Die alten Prussen - Der Niedergang durch den Orden

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Schon vor 1000 Jahren vor der Zeitenwende war das Gebiet südlich der beiden Haffs zwischen Weichsel und Memel von einem Volk bewohnt, das Tacitus Aestier nannte (obwohl er nie dort war) und mit den Prussen identisch ist. Die Bewohner nannten sich selbst Prusai.



Prussenhaus (G. Templin)

Nach Ausgrabungen bei Peterkau im Kr. Rosenberg handelt es sich bei dem Grundriss um ein Prussenhaus mit drei Feuerstellen, die im Boden eingelassen waren. Größe des Hauses 9 x 5 m mit Vorlaube. Wände waren zwischen Pfählen mit Flechtwerk verspannt und mit Lehm angeworfen. Das Dach war ein Satteldach. Der Innenraum war ca. 2,30 m hoch. Man rechnete eine Armlänge über eine Körpergröße. 

Woher kommt der Name Prussen oder Preußen? Dieses Wort stammt wahrscheinlich von dem Wort Prussia oder Prussin. Diese Prussen wohnten unterhalb der Russen. Unterhalb heißt im Polnischen "pod" und altpreußisch "po". Daraus hat man ein Porussie gemacht, d.h., unterhalb der Russen wohnenden. In meinem ersten Aufsatz über die Prussen habe ich ausführlich über das Leben der Prussen geschrieben, aber vor dem Erscheinen des Ritterordens ist doch etliches passiert.



Die Bernsteinstraße (G. Templin) - Es gab 3 davon vom Samland zur Adria und eine vom Samland zum Schwarzen Meer.

Durch den ständigen Druck der germanischen Völker, vor allen Dingen der Goten und Gepiden wichen die Prussen bis in die Gegend des Oberlandes westlich von Allenstein zurück. Nach dem Abzug der germanischen Völker nahmen sie wieder ihre alte Stellung ein bis zur Weichsel und zum Kulmer Land. Es war keine Gewaltanwendung. Im Rahmen der Völkerwanderung ging alles undramatisch zu. Die Prussen wurden nur am Rande davon berührt. Allerdings haben die Prussen von den Goten und Wikingern in kultureller Hinsicht viel gelernt und sich auch vermischt, vor allen Dingen die adligen Herrschaften. Es muss gerade ein besonderer Reiz von den Frauen und Mädchen aus dem Samland ausgegangen sein, dass die Wikinger vergaßen, heimzufahren, obwohl sie verheiratet waren. Es erfolgte auch ein geistlicher Aufbruch. Man glaubte die Wiederkehr Christi stände bevor und man versuchte, das Christentum in die prussischen Lande zu tragen. Bei den zwei Missionsgruppen fanden beide Männer ein tragisches Ende. Es handelte sich um Adalbert von Prag und Bruno von Querfurt. - Adalbert von Prag begann im Süden des Samlandes zu missionieren. Die Prussen hörten ihn an, aber dann wiesen sie ihn ab. Sie wollten ihn am anderen Tag nicht mehr sehen, sonst würden sie ihn töten. Er zog sich mit den Seinen zurück, geriet aber in einen geheiligten Wald und wurde am nächsten Tag von einem Trupp mit einem Priester in der Nähe des Frischen Haffs erschlagen.



Prussen töten Adalbert von Prag (Gnesener Domtür) G. Templin

Nach dem Tode der beiden Missionare erhielten die Prussen wenig friedliche Art. Es waren die Masowier, die immer wieder die Prussen überfielen, um ihnen mit Gewalt die Lehre des Christentums beizubringen. Der polnische Herzog von Masowien war ein radikaler Herrscher auf dem Fürstenthron. Man nannte ihn auch "Westentaschen-Nero", was noch milde ausgedrückt wurde. So ließ er Unschuldigen das Augenlicht berauben, in Kerker werfen und dann erwürgen. Selbst die polnischen Geschichtsschreiber haben keine guten Meinungen für ihn übrig. (In den nächsten Jahrhunderten liegen wenig Aufzeichnungen vor. Die Aufzeichnungen der Polen dürften aus Sagen und Erzählungen kommen).

Der Herzog von Masowien rief den deutschen Ritterorden zu Hilfe gegen die wilden noch heidnischen Prussen. So steht es in den Geschichtsbüchern von 1920-1990. Hier stimmt nur, dass die Prussen noch keine getauften Christen waren. Im Gegenteil, die Prussen waren keine beutehungrigen Wilden. Sie waren im Vergleich zu den Masowiern wohlhabend, wenn auch nicht reich. Dass die Prussen ein kulturelles Volk waren, sieht man an den Baben, die zu menschlichen Gestalten geformt waren. Vielleicht waren sie Göttergestalten. Wir hatten im Kreis Rosenberg (Mosgau) auch so einen Baben stehen. Man nannte ihn den "Gotteslästerer von Mosgau". Viele Sagen gab es um ihn. (ca. 1,40 m groß). Er steht heute mit zwei anderen Baben in Danzig. Es sind die einzigen Kulturgüter, die übrig geblieben sind. Die anderen Kunsterzeugnisse wurden bei der Christianisierung zerstört. Die Forscher datieren sie in das Jahr 1000.



Die Prussischen Götter Pikollos, Perkunos und Potrimpos (G. Templin)

Über das Leben und Treiben der Prussen habe ich in den ersten beiden Aufsätzen (1999) ausführlich geschrieben. Nachdem die Masowier immer wieder in Prussen einfielen, griffen nun auch die Prussen an. Es kam zur Schlacht von Strasburg, wobei die Masowier das Weite suchen mussten. Im Jahr 1230 sah sich der Herzog von Masowien gezwungen, das Kulmerland abzutreten und den Orden um Hilfe zu bitten. Nicht als Hilfstruppen sollten die Kreuzheere des Ordens kommen. Der Gedanke, einen Staat zu gründen, lag nahe. Der Kaiser und der Papst traten dem Orden das Kulmerland mit aller Gerichtsbarkeit ab. Schon im Herbst 1230 waren Ordensritter an der Weichsel erschienen. Im Frühjahr 1231 setzte Hermann Balk über die Weichsel. Er gründete zuerst die Burg Alt-Thorn und dann planmäßig etliche Stützpunkte, wobei Thorn 1231 - Kulm 1232 - Marienwerder 1234 seine Hauptstützpunkte waren. Es begann ein Hauen und Stechen zwischen den Prussen und dem Orden. Der Papst erließ an Bischof Christian die Anordnung ergehen, die Führer der Kreuzfahrer ernstlich zu belehren, welches eigentlich ihr Auftrag sei. Nicht zur Verteidigung der Kirche und nicht die Heiden unter Knechtschaft zu bringen. Nach der damaligen Zeit war ein Land mit einem heidnischen Volk herrenlos. Mit einem herrenlosen Volk konnte der Kaiser machen, was er wollte. Dem Herzog von Masowien fehlte die Kraft und Größe, um die Prussen zu überwältigen. Es war ein polnischer Fürst, der die Ordensritter zur Hilfe bat. Die Polen sprechen heute noch von den "Kreuzrittern".

Der Kampf zwischen dem Orden und den Prussen wurde immer stärker. Die Prussen nahmen die Kampftechnik und Waffen des Ordens an. Der Orden holte gleich Siedler in das eroberte Land. Es wurden gleich Rechte und Pflichten festgelegt.

Die Bürger der Städte Kulm und Thorn erhielten am 28.12.1232 unter anderem folgende Rechte:

   1.   Die Bürger wählen aus ihrer Mitte alljährlich ihre obrigkeitlichen Personen und Richter.

   2.   Der Orden genehmigt nur solche Personen, die von den Bürgern gewählt waren und den

         Absichten des Ordens entsprechen.

   3.   Bei den Städten wird innerhalb ihrer festgelegten Grenzen freies Jagdrecht und freier Fischfang

         zugebilligt.

   4.   Die Bürger beider Städte erhalten das Recht der Fähre über die Weichsel.

   5.   In Gerichtssachen soll das Verfahren nach dem Magdeburger-Recht geordnet werden.

Es wurden noch weitere Bestimmungen erteilt, z. B. über den Erwerb von Grundstücken, Zahlungsmittel, Handel und Wandel und Abgaben an den Bischof. Dafür konnten die Bürger sicher sein, dass ihnen der Orden Schutz gewährte, wenn ihnen Unrecht drohte.

Der Orden setzte vor allen Dingen in Pomesanien alle Macht an, die Prussen in die Knie zu zwingen und so kam es im Winter zu den ersten Kampfhandlungen im Gebiet von Resen (Riesenburg). Die größte Schlacht erfolgte in der Nähe des heiligen Waldes an der Sigurne. 5000 Prussen ließen ihr Leben, aber auch 4000 Gegner gingen verloren. Es hieß, der Christengott hat über die heidnischen Götter gesiegt. Aber der Orden war auch angeschlagen. Er zog sich in das Kulmerland zurück. Die Prussen rächten sich mit der Einnahme von Oliva. Ein Teil der Verteidiger und Mönche wurde erschlagen.

Hermann Balk baute nun die Burg Rehden stark aus. Sie wurde ein Eckpfeiler für sein weiteres Vorgehen. Er kam so nicht weiter, denn die Prussen waren hartnäckige Gegner. Der Orden änderte nun seine Taktik, die die Preußen verwirrte, u. a. wurden nun auch Prussen in den Spitälern des Ordens gesund gepflegt. Sie gaben allmählich ihre Meinung, dass aller Segen von den heimischen Göttern kommt, auf und öffneten sich dem Glauben an den Gott der Christen. Durch die Pest im Jahre 1237 wurde die Entwicklung unterbrochen und die Neubekehrten fielen wieder vom Christentum ab. Der Orden holte, um wieder die Verluste auszugleichen, neue Siedler aus Deutschland. Der Hass der Ordensritter wurde immer stärker. So gab es Kampfhandlungen im Samland und Ostpreußen. Wir wollen uns aber auf den westlichen Teil beschränken.



Prussische Reiter (G. Templin)

Die ganze Streitmacht im Samland waren 4000 Reiter und 40 000 Fußvolk. Im ganzen Prussenland gab es 350 000 Krieger. 

Fast 20 Jahre kämpften die Prussen-Stämme um ihre Unabhängigkeit. Zum Schluss erlagen sie sehr geschwächt dem Orden und fanden sich, obwohl sie kurz zuvor die Ordensritter bis nach Elbing und Thorn zurückgejagt hatten, zum Friedensschluss von Christburg bereit. Die unterworfenen Gaue Pomesanien, Pogesanien, Sassen, Warmien, Natangen und das Bartenland, vertreten durch die Abgesandten, fanden sich zur Verhandlung mit dem Orden ein. In einem Dokument, das nur noch in einer Abschrift existiert, wurden die Bestimmungen für den Friedensabschluss festgehalten. Die hauptsächlichsten Bestimmungen dieses Vertrages sind folgende:

   1.    Wer die christliche Taufe ablehnt, wird von seinem Eigentum verjagt.

   2.    Wer die alten Feste noch feiert, oder Heidenpriester versteckt, wird mit dem Tode bestraft.

   3.    Feuerbestattungen hoch zu Ross sind untersagt.

   4.    Den alten Bräuchen, u. a. dem Frauenkauf, der Vielweiberei und der Leichenverbrennung sollte

          abgeschworen werden.

   5.    Verlangt werden: Regelmäßiger Kirchenbesuch, Heiligung der christlichen Feiertage, Teilnahme

          an der Beichte, pünktliche Ablieferung des Zehnten.

   6.    Beschleunigt sollen Kirchen gebaut werden: in Pomesanien 13, Warmien 6, in Natangen 3.



Diese Holzkirche ist eine von 13 Sühnekirchen, die in Pomesanien gebaut werden mussten, aufgrund der Abtrünnigkeit des Ordens (G. Templin)

Der Christburger Vertrag enthält aber auch die Klausel: "Wer Landschaften oder Einzelpersonen, vom Christentum wieder abfällt, der Kirche oder dem Orden den Gehorsam verweigert, der soll die versprochene Freiheit für immer verlieren." Als sich 12 Jahre nach dieser Vertragsschließung die Prussen zu ihrem großen Aufstand erhoben, erinnerte sich der Orden dieser Klausel und verfuhr danach. Der "große Aufstand" sagte der Orden, in den Augen der Prussen war es ein Freiheitskampf, den sie zum großen Teil mehr als zwanzig Jahre lang führten. Liebe zu ihrer Heimat und ein unabdingbarer Freiheitswille waren der Motor. Befestigte oder asphaltierte Straßen für die Durchführung ihrer Marschbewegungen gab es damals nicht, sondern nur einfache Wege durch die Heidelandschaften und Moore. Sie hatten keinen Fuhrpark, mittels derer ihre Kampfgruppen versorgt werden konnten. Dennoch dauerte ihr Freiheitskampf über 20 Jahre.



Anbetung im heiligen Hain von Romove (G. Templin)

Natürlich war ein Ziel des Ordens der Angriff auf das zentrale Heiligtum in Romowe. Die Götterbilder in der Eiche wurden zerstört und mit der Eiche erlebten sie den Untergang durch Feuer. Die Priester, denen man habhaft werden konnte, verloren ihr Leben. Raubend, sengend und plündernd zogen die christlichen Scharen durch das Samland bis vor Rudau.  Hier stellte sich eine größere Streitmacht der Prussen dem Kreuzheer zur tapferen Gegenwehr. Obwohl die Prussen ihre Waffen geschickt einsetzten, war die Übermacht der christlichen Streiter zu groß und deren gepanzerte Reiter war von vernichtender Wirkung. Die Prussen gaben nun auf und ließen sich taufen. Auch die anderen Stämme der Prussen gingen zur Taufe. Eine Handvoll Wasser rettete vor erbarmungsloser Vernichtung, vor Mord und Brand. Die Hauptsache, man blieb am Leben. Und es ließ sich nicht schlecht leben, als Getaufter: man behielt seine persönliche Freiheit, seinen Besitz und sein Gut, man konnte sogar seinen heidnischen Namen behalten.

Welches sind nun die Gründe dafür, dass das Prussenvolk nach fünf Jahrzehnten erbitterter und tapferer Gegenwehr ein geschlagenes Volk war?


   1.   Bei den Prussen hatte sich in vielen Jahrhunderten der Nichtbedrohung die Überzeugung

         gebildet, dass ihre Welt unveränderlich sei.

   2.   Es gab bei ihnen keine Zentralgewalt, die den Zusammenhalt der elf Stämme hätte bewirken

         können und in Krisenzeiten die Führung hätte ausüben können.

   3.   Die Fehleinschätzungen des deutschen Gegners, dessen Planungen anders wie bei den

         Masowiern entwickelt wurden, wirkte sich verhängnisvoll aus.

   4.   Es fällt auf, dass kein zentraler Aufruf des Griwe zur Abwehr der Ordensangriffe bekannt

         geworden ist, auch die Berichterstatter haben ihn verschwiegen.


Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in einer Zeit, als es darauf ankam, den Prussen das Bewusstsein, ein Volk zu sein, fehlte, eine Nation zu sein, die stark genug war, sich fremdem Willen erfolgreich zu widersetzen.

Nach: Geschichte des Kreises Rosenberg
Baumann "Die Prussen"


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.