Die alten Prussen
von
Gerhard Templin
(Bearbeitung
C. Mühleisen)
Schon vor 1000 Jahren vor der
Zeitenwende war das Gebiet südlich der beiden Haffs zwischen Weichsel
und Memel von einem Volk bewohnt, das Tacticus "Aestier" nannte (obwohl er
nie dort war) und mit den Prussen identisch ist. Die Bewohner nannten
sich selbst Prusai.
Woher kommt der Name Prussen oder Preußen?
Dieses Wort stammt wahrscheinlich von dem Wort Prussia oder Prussin.
Diese Prussen wohnten unterhalb der Russen. Unterhalb heißt im
Polnischen "pod" und altpreußisch "po". Daraus hat
man ein Porussie gemacht, d. h. unterhalb der Russen wohnenden. In
meinem ersten Aufsatz über die Prussen habe ich ausführlich über das
Leben der Prussen geschrieben, aber vor dem Erscheinen des Ritterordens
ist doch etliches passiert.
Durch den ständigen Druck der
germanischen Völker, vor allen Dingen der Goten und Gepiden wichen die
Prussen bis in die Gegend des Oberlandes westlich von Allenstein
zurück. Nach dem Abzug der germanischen Völker nahmen sie wieder ihre
alte Stellung ein bis zur Weichsel und Kulmer Land. Es war keine
Gewaltanwendung. Im Rahmen der Völkerwanderung ging alles undramatisch
zu. Die Prussen wurden nur am Rande davon berührt. Allerdings haben die
Prussen von den Goten und Wikingern in kultureller Hinsicht viel gelernt
und sich auch vermischt, vor allen Dingen die adligen Herrschaften. Es
muss gerade ein besonderer Reiz von den Frauen und Mädchen aus dem
Samland ausgegangen sein, dass die Wikinger vergaßen, heimzufahren,
obwohl sie verheiratet waren. Es erfolgte auch ein geistlicher Aufbruch.
Man glaubte die Wiederkehr Christi stände bevor und man versuchte, das
Christentum in die prussischen Lande zu tragen. Bei den zwei
Missionsgruppen fanden beide Männer ein tragisches Ende. Es handelte
sich um Adalbert von Prag und Bruno von Querfurt. - Adalbert von Prag
begann im Süden des Samlandes zu missionieren. Die Prussen hörten ihn
an, aber dann wiesen sie ihn ab. Sie wollten ihn am anderen Tag nicht
mehr sehen, sonst würden sie ihn töten. Er zog sich mit den Seinen
zurück, geriet aber in einen geheiligten Wald und wurde am nächsten
Tag von einem Trupp mit einem Priester in der Nähe des Frischen Haffs
erschlagen.
Nach dem Tode der beiden Missionare erhielten die
Prussen wenig friedliche Art. es waren die Masowier, die immer wieder
die Prussen überfielen, um ihnen mit Gewalt die Lehre des Christentums
beizubringen. Der polnische Herzog von Masowien war ein radikaler
Herrscher auf dem Fürstenthron. Man nannte ihn auch "Westentaschen -
Nero", was noch milde ausgedrückt wurde. So ließ er Unschuldigen das
Augenlicht rauben, sie in Kerker werfen und dann erwürgen. Selbst die
polnischen Geschichtsschreiber haben keine guten Meinungen für ihn
übrig. (Von den nächsten Jahrhunderten liegen wenig Aufzeichnungen vor.
Die Aufzeichnungen der Polen dürften aus Sagen und Erzählungen
kommen).
Der Herzog von Masowien rief den deutschen Ritterorden
zu Hilfe gegen die wilden noch heidnischen Prussen. So steht es in den
Geschichtsbüchern von 1920-1990. Hier stimmt nur, dass die Prussen noch
keine getauften Christen waren. Im Gegenteil, die Prussen waren keine
beutehungrigen Wilden. Sie waren im Vergleich zu den Masowiern
wohlhabend, wenn auch nicht reich. Dass die Prussen ein kulturelles Volk
waren, sieht man an den Baben, die zu menschlichen Gestalten geformt
waren. Vielleicht waren sie Göttergestalten. Wir hatten im Kreis
Rosenberg (Mosgau) auch so einen Baben stehen. Man nannte ihn den
"Gotteslästerer von Mosgau". Viele Sagen gab es um ihn. (ca.
1,40 m groß). Er steht heute mich zwei anderen Baben in Danzig. Es sind
die einzigen Kulturgüter, die übrig geblieben sind. Die
Forscher datieren sie in das Jahr 1000. Die anderen
Kunsterzeugnisse wurden bei der Christianisierung zerstört.
"Der Gotteslästerer von Mosgau"
Steinbild, gefunden auf dem Acker des Herrn Loesdau, jetzt im
Museum in Danzig
Steinbild,
früher Grenzstein zwischen Rosenberg und Nipkau, jetzt im Museum in
Danzig
Nachdem die Masowier
immer wieder in Prussen einfielen, griffen nun auch die Prussen an. Es
kam zur Schlacht von Strasburg, wobei die Masowier das Weite suchen
mussten. Im Jahre 1230 sah sich der Herzog von Masowien gezwungen, das
Kulmerland abzutreten und den Orden um Hilfe zu bitten. Nicht als
Hilfstruppen sollte die Kreuzheere des Ordens kommen. Der Gedanke, einen
Staat zu gründen, lag nahe. Der Kaiser und der Papst traten dem Orden
das Kulmerland mit aller Gerichtsbarkeit ab. Schon im Herbst 1230 waren
Ordensritter an der Weichsel erschienen. Im Frühjahr 1231 setzte
Hermann Balk über die Weichsel. Er gründete zuerst die Burg Alt-Thorn
und dann planmäßig etliche Stützpunkte, wobei Thorn 1231 - Kulm 1232
- Marienwerder 1234 seine Hauptstützpunkte waren. Es begann ein Hauen
und Stechen zwischen den Prussen und dem Orden. Der Papst erließ an
Bischof Christian die Anordnung ergehen, die Führer der Kreuzfahrer
ernstlich zu belehren, welches eigentlich ihr Auftrag sei. Nicht zur
Verteidigung der Kirche und nicht die Heiden unter Knechtschaft zu
bringen. Nach der damaligen Zeit war ein Land mit einem heidnischen Volk
herrenlos. Mit einem herrenlosen Volk konnte der Kaiser machen, was er
wollte. Dem Herzog von Masowien fehlte die Kraft und Größe, um die
Prussen zu überwältigen. Es war ein polnischer Fürst, der die
Ordensritter zur Hilfe bat. Die Polen sprechen heute noch von den
"Kreuzrittern".
Der Kampf zwischen dem Orden und den
Prussen wurde immer stärker. Die Prussen nahmen die Kampftechnik und
Waffen des Ordens an. Der Orden holte gleich Siedler in das eroberte
Land. Es wurden sofort Rechte und Pflichten festgelegt.
Die
Bürger der Städte Kulm und Thorn erhielten am 28.12.1232 unter anderem
folgende Rechte:
-
Die Bürger wählen aus ihrer Mitte alljährlich
ihre obrigkeitlichen Personen und Richter.
-
Der Orden genehmigt nur solche Personen, die von
den Bürgern gewählt waren und den Absichten des Ordens
entsprechen.
-
Bei den Städten wird innerhalb ihrer
festgelegten Grenzen freies Jagdrecht und freier Fischfang
zugebilligt.
-
Die Bürger beider Städte erhalten das Recht der
Fähre über die Weichsel.
-
In Gerichtssachen soll das Verfahren nach dem
Magdeburger-Recht geordnet werden.
Es
wurden noch weitere Bestimmungen erteilt, z.B. über den
Erwerb von Grundstücken, Zahlungsmittel, Handel und Wandel und Abgaben
an den Bischof. Dafür konnten die Bürger sicher sein, dass ihnen der
Orden Schutz gewährte, wenn ihnen Unrecht drohte.
Der Orden
setzte vor allen Dingen in Pomesanien alle Macht an, die Prussen in die
Knie zu zwingen und so kam es im Winter zu den ersten Kampfhandlungen im
Gebiet von Resen (Riesenburg). Die größte Schlacht erfolgte in der
Nähe eines heiligen Waldes an der Sigurne. 5000 Prussen ließen ihr
Leben, aber auch 4000 Gegner gingen verloren. Es hieß, der Christengott
hat über die heidnischen Götter gesiegt. Aber der Orden war auch
angeschlagen. Er zog sich in das Kulmerland zurück. Die Prussen
rächten sich mit der Einnahme von Oliva. Ein Teil der Verteidiger und
Mönche wurden erschlagen.
Die
Ordensburg Rehden um 1234 (15 km von Gaudenz)
Hermann Balk baute nun die Burg Rehden stark
aus. Sie wurde ein Eckpfeiler für sein weiteres Vorgehen. Er kam so
nicht weiter, denn die Prussen waren hartnäckige Gegner. Der Orden
änderte nun seine Taktik, die die Prussen verwirrte, u.a. wurden nun
auch Prussen in den Spitälern des Ordens gesund gepflegt. Sie gaben
allmählich ihre Meinung, dass aller Segen von den heimischen Göttern
kommt, auf und öffneten sich dem Glauben an den Gott der Christen.
Durch die Pest im Jahre 1237 wurde die Entwicklung unterbrochen und die
Neubekehrten fielen wieder vom Christentum ab. Der Orden holte, um
wieder die Verluste auszugleichen, neue Siedler aus Deutschland. Der
Hass der Ordensritter wurde immer stärker. So gab es Kampfhandlungen im
Samland und Ostpreußen. Wir wollen uns aber auf den westlichen Teil
beschränken. - Fast 20 Jahre kämpften die Prussen - Stämme um ihre
Unabhängigkeit. Zum Schluss erlagen sie sehr geschwächt dem Orden und
fanden sich, obwohl sie kurz zuvor die Ordensritter bis nach Elbing und
Thorn zurückgejagt hatten, zum Friedensschluss von Christburg bereit.
Die unterworfenen Gaue Pomesanien, Pogesanien, Sassen, Warmien, Natangen
und das Bartenland, vertreten durch ihre Abgesandten, fanden sich zur
Verhandlung mit dem Orden ein. In einem Dokument, das nur noch in einer
Abschrift existiert, wurden die Bestimmungen für den Friedensabschluss
festgehalten. Die hauptsächlichsten Bestimmungen dieses Vertrages sind
folgende:
-
Wer die christliche Taufe ablehnt, wird von seinem Eigentum verjagt.
-
Wer die alten Feste noch feiert, oder Heidenpriester versteckt wird mit dem Tode bestraft.
-
Feuerbestattungen hoch zu Ross sind untersagt.
-
Den alten Bräuchen, u.a. dem Frauenkauf, der Vielweiberei und der
Leichenverbrennung sollte abgeschworen werden.
-
Verlangt werden: Regelmäßiger Kirchenbesuch, Heiligung der christlichen Feiertage,
Teilnahme an der Beichte, pünktliche Ablieferung des Zehnten.
-
Beschleunigt sollen Kirchen gebaut werden: in Pomesanien 13, Warmien 6, in Natangen 3.
Der Christburger Vertrag
enthält aber auch die Klausel: "Wer, Landschaften oder
Einzelpersonen, vom Christentum wieder abfällt, der Kirche oder dem
Orden den Gehorsam verweigert, der soll die versprochene Freiheit für
immer verlieren." Als sich 12 Jahre nach dieser Vertragsschließung
die Prussen zu ihrem großen Aufstand erhoben, erinnerte sich der Orden
dieser Klausel und verfuhr danach. Der "große Aufstand" sagte
der Orden, in den Augen der Prussen war es ein Freiheitskampf, den sie
zum großen Teil mehr als zwanzig Jahre lang führten. Liebe zu ihrer
Heimat und ein unabdingbarer Freiheitswille waren der Motor. Befestigte
oder asphaltierte Straßen für die Durchführung ihrer Marschbewegungen
gab es damals nicht, sondern nur einfache Wege durch die
Heidelandschaften und Moore. Sie hatten keinen Fuhrpark, mittels derer
ihre Kampfgruppen versorgt werden konnten. Dennoch dauerte ihr
Freiheitskampf über 20 Jahre.
Anbetung
im Hain von Romowe
Natürlich war ein Ziel des
Ordens der Angriff auf das zentrale Heiligtum in Romowe. Die
Götterbilder in der Eiche wurden zerstört und mit der Eiche erlebten
sie den Untergang durch Feuer. Die Priester, deren man habhaft werden
konnte, verloren ihr Leben. Raubend, sengend und plündernd zogen die
christlichen Scharen durch das Samland bis vor Rudau. Hier stellte sich
eine größere Streitmacht der Prussen dem Kreuzheer zur tapferen
Gegenwehr. Obwohl die Prussen ihre Waffen geschickt einsetzten, war die
Übermacht der christlichen Streiter groß und deren gepanzerte Reiter
waren von vernichtender Wirkung. Die Prussen gaben nun auf und ließen
sich taufen. Auch die anderen Stämme der Prussen gingen zur Taufe. Eine
Handvoll Wasser rettete vor erbarmungsloser Vernichtung, vor Mord und Brand.
Die Hauptsache war, man blieb am Leben. Und es ließ sich nicht schlecht
leben, als Getaufter: man behielt seine persönliche Freiheit, seinen
Besitz und sein Gut, man konnte sogar seinen heidnischen Namen behalten.
Welches
sind nun die Gründe dafür, dass das Prussenvolk nach fünf Jahrzehnten
erbitterter und tapferer Gegenwehr ein geschlagenes Volk war?
-
Bei den Prussen hatte sich in vielen Jahrhunderten der Nichtbedrohung
die Überzeugung gebildet, dass ihre Welt unveränderlich sei.
-
Es gab bei ihnen keine Zentralgewalt, die den Zusammenhalt der elf
Stämme hätte bewirken und in Krisenzeiten die Führung hätte
ausüben können.
-
Die Fehleinschätzung des deutschen Gegners, dessen Planungen anders
wie bei den Masowiern entwickelt wurden, wirkte sich verhängnisvoll
aus.
-
Es fällt auf, dass kein zentraler Aufruf des Griwe zur Abwehr der
Ordensangriffe bekannt geworden ist, auch die Berichterstatter haben
ihn verschwiegen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in
einer Zeit, als es darauf ankam, den Prussen das Bewusstsein fehlte, ein Volk
zu sein, eine Nation zu sein, die stark genug war, sich fremdem
Willen erfolgreich zu widersetzen.
Quellenangaben:
Müsse, Alfred: Die Geschichte des Kreises Rosenberg
Baumann: Die Prussen Kaufmann, K. J.: Geschichte der Stadt Rosenberg
Wpr. (Fotos der Steinbaben)
Templin, G.: 3 Zeichnungen
Copyright: Gerhard Templin & Christa Mühleisen
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