Ein Lob für die Ost- und Westpreußischen Frauen.

Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Da ich im Jahre 1925 geboren wurde, steht in meinen Papieren "geboren in Ostpreußen". Wenn ich hier Ostpreußen schreibe, meine ich natürlich auch Westpreußen, denn die holde Weiblichkeit war überall gleich. Wir gehörten außerdem zum Oberland und nicht zu Masuren oder Ermland, wie es heute einige Zeitungen und auch die Polen schreiben. Dieses Oberland war die gute Stube Ostpreußens. Hier war der Menschenschlag anders und hier sprach man das reinste Hochdeutsch, bis auf einige Landgemeinden (Kr. Mohrungen), die vielfach ihre eigene Aussprache hatten.

Aber die Liebe war überall gleich und jedes Frau ist anders, hieß es bei uns, nur die Machart ist immer dieselbe. Das, was gemeinhin "sexuelle Aufklärung" genannt wird, ist bei uns niemals notwendig gewesen, das lieferte der Alltag in Fülle. Man sah, wie sich die Kaninchen paarten, die Kühe und Pferde bestiegen wurden. Irgendwo musste ja der Nachwuchs herkommen. Wir lebten in einem sehr aufgeklärten Lande.

Die ostpreußischen Frauen ließen sich viel Zeit mit der Wahl ihrer Männer, sie besaßen vielmehr eine ausgeprägte Zurückhaltung. Man konnte sie auch als Sittsamkeit bezeichnen, ohne zu übertreiben. Die ostpreußischen Männer haben immer versucht, sich eine männliche Welt aufzubauen. Dieses gelang ihnen nur teilweise bei der Jagd und den zahllosen Vereinen.



In der Küche beim Hühnerausnehmen (G. Templin)

Doch die Familie war das stärkste Element eines jeden Ostpreußen und diese wurde von den Frauen beherrscht. Sie hatten ein System bei der Kindererziehung und Haushalt. So stand pünktlich das Essen auf dem Tisch. Der Sonntagsbraten war der Höhepunkt. Wehe dem Mann, wenn er nicht pünktlich war. Die Wohnungen waren immer blitzblank in Ordnung. Vor allem war die gute Stube immer bereit, Besuch zu empfangen. Damals gab es noch Dielenfußböden, und die Fliesenböden auf dem Lande wurden geschrubbt und mit weißem Sand bestreut.




Beim Fußbodenschrubben (G. Templin)

Die meisten Frauen besuchten vor der Ehe eine Hauswirtschaftsschule. Sie wurden dort im "Kochen, Backen, Bügeln, Brotbacken und Kinderpflege" geschult. So entstanden herzliebste junge Frauen, die zuverlässig und treu waren. Die Töchter waren genauso wie ihre Mütter. Sie ähnelten ihnen nicht nur äußerlich, sie konnten wie sie kochen usw. Sie wurden bis zur kirchlichen Trauung scharf bewacht und ihre Aussteuer war das wichtigste, wenn sie heirateten. Wo gibt es heute noch bei den jungen Frauen eine "Mitgift". Heute gehören Kaffeehäuser und Speiselokale sowie Tanzlokale zum guten Ton.




Eitel vor dem Spiegel (G. Templin)

In den Dörfern und Kleinstädten wusste jeder von jedem ziemlich genau, was er getan oder zu unterlassen hatte, auch mit wem und wo und unter welchen Umständen. Leichte Mädchen waren bekannt und diese besaßen in Ostpreußen Seltenheitswert. Was "Sexualität genannt werden könnte, bestimmten bei uns in erster Linie die Frauen. Sie wussten genau, was sie wollten und das hatten sie auch nötig, und setzten sich bis zum Ende eines Lebens fast immer durch. Wir hatten die geringste Zahl der unehelichen Kinder. Unsere Frauen waren sehr gastfreundlich. Sie machten jeden Tanzabend mit. Sie waren sehr eitel und zogen dazu immer ihr bestes Kleid an. Was machte sie bei den Festlichkeiten so trinkfest? Sie tranken langsam und teilten sich den Inhalt des Glases ein. Trotzdem gingen sie mit Fröhlichkeit oft nach Hause.




Auf dem Tanzboden (G. Templin)




Auf dem Nachhauseweg (G. Templin)

Der trockene Humor war bei ihnen immer vorhanden. Hier einige Beispiele: Eine junge Mutter stillt ihren Säugling, der fünfjährige Gerhard sieht zu: "Mutti, was macht das Brüderchen?" "Es trinkt." - "Schmeckt das?" - "Ja, mein Jung, das schmeckt schön". - "Mutti, und wie wird das gefüllt?"

Eine Helferin beim Zahnarzt in Deutsch Eylau berichtet: Eines Tages sitzen im Wartezimmer einige neue Patienten, unter ihnen ein junges Mädchen aus Neuguth, einem Dorf bei Dt. Eylau. Sie fragt nun alle Patienten, in welcher Krankenkasse sie sind. Als nun die Frage an das junge Mädchen gerichtet wird, kommt die Antwort: "Nein ich bin man bloß im Jungfrauenverein". Man könnte noch viel mehr Anekdoten erzählen.




Großmutter erzählt (G. Templin)

1939 kam der 2. Weltkrieg. Auf dem Lande standen die Frauen mit ausländischen Arbeitern allein. In der Stadt waren die Frauen dienstverpflichtet. Meine Mutter musste zuerst Pelze nähen und dann war  sie bis zur Flucht bei der Feldpost. Sie machten ihre Arbeiten ohne zu murren.




Auf der Flucht (G. Templin)

Aber als die Front näher kam, begann das große Drama. Nur einige alte Männer waren zu Hause. Bei Nacht und klirrender Kälte mussten unsere ostpreußischen Frauen mit ihren Kindern, die zum Teil noch sehr klein waren, die Heimat verlassen. Sie fuhren in offenen Güterwagen, teilweise mit einem Treck oder zu Fuß. Viele wurden von feindlichen Truppen überrollt, verschleppt nach Russland, vergewaltigt oder gar getötet. Matthäus sagt im 24. Kapitel, Vers 20: "Bittet aber, dass eure Flucht nicht geschehe im Winter".




Auf dem Treck (G. Templin)

Die Befehle zur Evakuierung kamen viel zu spät. So standen noch Güterzüge mit zusammengepferchten Frauen und Kindern auf dem Hauptbahnhof in Deutsch Eylau, obwohl die feindlichen Panzer schon am Stadtrand standen. Die Frauen trockneten die nassen Windeln ihrer kleinen Kinder an ihrer Brust. Auf den Bahnhöfen standen Kinderwagen mit erfrorenen Babys. An den Straßenrändern lagen erfrorene Menschen, die mit ihren Treckwagen nicht mehr weiter kamen. Viele der Vertriebenen verloren ihr Leben außerdem beim Luftangriff der Engländer in Dresden. Trotzdem sind noch viele Frauen und Kinder nach den großen Strapazen ins Altreich gekommen. Sie sind heute Groß- und Urgroßmütter.

Überall werden in Deutschland für irgendwelche Völker mit viel Geld Denkmäler errichtet. Wo aber steht ein Denkmal für unsere stolzen "Ost- und Westpreußischen Frauen?" In jeder Stadt müsste so eins stehen. Viele starben, dass wir heute leben können. Ein Hoch und Dank den tapferen ostdeutschen Frauen!

Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.