Das Pfingstfest in der alten Heimat

von Gerhard Templin

Bearbeitung: Christa Mühleisen


3 Tage vor Pfingsten sprach mein Vater immer die Worte: "Pfingsten kam und wurde nicht gefeiert." Er erinnerte uns immer an die Pfingstfeste im Ersten Weltkrieg. Aber nach dieser schrecklichen Zeit begann wieder eine Neue. Wenn auch die zwanziger Jahre recht düster waren, so feierten wir doch Pfingsten nach alten Sitten und Gebräuchen. Schon vom Himmelfahrtstag an - der Tag der wandernden Turner und anderer Vereine, wie z. B. der Gesangverein in Deutsch Eylau, ging es hinaus in Gottes schöne, weite Welt. Auch das Musikkorps der Wehrmacht und die Liedertafel machten im Waldschlösschen ein Konzert. In der Zeit vor dem Pfingstfest wurden die Wohnungen oder Häuser vom Boden bis zum Keller geputzt.




Familie beim Ausmaien und Malern (G. Templin)

Das zeigt nicht, das alles vorher unsauber war. Nein, dieses Fest war etwas besonderes. Man ging in den Wald und holte Birkengrün. Die Haustüren wurden damit geschmückt. "Ausmaien" nannte man diesen Schmuck mit frischem Laub. In den Städten wurde Birkengrün vom Pferdewagen verkauft. Mein Großvater fuhr mit uns Jungens einen Tag vorher mit seinem Ruderboot auf den Geserichsee. Er kannte die sumpfigen Stellen und holte Calmus (ein Aronstabgewächs). Für Küche und Flur schnitt man die Stiele in kleine Stücke und verstreute sie an den Wandseiten. In den übrigen Räumen stellte man ganze Stiele in die Fensternischen und Bilder. Die ganze Wohnung hatte einen lieblichen Duft. Calmus hat auch heilende Wirkung. Zum Baden für schwächliche Kleinkinder kochte man diese Stiele, die Wirkung soll sehr gut gewesen sein. Sogar die Lokomotiven und Türen der Personenwagen der Züge waren mit Birkenlaub geschmückt, gleichfalls die Kutschen und sonstigen Fahrzeuge.




Eine kleine Gärtnerin bei der Arbeit (G. Templin)

In diesen Tagen kam das Vieh auf die Weide. Beim ersten Austrieb sprangen die Fohlen und Kälber über die Stallschwelle, unter der man eine Axt oder Beil gelegt hatte, also Stahl. Nun waren sie gegen Blitz geschützt und gegen Krankheit und Unbilden trugen sie an der linken Halfterseite ein kleines rotes Bändchen - Bannmal. In manchen Gegenden fand auch eine Feldbesichtigung zu Pferde statt (Ritt um die Grenze), man nannte es Bannritt, wobei die Saaten, Wiesen und Weiden bei einem anschließenden Umtrunk diskutiert wurden. Aber auch für die Mädchen gab es etwas Besonderes. So stand oft am Pfingstmorgen ein Stab mit einem Busch Birkengrün vor dem Fenster der Angebeteten. In der Stadt kannte man diesen Brauch weniger, aber auf dem Dorfe gab es diesen Brauch schon.

Pfingsten war meistens herrliches Sonnenwetter, und so manche Kutschfahrt ging hinaus in Wald und Flur. Wiesen, Weiden und Bäume sowie Sträucher waren schon saftig grün. In den Gärten blühten die Kirschbäume, und am strahlendblauen Himmel sangen die Lerchen, die nur vom Glockenklang der Kirchen übertönt wurden. Dort war es heute besonders feierlich: denn die meisten Taufen fanden bei uns an Pfingsten statt. Selbst die Lieder, die bei den Andachten gesungen wurden, waren freudig z. B. "Geh aus mein Herz und suche Freud" oder "Schmückt das Fest mit Maien, lasst Blumen streuen." Ich bin sonst kein Freund von frommen Sprüchen, aber wenn man am Pfingstsonntagmorgen die feierlich aussehenden Menschen sah, dann überkam einen doch eine frohe Stimmung.

Die Männer noch ein wenig ernst, aber die Frauen und Mädchen mit fröhlichen Mienen. Ja, selbst die alte Oma mit Enkeltochter am Arm macht heute ein frohes Gesicht, wenn sie zum Gottesdienst gingen. Die Kirchen waren heute gut gefüllt. Aber am fröhlichsten waren die Kinder, die auf den saftigen Wiesen ihre Späße machten. Die kleinen Mädchen pflückten Blumen und machten davon Kränze für ihre Haare, auch wenn es oft nur Butterblumen waren. in ihren bunten Sommerkleidchen sahen sie recht niedlich aus. (siehe Bild).




Ein Blumenkränzchen wird aufgesetzt (G. Templin)

Von den restlichen Blumen wurde ein Strauß für die Mutter gemacht, denn die Mutter sagt immer: "Es tut den Blumen weh, wenn man sie abreißt und dann liegen lässt." Wo gibt es so etwas heute noch? "Schmückt das Fest mit Maien." Wir taten es alle, damals in unserer Heimat im geliebten Kreis Rosenberg.


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.