie vor dem Kormoran, früher Strandbad (G. Templin)

Für das Wasserwandern ist der Geserichsee ein Paradies. Bei einer Länge von 34 km zeichnet er sich auch gegenüber anderen ost- oder westpreußischen Seen durch seine trockenen Ufer aus, die überall Platz zum Anliegen bieten und mit ihren Hochwaldbeständen ruhigen und angenehmen Aufenthalt versprechen. Die zahlreichen Buchten und Inseln sind rechte Plätzchen für den, der die Einsamkeit liebt; anders als etwa die Berliner Seen mit Menschenschwärmen und dem Lärm. Für die Segler mag bei Windstärken 4 oder 5 an Wellen wie Schalkendorfer, Lannocher und Schwalgendorfer Breite schon eine Vorsicht geboten sein. - In Deutsch Eylau sind jetzt sehr viele Segelboote für große Fahrt vorhanden. Dazu kommen noch die Ruderboote, die mit einem Segel ausgerüstet sind. Auch die vielen Paddler und Motorbootfahrer kommen auf dem Geserichsee zu ihrem Recht.



Segelboot vor der Stadt Dt. Eylau (G. Templin)

Und nun noch einige Worte zur Vogelwelt, sie ist sehr artenarm. Das hängt damit zusammen, dass der See ein nicht so tiefer Rinnensee ist. Vögel, die Pflanzennahrung brauchen, können hier nicht leben. Und auch die Fischfresser ziehen flache Seen vor. So sind hauptsächlich eigentlich nur einige Arten vertreten: Haubentaucher, Drosselrohrsänger, Reiher, Kormorane, Milane, Fisch- und Seeadler und natürlich die Enten.



Fischadler gegenüber der Einfahrt zum Widlungsee - Geserichsee (G. Templin)

Eine Wasserfläche ohne Vögel ist wie ein Brot ohne Salz. Wer es nicht glaubt, der muss eine Dampfer- oder Bootsfahrt auf dem Geserichsee machen. Vor allen Dingen wenn man in der Nähe des Ufers fährt. Man hört dann das einförmige Lied des Drosselrohrsängers. Jedes Kind kennt das "Karrakit" und weiß, dass er sein Nest an 4 Rohrstangen aufhängt, es ist ein kunstvolles Vogelnest. Über diesen Vogel habe ich schon geschrieben. Eine sehr auffällige Erscheinung am Geserich ist der Fischreiher, der hinter der Einfahrt zur Widlung eine sehr große Kolonie hat.

Diese Kolonie stand bis zum Jahre 1936 auf Kiefernaltholz. Einen breiten Weg, der hier durchging, nannten die Förster "Reiherpromenade." Alle, die aus dem Nest gefallen und noch nicht flügge geworden waren, liebten es hier herumzulaufen, bis sie allmählich dem Hungertode verfielen. Später bauten sie ihre Nester in junges Kiefernstangenholz. Auch die Kormorane brüteten hier. In dieser Gegend fand man auch viele Pilze. Zu Reiher und Haubentaucher tritt als dritter Fischräuber der Milan, über den ich auch schon berichtet habe. Ein kleiner Vogel fliegt bei Lannoch auf Fischfang. Es ist der Eisvogel. Auch er kam schon in meinen Aufsätzen vor.

Die Möwen spielen auf dem See keine große Rolle. Am häufigsten begegnet man der Möwe mit dem braunen Kopf, der "Lachmöwe". Sie brütet aber nicht auf dem Geserichsee. Man sieht auch öfter viele Vögel des Waldes über dem Wasser fliegen: Mäusebussarde und Schreiadler, Falken, Schwarzstörche und Kraniche. Das ist das Vogelleben zwischen Deutsch Eylau und Schwalgendorf.



Steinadler im Kreis Rosenberg (G. Templin)

Am Abend war es am Wasser am allerschönsten, wenn die Wälder dunkelten und der ganze See in Gold und Purpur schwamm. Er sah aus, als wenn eine Wolke von flimmerndem Goldstaub in der Luft war. Die Schwalben über dem See kreisten immer schneller und höher in den Glanz des leuchtenden Abendhimmels. - Dann wurde es ringsherum stiller. Oft hörte man Harmonikaklänge, die sich mit dem Blau des Sommerabends in eine Harmonie verschmolzen. Dann kamen von den Wiesen der Insel Gr. Werder hauchzarte Nebelschleier heran geschwebt und es wurde dunkel. Man hörte nur noch das Plätschern der Wellen, wenn sie gegen das Ufer stießen. 

"Gute Nacht, lieblicher See!"




Sonnenuntergang am Yachthafen (G. Templin)

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