Die Ordensburgen und ihre Bedeutung

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen



Hermann von Salza - Hochmeister 1226 (G. Templin)

Im Jahre 1230 begann der von Hermann von Salza beauftragte Landmeister Hermann Balk mit nur wenigen Ordensbrüdern und Begleitung den ungleichen Kampf in Preußen; denn der kleinen Mannschaft um Balk stand das kriegstüchtige Volk der Preußen gegenüber. Der Kampf begann mit der Anlage wehrhafter Stützpunkte, von denen aus das Land schrittweise besetzt und besiedelt wurde. Die Deutschen Ordensritter legten von Thorn aus an der Ostseeküste ostwärts planmäßig eine Reihe von Burgen an, von deren Basis aus sie ins Land eindrangen. Von 1230 - 1260 hatten sie auf diese Weise den größten Teil des Preußenlandes in ihre Gewalt gebracht. 

Man darf sich diese Wehranlagen nicht als ausgebaute Burgen vorstellen. Balk setzte 1231 bei Nessau (Nähe Drewenzmündung in die Weichsel) über die Weichsel und richtete die erste Befestigung auf einer großen Eiche ein, die auf einem Hügel stand und auf deren Ästen man Erker mit wehrhaften Zinnen baute. Der Hügel wurde mehrfach durch Palisaden abgesichert. Es war mehr ein Ausguck. Aber auch eine Vorburg für die schutzsuchende Bevölkerung wurde eingerichtet. So, oder ähnlich, wurden auch die anderen Burgen zuerst angelegt. Man übernahm auch eroberte Burgen der Prußen, z. B. Balga am Frischen Haff, Marienwerder, Riesenburg und baute sie aus.



Baumburg bei Thorn-Nessau 1231 (G. Templin)

Die ersten Erfolge, mit einem schwachen Ordensheer von etwa 29 Ordensrittern, einigen dienenden Brüdern und einer Kreuzfahrergruppe, die erkämpft worden waren, reizten die Prußen zu erbittertem Widerstand. Ein größeres Heer wurde angefordert. Es entbrannten heftige Kämpfe. Nach und nach wurden Städte und Burgen gegründet, Komtureien eingerichtet.



Die Ordensburg Gollub am nördlichen Drewenzufer, um 1300 (G. Templin)

Für eine Burg war der Schutz nach außen sehr wichtig. Sie musste auf einem Hügel stehen oder an einem See oder Fluss liegen, um auch auf dem Wasser Transportmöglichkeiten zu haben. Zunächst baute man Holzhäuser, versehen mit Wällen und Pfahlwerk, wie es auch die Prußen taten. Erst nach 1270 wurde auch mit Steinen gebaut. Natürliches Gestein gab es wenig und so baute man meistens nur die Fundamente damit.



Burgruine Alt Christburg (G. Templin)




Alt Christburg (G. Templin)

An der Ostsee gab es mehr Gestein. So ist es auch erklärlich, dass die Burg Balga - aber auch andere wie Papau im Kulmerland - aus Naturstein gebaut waren. Die Anbauten erfolgten aber in Backsteinen. Die Steine wurden in ordenseigenen Ziegeleien hergestellt. Der Backstein hatte einheitlich feste Abmessungen: 30 cm lang, 15 cm breit und 9 cm hoch.

Die Burgen wurden meist rechteckig angelegt. Der Aufbau war fast einheitlich, je nach Bedarf. Später kamen Erweiterungsbauten hinzu, z.B. Wirtschaftsgebäude. Die imposanten Bauten, die in Backsteingotik gebaut wurden, waren gleichzeitig Burg und Kloster. Die Geistlichen waren Priesterbrüder und man nannte sie auch schon damals "Pfaffen."



Ordensburg Rehden 15 km von Graudenz, um 1234 (G. Templin)

Der Komtur und der Bischof hatten Vorrangstellungen. Sie hatten auch deshalb künstlerisch ausgestattete Räume. Fast alle Räume besaßen Gewölbe, Sterngewölbe, Netzgewölbe, usw.. Die Fenster waren sehr schmal und dienten gleichzeitig als Schießscharten, aus denen im Notfall auf die Angreifer kochendes Pech herabgegossen wurde. Die Türme, die sehr hoch waren, dienten zu Wehrzwecken. Der Hauptturm wurde Bergfried genannt, der meistens auf der Angriffsseite stand, wie wir es später auch bei den Wehrkirchen haben. In den kleinen Türmen waren Glocken angebracht, die als Warnanlage und auch zum Gebet riefen. Nahe der Burg lagen neben der Mühle ein Backhaus und das Spital. Alles zusammen ein kleines Festungswerk.



Ordensburg Schwetz an der Einmündung des Schwarzwassers in die Weichsel (G. Templin)

Beim Bau der Burgen verwandte man zwei verschiedene Baumuster und zwar einmal abwechselnd 2 Läufer und 1 Kopf oder Kopf und Läufer abwechselnd. Für die Gewölbe wurden Formsteine hergestellt. Evtl. Stützpfeiler wurden so schlank wie möglich gehalten (siehe die Remter in der Marienburg). Kunstvolle Tonnengewölbe, Kreuzgewölbe mit Grat, verschiedene Gewölbearten mit Rippen und sogar Palmengewölbe, wie im Rittersaal der Marienburg, machten die Räume zu Kunstwerken (Anm. Beim Wiederaufbau der Kirchen nach dem zweiten Weltkrieg, wie z.B. Aufbau der Marktkirche in Hannover, holte man sich Mauerer, die aus dem Osten kamen und mit Backsteingotik und Gewölbe vertraut waren).



Die Südostecke der Ordensburg Schönberg, erbaut 1306 - 1386 (G. Templin)




Zugbrücke und Toreinfahrt der Ordensburg Schönberg um 1400 (G. Templin)




Die Hofseite der Ordensburg Schönberg mit dem Uhrturm (G. Templin)




Die Ruine der Ordensburg Schönberg - bei Deutsch-Eylau nach der Zerstörung (G. Templin)

Der Bau der Marienburg geht ins 14. Jahrhundert zurück, während das Hochschloss von 1276 - 1300 entstand. Einige Burgen hatten auch einen "Danzker", der immer über einen Fluss oder Wasserlauf ging. Es war die Abortanlage der Burg. Dieses Gebäude wurde oft auch als Gefängnis benutzt.



Die Ordensburg Marienburg um 1309 (G. Templin)

Den Zugang zur Burg oder zum Schloss bildete meist eine Zugbrücke, und das Tor war durch ein Fallgitter gesichert. Zu den Burgen gehörten sogenannte Vorburgen, die mit starken Mauern und Türmen versehen waren, die der Verteidigung dienten. Im Innenhof wohnte das Gesinde, es gab Stallungen, Waffenkammern und auch Unterkunftsräume für die Söldner, Kreuzfahrer und flüchtende Landsleute.

Die Marienburg war die Zentralstelle der gesamten Verwaltung des Ordens. Das Verwaltungsgebiet war in Komtureien aufgeteilt, die unseren heutigen Kreisen ähnelten. Der spätere Kreis Rosenberg gehörte damals z. T. zur Komturei Christburg  und ein Teil zu Osterode. An der Spitze stand der Komtur, der meistens 12 Ritter auf seiner Burg hatte, die gleichzeitig Ordensbeamte waren (Zahl der Jünger Jesu). Die meistern Komtureien zerfielen in kleinere Bezirke, welche von Vögten, Pflegern, Waldmeistern und Fischmeistern verwaltet wurden. So gab es einige Ämter, die man doch noch nennen sollte: Kelleramt, Pferdemarschall, Viehamt, Steinamt, Tempelamt (Lebensmittel), Traperie (Bekleidungsamt), Küchenamt, Schuhamt, Schnitzamt (Waffenmeister) usw..

Interessant sind auch hierbei die Zahlungsmittel. Dann gab es noch zwei Großschäffer, die in Marienburg und Königsberg saßen. Sie hatten den ganzen Handel mit Europa unter sich, z. B. Getreide, Wachs, Felle, Bernstein. Sie regelten auch die Einfuhr für benötigte Waren.

Neben den Rittern waren auf den Burgen: Halbritter, Knechte, Söldner und Priesterbrüder. Die Krankenbetreuung wurde durch Ordensschwestern getätigt.

Wie verlief das ritterliche Leben auf den Burgen? Die Räume waren nach einem feststehenden Schema ausgelegt. Das etwa 50 x 60 m messende Kastell mit dem fast quadratischen Innenhof umfasste 4 Flügel. Im nördlichen, in dem sich das Eingangstor befand, lagen die Kapelle und der Kapitelsaal, im südlichen der Konventsremter genannte Speisesaal, im östlichen die Schlafräume, im westlichen die Komturswohnung und unter ihr die Konventsküche. Wie schon erwähnt, bestand ein Konvent aus 1 Komtur und oft aus 12 Ordensbrüdern. Auf der Marienburg betrug ein Konvent 45 Ritter und 15 Priesterbrüder. Die Zahlen schwankten im Laufe der Zeit sehr.

Ihr Leben richtete sich streng nach den Ordensregeln. Drei Dinge verlangte die Regel der Brüder vom Deutschen Haus, Sankt Mariens Dienstmann: "Ewige Keuschheit, Gehorsam bis in den Tod und Armut." Selbst die Meister des Ordens hatten keine Gewalt, jemand von diesen drei Dingen zu lösen.



Die Ordensritter (G. Templin)

Wie die Ordensburgen zugleich Klöster und Burgen waren, so waren die Ordensbrüder gleichzeitig Mönche und Streiter Gottes. Außer den "Regeln" gab es noch Gesetze und Gewohnheiten, die das Leben der Ritter genau regelten. Neben dem Kampf gegen die Ungläubigen, war die Krankenpflege eine besondere Aufgabe. Morgens um 6 begann schon die Morgenandacht, die Gebete wiederholten sich im Abstand von 3 Stunden bis zur Abendandacht. An allen Feiertagen zu gewissen Zeiten des Kirchenjahres sollten sich die Brüder geißeln. An jedem Sonntag fand ein Kapitel statt, d. h. eine Zusammenkunft aller Ordensbrüder, bei der alle Angelegenheiten besprochen und auch Strafen verhängt wurden. Der Hochmeister hielt jährlich ein großes Kapitel auf der Marienburg.

Die Schlafordnung bestimmte: "Alle gesunden Brüder schlafen an einem Ort zusammen. Wenn sie schlafen, sollten sie liegen gegürtet auf ihrem Hemd und in ihren Unterkleidern schlafen, wie es wohl geistlichen Leuten geziemt. Kein gesunder Bruder soll liegen auf Federbetten und Matratzen."

Auch das Einnehmen der Mahlzeiten war geregelt: "Der Meister und alle gesunden Brüder sollen sitzen an des Konvents Tafel und sollen da genießen gleiches Essen und Trinken." Beim Essen war Stillschweigen geboten. Es wurde aus geistlichen Schriften vorgelesen. Nur wenn Gäste anwesend waren, und an Festtagen, wurde das Stillschweigen aufgehoben.

Am Abend saßen die Ordensbrüder bei Unterhaltung und Spiel in der Herrenstube beisammen, Kartenspiel war nicht gestattet. Nur bei festlichen Anlässen ertönte Musik von der Empore. Es wurde von Freundschaft und Waffenkameradschaft berichtet. Kasteiungen und Bußübungen wurden sehr ernst genommen.

Zur Aufrechterhaltung der Disziplin war eine Strafordnung nicht zu umgehen. "Die Meister sollen zwei Dinge in sich vereinigen: Mildiglich ratende Barmherzigkeit und gerechte, rasche Züchtigung." Bei kleiner Schuld war die Strafe verhältnismäßig niedrig, wenn der Schuldige sich selbst anzeigte, was vor Meister bzw. Komtur und Brüder erfolgen musste, d. h. vor dem Kapitel. Unterließ er es, traf ihn eine härtere Strafe. Die Art der Bestrafung war je nach dem Vergehen abgestuft. Sie bestand in Haft, Geiselhaft, Jahrbuße, ewigem Gefängnis und Ausstoß aus dem Orden. War die Schuld sehr groß, wurde der Schuldige von der brüderlichen Gemeinschaft abgesondert. Man aß nicht mit ihm an einem Tisch. Bei der Jahresbuße durfte der Bestrafte ein Jahr lang nicht den Rittermantel tragen, musste mit den Knechten Dienst tun und war aus der Konventsgemeinschaft ausgestoßen. In der Westwand der Schlosskirche lagen kleine Büßerzellen, von denen aus die Büßer am Gottesdienst teilnahmen. Durch Gucklöcher konnten sie den Altar sehen. Zu den schwersten Vergehen gehörten Feigheit, Verrat und Glaubenszweifel. Ständig standen die "Briefschweiken," d. h. die Botenpferde, in den Ställen bereit. In kürzester Zeit konnte beispielsweise eine Nachricht von Marienburg nach Königsberg  übermittelt werden.

Bei gewissen Anlässen erhob sich die Hauptburg der Marienburg über die Ordensburg hinaus, so etwa bei der feierlichen Aufnahme neuer Ordensritter und bei der Hochmeisterwahl, für welche Fälle ein bestimmtes Ritual vorgeschrieben war. Diese Ereignisse waren stets mit feierlichem Gottesdienst verbunden und fanden in der Schlosskirche und Kapitelsaal statt.

Bleiben wir noch etwas bei der Marienburg. Das Mittelschloss war eigentlich die Vorburg zur Hauptburg. Es beherbergte die Regierung und war in Gestalt eines Hufeisens um einen großen Hof angelegt. Betrat man das mehrfach gesicherte Tor von Norden her, dann war zur Linken die Großkomturei. Der Großkomtur war ungefähr mit einem Regierungschef, einem Kanzler vergleichbar. Aber mit diesem Vergleich muss man vorsichtig sein, vieles war gar nicht so starr geregelt und unterlag auch Veränderungen. Er vertrat den Hochmeister und führte die Regierungsgeschäfte. Dort waren auch die Regierungsbeamten und Verwaltungsleute. Zur rechten Seite lag die Firmarie und das Hospital für die kranken und altersschwachen Ritter. Dort gab es auch Dampfbäder und andere Bäder zur Behandlung der Kranken. An die Firmarie schloss sich im rechten Winkel der Hochmeisterflügel an. Der große Festsaal 15 x 30 m war des "Meisters Großer Remter" mit Küche und Nebenräumen. Mit seinen 3 schlanken Granitsäulen und fächerartigem Gewölbe und feinen Rippen stellte er den Höhepunkt der Ordensarchitektur in seiner Blütezeit dar. Hier fanden Festlichkeiten, wie Empfänge statt. Darunter befanden sich Ritter und Fürsten aus anderen Nationen z. B. England und Frankreich, die sich im Dienste des Ordens den Ritterschlag erwarben.

Daneben war die Hochmeisterwohnung mit ständiger, ritterlicher Wache. Eine eigene Kapelle und Kaplan nebst Dienerschaft standen ihm zur Verfügung. Darunter befand sich auch der Heizer des Schlosses, der "Stubenrauch."  Die Hochmeisterwohnung wie auch die Hauptburg, besaßen Luftheizungen nach Art der römischen Heizanlage.

Im Bereich es Hochmeisters herrschte rege Tätigkeit. So kamen Gebietiger, Komture und Gesandte an, die empfangen wurden. Geistliche, Würdenträger und vornehme Gäste erschienen. Bei der bekannten Schnelligkeit in der Ausführung aller Ordensangelegenheiten muss es ein äußerst intensiver Betrieb gewesen sein. Gegenüber dem Palastflügel lagen Gastkammern. Im Innern zog sich ein langer Flur entlang, von dem die Räume der Gäste zugänglich waren. Im oberen Geschoss waren die Wirtschaftsabteilung und die Wohnräume der Dienerschaft.

Der umfangreichste Wirtschaftsbetrieb der Burg spielte sich in der Vorburg ab. Es war dort wie in einer großen Stadt. Das Zeughaus mit den schweren Waffen, das Schnitzhaus, in dem Armbrüste, Helme, Lanzen und Waffen hergestellt wurden, dann die Steinmetzwerkstatt, die Landwirtschaft mit Stallungen, Scheunen und Speichern. Auch in der Vorburg herrschte Zucht und Ordnung. In der Lorenzkapelle beim Gottesdienst saßen Frauen und Männer getrennt. An die Kapelle schloss sich die Brauerei und die Mälzerei an. Ging man durch das Lorenztor, gelangte man zum Landeplatz der Schiffe an der Nogat. Die Vorburg hatte auch eine eigene Verwaltung. Welche gewaltige Leistung bedeutete es, einen so großen Komplex von Gebäuden zu errichten.

Es gab auch kleinere Burgen, die strategischen Zwecken dienten. Im Kulmer Land hatten wir einige davon. Vielleicht hätte die Schlacht von Tannenberg 1410 einen anderen Verlauf genommen: Das Ordensheer hatte sich in der Nähe von Kauernik (in der Nähe von Neumark/Löbau) hinter den Drewenzhöhen versammelt und zwar zum Schutz vor Überraschungsangriffen. Polnische Reiter stießen bei Kauernik auf Vorposten des Ordensheeres und merkten, dass hier eine Überquerung der Drewenz nicht möglich war. Das Polenheer schwenkte deshalb in Richtung Soldau ab. Das Ordensheer überschritt die Drewenz in Richtung Löbau, wo der Hochmeister nachts erfuhr, dass das polnische Heer und die Litauer Gilgenburg erstürmt hatten. Er führte sein Heer in Gewaltmärschen in Richtung Tannenberg, wo er mit seinen übermüdeten Kriegern  in die Schlacht ging und trotz anfänglichen Erfolgen später verlor.



Die Burgruine Kauernik (G. Templin)

Der Orden baute aber nicht nur Burgen, sondern in den vielen neuen Stadtanlagen auch Wehrkirchen, von denen später einmal berichtet werden soll.

Copyright: Gerhard Templin & Christa Mühleisen