Schlachtefest in unserer Heimat
von
Gerhard Templin
Bearbeitung: C. Müheisen
Bei
Beginn der kalten Jahreszeit begann das große Schlachten auf dem Lande,
denn Vorrat musste für den Winter da sein. Es wurden nicht nur Gänse,
Puten oder Enten geschlachtet, sondern vor allen Dingen Schweine. Dafür
gab es Hausschlachter, die auf Anforderung zu den Bauern kamen und an Ort
und Stelle die Schweine schlachteten und verarbeiteten.
Zu den
eigentümlichsten Gestalten eines Ortes gehörte unter manchen anderen
auch der Fleischer Gustav Petereit, jener Alte mit dem runterhängenden,
verschnupften Schnurrbart und den ewig feuchten Augen. Er war, nachdem er
in Rosenberg ausgelernt hatte, in N. ansässig geworden und übte seit
dieser Zeit in dem ansehnlichen Dorf und dessen näherer Umgebung seinen
etwas blutigen Beruf aus. Als der "Fleescher" war er bei alt
und jung wohlbekannt. Dass er nicht nur sommerliche Kornusse, sondern auch
winterliche steife Grogs liebte, war nicht weiter verwunderlich; denn er
war ja ein echter Westpreuße. Aber dass er beides sehr gern mochte,
wirklich sehr, sehr gern, das muss besonders vermerkt werden. Trotzdem war
er kein Trinker. Schließlich konnte er doch nichts dafür, dass das Zeug so gut schmeckte.
Zu
Weihnachten des Jahres 1937 sollte er bei dem Bauern Fritz Weise ein
ansehnliches Dreieinhalbzentnerschwein schlachten, sozusagen eine kapitale
zartfleischige Sau, die durchaus keinen verantwortungsbewussten
Fortpflanzungssinn entwickeln wollte. Gustav Petereit war also gekommen
und arbeitete trotz seiner 67 Jahre noch immer sehr flink und gewandt.
Zwei "Klare" hatte er gleich zu Beginn der Arbeit genommen. Er
beteuerte dem Bauern und seiner Frau dann mehrmals, dass er schon lange
kein "so scheenes Schweinche nich jeschlachtet hätt". Und bald
hing der respektable Dreieinhalbender im Hausflur an einem Haken und nach
kurzer Zeit war die schweinehafte Leiche zerhackt und zerteilt. Zwei
weitere "Klare" waren inzwischen genehmigt worden. Übrigens
Schwanz und Ohren hatte er natürlich wieder für sich beiseite gelegt;
denn das gehörte immer ihm. Und wer ihm beides nicht gab, bei dem
schlachtete er sehr ungern.
Der
Fleischer bei der Arbeit (G. Templin)
Der Bauer Weise, der dafür bekannt
war, dass er oft tolle Zicken anriss, war unterdessen ins Dorf zur
Schmiede gefahren, hatte unterwegs im Gasthaus einige "Große"
auf den hohlen Zahn genommen und kam in vorweihnachtlicher Stimmung auf
den Hof gefahren, gerade als der Fleischer fertig geworden war und so
langsam ans Nachhausegehen dachte. Na, und Fritz Weise kam dann schon in
die Küche, lachend, strotzend vor Übermut, besah sich alles, witzelte
ein bisschen mit Gustav Petereit, pinselte ihm mit dem Schweinezagel etwas
unter der Nase umher und noch so allerlei übermütiges Zeug. Und dann
rief die Bäuerin schon den Fleescher, er solle noch Abendbrot essen
kommen. Fritz und Gustav, die sich duzten, gingen dann schon hinein in die
Wohnstube. Vorher hatte der Bauer seiner Frau noch schnell etwas
zugetuschelt und beide hatten darauf aufgelacht.
Beim
Abendbrot gab es ein paar Kornusse dazwischen und hinterher, und
Gustav wurde gesprächig wie ein Volksredner. Plötzlich ging dann die
Tür auf und die Bäuerin kam mit einem Tablett herein, auf dem zwei Glas
Grog dampften. Die Augen des alten Fleischers wurden vor Freude noch
feuchter. - Sie stießen dann schon an. Donnerwetter, der Grog war aber
süß! "Na, Mutter, Du hast e bisschen zu viel Zucker
rinjewichst", meinte der Bauer. Mutter Weise tat sehr erstaunt, ging
dann aber hinaus und kam mit einem Topf dampfenden Inhalts zurück. Man
goss zu. Der Bauer nur wenig. "Na, das schmeckt nu alll besser, was
Gustav?" "Jo, jo Fritzsche, aber verdammt, das is mich noch
ziemlich stark, weeßt?"
"So? Na dann gieß ma noch e
bissche Wasser zu!" Der Fleischer tat's, aber es schmeckte ihm nur
noch stärker und schärfer. Na, denn soll er nur noch mehr Wasser
zugießen, es müsste doch einmal gut werden. Petereits Gustav meinte, der
Grog werde immer stärker. Aber da war der Bauer fast erbost und erklärte
ihn für verrückt, wogegen Gustav sich anfangs sträubte. Aber dann
schien er, kopfschüttelnd, schon selber daran zu glauben. Und er
schüttelte immer mehr den Kopf über das geheimnisvolle Wasser, trank,
goss, goss und trank und erzählte dabei Wunderdinge aus seiner blutigen
Praxis. Und als er gerade von einem Fünfzehnenderborg erzählte, den er
nicht tot bekommen hatte, fiel er plötzlich vom Stuhl. Er war sozusagen
total befeiert.
"Aber Mensch Gustav, Du bist von einem Glas
Grog besoffe," rief der Bauer lachend...."Do- do do stemmt mich
was nich, nee nee Fritzche, Du Oosknohe, Du", murmelte der Fleischer
immer wieder.....Etwas stimmte natürlich auch nicht! In der Kanne war
nämlich kein heißes Wasser, sondern aufgekochter Arrak gewesen.
Auch
nach diesem Krieg, in den Jahren 1946-49 fütterten meine Eltern auch
jedes Jahr ein Schwein, dass in der kalten Jahreszeit geschlachtet wurde,
und es wurde auch Wurst gemacht. Später übernahm das Wurstmachen meine
Frau, die es ausgezeichnet verstand. Zum Wurstessen wurden immer
Heimatfreunde eingeladen. Einem Heimatfreund ging dann nie die Hose zu. Es
gab immer Leber-, Blut- und Grützwurst, ebenfalls Sülze, Mett und
natürlich Wurstsuppe. Natürlich war alles mit Majoran gewürzt. Dazu gab
es Doppelkorn und Bockbier. Unsere Gäste gingen immer frohgelaunt nach
Hause.
Quellenangabe: Roseberger Heimatkalender 1933-39.
Das Nutzungsrecht der Urheberrechte
an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an
Frau Christa Mühleisen übertragen.
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