Wo sind sie geblieben?

von Gerhard Templin

Bearbeitung C. Mühleisen


Dieser Aufsatz soll keine Verherrlichung des Soldatentums sein, denn heute gibt es noch den Beruf des Soldaten. Bisher hört und liest man zum großen Teil nur Negatives über den deutschen Soldaten der Vorkriegszeit. Politiker, Journalisten und Historiker kennen die Vorkriegszeit, d. h., von 1920 - 1939, nur vom Hörensagen. Die Kenntnisse sind mangelhaft.

Ich will heute über unsere alte Soldatenstadt Deutsch Eylau in den Friedensjahren berichten.

Das Land Preußen, Ost- und Westpreußen, ist während 700 Jahre seiner Geschichte von Deutschen gestaltet und geprägt worden, von Beginn des 13. bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Noch vor Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Burg an der Südspitze des Geserichsees errichtet. Ihre Aufgabe war es, die Enge zwischen der Drewenz und dem Geserichsee, das Einfallstor in Richtung Preußisch Mark, zu sichern. Deutsch Eylau beherbergte seit 1655 Soldaten. Sämtliche ostpreußischen Grenzstädte waren Soldatenstädte als Schutz gegen Polen. Das Verhältnis der Bewohner zum Militär war sehr gut und diese vielen Truppen hielten die Wirtschaft hoch.

1816 wird zuerst eine Kaserne erwähnt, bis dahin lagen die Soldaten in Privatquartieren. Vor dem 1. Weltkrieg lagen in der Stadt fast 4000 Soldaten. Die jungen Mädchen heirateten sehr oft die Längerdienenden.



Unteroffiziers-Casino des 1. Batl. Deutsch Ordens-Infanterie Reg. Nr. 152  -  13.07.1905 

(Sammlung Christa Mühleisen)




Garnisonlazarett in Deutsch Eylau  (27.09.1910)

(Sammlung Christa Mühleisen)

Nach dem 1. Weltkrieg erfolgte die Neuaufstellung der Reichswehr, wobei man die alten Garnisonstädte bevorzugte. Die Soldaten konnten ihre Dienstzeit zwischen 3, 6 und 12 Jahren wählen. Die letzten Jahre besuchten sie die Heeresfachschule, um sich auf den späteren Beruf vorzubereiten. Es war ein Berufsheer. Wir hatten in der Stadt 4 Kasernen, von denen 3 belegt waren (Blücher-, Yorck- und Hindenburgkaserne), während die alte Infanteriekaserne später neu eingerichtet wurde. Während der Reichswehrzeit lagen in Deutsch Eylau 800 Soldaten des 3. preußischen Infanterieregiments und zwar der Regimentsstab, das II. Batl., der Nachrichtenzug, die 13. Infantr. Geschütz Kompanie. Im Jahre 1936 wurden noch eine Panzerjägerkompanie und ein E-Batl. neu aufgestellt. Die letzten beiden Einheiten waren in der alten Infanteriekaserne untergebracht.



Alte Infanteriekaserne in Deutsch Eylau



Kasino des Inf.-Reg. Freiherr Hiller von Gaertringen in der Hindenburgstraße


Während in der Reichswehrzeit 800 Soldaten in Deutsch Eylau stationiert waren, waren es im letzten Krieg fast 3000. Die bekanntesten Regimentskommandeure waren vor dem Krieg die Obersten von Niebelschütz, Oberst Gabke, Oberst von Kortzfleisch und von Reibnitz.

Wohl war die Garnison bis 1932 ungeheuer zusammengeschmolzen, aber die Wirtschaftskraft, die von dem Berufsheer ausging, war infolge der höheren Besoldung der Mannschaften eine vielleicht gleich starke wie die der Vorkriegsgarnison (1. Weltkrieg). Blieb vor dem 1. Weltkrieg dem einzelnen Soldaten, sofern er nicht von Zuhause Zuschüsse erhielt, kaum Geld für größere Ausgaben, so stand dem Berufssoldaten auf diesem Gebiet etwas mehr Bewegungsfreiheit zu. Hinzu kam, dass ein großer Teil der Berufssoldaten verheiratet war und außerhalb der Kaserne wohnte. Jedenfalls war die Kaufkraft des einzelnen Soldaten bedeutend stärker als vor dem Krieg.



Artillerie-Offizierskasino in der Blücherstraße (20.08.1906)

Wie schon erwähnt war das Verhältnis zur Truppe immer gut, deshalb fühlten sich die Soldaten in der Stadt wohl. Als Reichspräsident und Generalfeldmarschall von Hindenburg seine Wohnung in Neudeck nahm, hatten die Soldaten der Garnsion oft Gelegenheit, ihn in der Nähe seines Gutes zu sehen.

Die Tanzlokale der Stadt waren immer gut besucht und auch in den umliegenden Dörfern spielten Angehörige des Musikkorps zum Tanz auf. Eine Besonderheit war immer am Neujahrsmorgen "das Große Wecken" mit einem Marsch durch die Stadt mit dem Spielmanns- und Musikkorps, ein Offizier zu Pferde und ein Zug Infanterie mit Stahlhelm und Gewehr.



Ausmarsch zum "Großen Wecken"




Gedenktag Inf. Reg. 59 mit den alten Fahnen des Regiments

Sonntägliche Platzkonzerte vor dem Rathaus, dem Markt oder im Winter auf dem Eis lockten viele Einwohner an.

Aber auch in dem Turnverein und Fußballklub (VFB) waren viele  Soldaten vertreten, die sehr viele Siege erringen konnten. So war auch mein späterer Kompaniechef, der in Deutsch Eylau zwölf Jahre gedient hat, der Torwart des VFB. Auch er war mit einer Deutsch Eylauerin verheiratet.

Auch bei Feiern in der Familie half die Wehrmacht. So konnte man Kutschen für Taufen, Hochzeiten und andere Feiern bestellen. So habe ich noch eine gute Erinnerung an die Taufe des jüngsten Sohnes von Oberst v. Kortzfleisch in der evangelischen Ordenskirche. Dieser Oberst war überhaupt ein angesehener und beliebter Offizier bei der Bevölkerung und seinen Soldaten. Die Soldaten mussten oft geschlossen zum Gottesdienst gehen. Es wurden aber auch Feldgottesdienste auf dem Sportplatz abgehalten, wo auch bei besonderen Anlässen der "Große Zapfenstreich" veranstaltet wurde. Da ich gegenüber der alten Infanterie- und Panzerjägerkaserne wohnte, habe ich das Leben und Treiben der Einheiten miterlebt. Ein großer Teil der Soldaten kam aus dem Rheinland und aus Baden. Sie hatten wohl ein anderes Temperament, passten aber mit uns Ostpreußen gut zusammen.

Im Sommer marschierten die Kompanien mit Gesang zum Schwimmen in die Militärbadeanstalt, denn jeder Soldat musste schwimmen können, doch etliche Soldaten aus dem Westen konnten nicht schwimmen, da mussten sie diesen Sport sehr oft an der langen Angel lernen. Es war dort ein fröhliches Treiben. In dieser Militärbadeanstalt, die neben dem Strandbad lag, waren auch sehr viele Paddel- und Segelboote und für den Winter Eissegelschlitten vorhanden. Zwei Europameister möchte ich erwähnen: Erstens Oberfeldwebel Poppeck und zweitens Hauptmann Tribukeit.



Eissegler der Wehrmacht auf dem Geserichsee


Aber nicht nur im Sommer war die Truppe aktiv, sondern auch im Winter mit der Ausgestaltung von Wintervergnügen und dem berühmten Weihnachtskonzert in der Stadthalle. Auch in den beiden Offizierskasinos ging es immer hoch her. Aber nicht nur zum Vergnügen waren die Soldaten hier, so machten sie ihre Ausbildung auf den großen Kasernenhöfen und dem großen Exerzierplatz am Rande der Stadt. Sehr oft wurden die Kompanien mit Marschmusik in die Kaserne gebracht. Einmal im Jahr fuhren sie ins Manöver oder nach Arys zum Scharfschießen.

Wir hatten in der 13. Kompanie (Minenwerfer) drei Onkel. Die Kompanie war ganz beritten. Wenn sie ausritten, erhielten sie immer von meinen Eltern eine große harte Mettwurst. Es gab in der Garnison noch eine Maschinengewehrkompanie und einen Regimentsreiterzug, die auch sehr viele Pferde hatten.


Inf. Reg. 3 in Deutsch Eylau beim Anmarsch zur Denkmalseinweihung des Inf. Reg. 59 auf dem Weg zum Sportplatz am Gymnasium. Der größere der beiden Jungen mit Schülermütze auf der rechten Seite bin ich mit meinem Bruder.


Einige Offiziere sind mir aus der damaligen Zeit noch in Erinnerung, neben den Regimentskommandeuren Oberst von Kortzfleisch und Oberst Reibnitz, die Btl. Kommandeure II. Bataillon, Oberstleutnant Becker und E. Btl. Oberstleutnant Wisotzki. Die Hauptleute Riebelsdorf, Vellay, Holsowski, Hammerschmidt, Markow, Fabian, Tribukeit, Sakowski, Grosser und Kandt. Sie alle hatten später höhere Dienstgrade oder sind gefallen.

Mit Begeisterung ging die Truppe nicht in den Krieg. Kurz vor Ausbruch des Krieges marschierte eine Einheit, es war das inzwischen aufgerufene Grenzwachregiment II, in den Abendstunden durch unsere Straße. Es waren alles alte Soldaten aus dem ersten Weltkrieg. Sie marschierten im ruhigen Gleichschritt und sangen das alte Lied "Argonnerwald um Mitternacht". Ich habe heute noch den Klang des Liedes und den Schritt der benagelten Stiefel in den Ohren. Man setzte sie zum Angriff auf Graudenz ein. Wo sind sie geblieben?

Dieser Zweite Weltkrieg veränderte alles und brachte auch für Deutsch Eylau und seine Garnison das Schicksal des Ostens. Aber die Soldaten, die einmal in Deutsch Eylau gedient hatten, werden die Stadt mit seinen Menschen und der herrlichen Umgebung immer in Erinnerung behalten.


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.