Das Osterfest in unserer Heimat

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen

Genauso schön wie der Advent und Weihnachten war bei uns im Kreis Rosenberg auch die Osterzeit. Die Sitten und Gebräuche des Oberlandes galten auch für uns. Die Tage bis Ostern wurden gezählt. Der Schnee fing an zu schmelzen und man hörte hier und dort die Lerchen und auch andere Vögel singen und an den Teichen und Seen blühten die silbergrauen Kätzchen. Bereits 3 Wochen vor Ostern wurden die ersten Birkenreiser geschnitten, die für einen Osterstrauß, aber auch zum "Schmackostern" Verwendung fanden.



Gartenbestellung (G. Templin)

So richtig festlich wurde es erst mit dem Palmsonntag, denn da fanden die ersten Konfirmationen der protestantischen Gemeinden statt. Die Kirchen waren mit Weidenkätzchen und ersten Birken geschmückt. Nach dem Gottesdienst gingen die Mädchen in ihren weißen Kleidchen spazieren, auch wenn sie noch so froren, während die Jungens mit ihren langen Hosen sich bereits als rechte Männer fühlten.



Frühjahrsschafschur und Sämann (G. Templin)

Es begann die Karwoche oder auch "Stille Woche" genannt. Das Großreinemachen war schon vor Palmsonntag erledigt. Lautes Singen, lautes Spielen und auch die Tanzvergnügen waren untersagt. Für uns Kinder war es eine sehr lange Zeit. Meine Großmutter, die eine fromme Frau war, erzählte uns von dem Leiden Jesu, das er in dieser Woche erleiden musste. Auch mit dem Essen ging es karg zu. Wieweit wir Kinder dieses alles verstanden, glaube ich kaum, obwohl meine Mutter uns alles sehr nahe brachte und wir uns die Worte einprägten.

Der einzige Lichtblick für uns Kinder war das Kuchenbacken vor Ostern, das musste bis zum Mittag des Gründonnerstag fertig sein. Naschen konnte man wenig. Wir aßen zu Mittag eine Kartoffelsuppe mit den ersten Frühlingskräutern. Am Nachmittag gab es Gründonnerstagkringel, es waren Brezeln mit Marzipan und mit Mandeln und Zuckerguss bestreut, bzw. bepinselt, die meist beim Bäcker gekauft und selten selbst gebacken wurden. Marion Lindt hat uns die Herstellung in ihrem Buch "Ostpreußische Spezialitäten" überliefert.

Der Karfreitag war ein strenger Fastentag, in den evangelischen Gegenden Ost- und Westpreußens, oft noch strenger als in den katholischen. Fleisch gab es da auf keinen Fall, nur Fisch oder Eier oder eine andere Fastenspeise. Die älteren Leute fasteten bis zum Abend, wie auch meine Großeltern. An diesem Tag begann auch der Osterhase seine Arbeit bei uns. Es wurden Eier gekocht und gefärbt. Außer den "Braunschen Eierfarben" wurden viele Eier mit natürlichen Mitteln gefärbt, so mit grüner Saat oder Zwiebelschalen. Mit einer Nadel wurden oft Muster in die Schalen gekratzt, bemalt oder mit Abziehbildern versehen.



Die Osterhasen auf dem Weg nach Rosenberg (G. Templin)




und nach Backnang, ins Land der Schwaben (G. Templin)

Auch die Natur zeigte sich von ihrer besten Seite. So sah man den Seidelbast, die Leberblümchen und Buschwindröschen blühen. Die Tische wurden damit festlich verziert. Inzwischen waren auch die Birken aufgebrochen und ein Osterbusch wurde in eine Vase gestellt. Mit ausgepusteten bemalten Eiern und kleinen Küken bildete er eine schöne Dekoration in den Zimmern. Es galt nur noch den Ostersonnabend mit Würde zu überstehen, dann war Ostern.

Frühmorgens hörte man die Glocken der Kirchen weit über das Land läuten. Die jungen Mädchen gingen schon vor Sonnenaufgang Osterwasser aus einem Bach holen. Wenn sie sich damit wuschen, wurden sie hübsch und blieben das ganze Jahr gesund. Aber - sie durften die ganze Zeit über kein Wort sprechen. Sonst hatte das Wasser seine Zauberkraft verloren.



Mädchen holt Osterwasser (G. Templin)

Wir Kinder wachten schon sehr früh auf. Es wurde ein festlicher Kaffeetisch gedeckt und Rühreier mit Speck, Schinken und Zwiebeln und Schnittlauch wurde gegessen. Natürlich durfte der Kuchen nicht fehlen.

Angeblich sollte man in der Sonne ein Osterlamm springen sehen. Ich bildete mir dieses auch ein. Nach dem Kirchgang und Mittagessen, zu dem es Lammbraten gab, ging es hinaus in die Natur. Nun durften wir wieder nach Herzenslust spielen. Mir kommt es so vor, als ob in meiner Kindheit an Ostern immer die Sonne geschienen hat.




Der zweite Feiertag war natürlich der Höhepunkt. Wir Kinder wachten noch früher auf, als am Morgen davor.  Heute wurde "schmackostert". Wehe,  wenn man noch im Bett lag. Der Bettzipfel am Fußende des Bettes wurde hochgehoben, und mit grünen Birkenruten, oft auch Kaddigzweigen, wurde auf die nackten Beine geschlagen, bis man ein Lösegeld in Form von Ostereiern oder ein Geldstück erhielt. Dazu wurde ein Sprüchlein gesungen: "Ostern, Schmackostern, gib Eier, gib Speck, eher lauf ich nicht weg."

In den Städten spielte sich diese Zeremonie im Freundeskreis- oder Verwandtenkreis ab. Jedoch auf dem Lande gingen die Kinder von Tür zu Tür mit ihren Körbchen. Anschließend fand dann das große Eiersuchen im Garten, im Wald oder bei schlechtem Wetter in den Wohnungen statt. Hier waren in den versteckten Nestern nicht nur gefärbte Hühnereier, sondern welche aus Marzipan, Schokolade und Gelee. Ein Osterhase aus Schokolade war selbstverständlich auch dabei. Aber auch das Osterwasser für den Vater in Form von Eierlikör oder Weinbrand durfte nicht fehlen.





Heute verliert das Osterfest durch materielle Geschenke seinen Wert und Sinn. Der Wohlstand hat uns fest in seinen Händen. Denkt einmal nach und besinnt Euch wieder.


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.