Trarira, der Sommer, der ist da.

Wir wollen in den Garten und wollen des Sommers warten.

Ja, ja, ja, der Sommer, der ist da.


von Gerhard Templin

Bearbeitung: C. Mühleisen

Oft denke ich an die schönen trockenen Sommer in unserer alten Heimat zurück. Vor allen Dingen an die Zeit bei meinen Großeltern, die im Kreis Mohrungen einen schönen alten Bauernhof hatten (ca. 150 Morgen, davon 20 Morgen Wald). Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass während er Erntezeit alle drei Töchter mit ihren Familien sich bei den Eltern einfanden, um bei der Ernte zu helfen. Es wohnte außerdem ein Landarbeiter mit seiner Familie dort.



Der Bauernhof der Großeltern (G. Templin)

Es war ein schönes Grundstück (siehe Bild) und es war "alles" vorhanden. Auf der linken Seite war der große Stall mit den Hühnern, Schweinen, Kühen und Pferden. Neben den drei Ackergäulen waren auch noch zwei Kutschpferde auf dem Hof, die aber später verkauft wurden, weil sie unrentabel waren. Mein Großvater war eigentlich ein Pferdenarr. Er stammte von einem großen Bauernhof aus dem Kreis Pr. Holland, deshalb auch seine etwas breite Aussprache. Geradeaus war die Scheune mit dem Storchennest.



Störche auf dem Scheunendach

Auf der rechten Seite war die Remise mit Wagen, Schlitten und Ackergeräten, daneben ein Haus für die Gänse und Puten. Hier waren einige Truthähne, vor denen ich ziemliche Angst hatte. Außerdem bevölkerten Tauben und zwei Hunde den Hof. Ein Backofen und Brunnen sowie das Wohnhaus mit Garten rundeten das Bild ab. Gleich hinter der Scheune war der Rossgarten für Pferde und Gänse.



Der stolze Hahn inmitten seiner "Damen" und anderem Geflügel (G. Templin)

Da ich zu meinem Großvater ein gutes Verhältnis hatte, durfte ich immer die Pferde holen und fuhr mit ihm alle fünf Tage zur Molkerei nach Pollwitten und zwar mit der Milch. Es war eine Molkerei, die einen ausgezeichneten Tilsiter Käse herstellte und dort schmeckte auch die Butter wie richtige Butter. Wir mussten dann schon um vier Uhr morgens aufstehen, holten überall die Milch ab und fuhren dann ca. 11 km durch den Wald. Es wurde dort auch gleich eingekauft. Sehr oft fuhr ich auch mit den vielen Eiern zur Zentrale.

Mein Cousin Hans, der etwas jünger war und ich schliefen immer in einem Zimmer. Er war ein echter Berliner mit großer Schnute. Nach 50 m fiel er meistens vom Pferd oder die Kühe liefen ihm weg, und er kam mit blutenden Knien zurück.

Am 25. Juli (St. Jakobus) begann die Ernte. Es waren die sogenannten Hundstage, die bis Mitte August gingen. In dieser Zeit war immer konstantes Wetter. Das Einbringen des Getreides war wohl der Höhepunkt des Jahres für jeden Landwirt. In früherer Zeit war es üblich, dass jede Binderin ihrem Hauer einen Strauß aus Feldblumen an den Hut steckte oder man machte ihm kleine Geschenke, damit er beim Hauen das Getreide gut legte. So gab es viele Sprüche und Gebräuche.

Der Bauer selbst sorgte sich schon vorher um den guten Stand des Getreides. So konnte ein kräftiger Hagelschlag ein ganzes Feld niederwalzen. Tage vor der Ernte wurde das Sensenblatt ausgeklopft und mit dem Wetzstein abgezogen. Die Frauen buken noch schnell Brot oder den dicken Streuselkuchen, denn die Arbeiter mussten gut verpflegt werden. Wenn dann am nächsten Morgen Sonnenschein war und der Tau von den Gräsern verschwand, sah man einen bunten Zug zu den Feldern ziehen, voran der Schnitter mit der Sense, dahinter die Frauen und Mädchen in bunten Kopftüchern und weißen Kleiderschürzen. Die Frauen hatten oft Beinlinge über die Arme gestreift als Schutz gegen die Disteln.

Wenn der bunte Zug am Feld angekommen war, trat der Vorarbeiter vor, nahm die Sense von der Schulter und den Hut vom Kopf, blickte nach unten und schwieg einen Augenblick, wie zu einem Gebet. Dann holte er mit der Sense aus und tat den ersten Schnitt mit den Worten: "Na, denn in Gottes Namen."



Beim Frühstück (G. Templin)

Die Gebräuche waren aber überall verschieden. Die Binderin legte die Halme zusammen zu einer Garbe, nahm eine Handvoll zu einem Bund und schlug es um die erste Garbe. Wenn nun genug Garben gebunden waren, wurden Hocken aufgestellt. Es waren immer sechs Paare, die man für eine Hocke nahm. Diese wurden von uns Kindern zum Versteckspiel bevorzugt, aber auch als Schutz vor Unwetter dienten sie. Wenn während des Hauens der Bauer oder ein Fremder auf das Kornfeld kam, wurde er gebunden. Eine Binderin band ihm ein Band von Kornhalmen um den Arm und sagte dazu einen Spruch, worauf der Gebundene sich mit einer Gabe Geld oder einem Getränk auslösen musste. Das Ährenfeld nahm allmählich ab. Hier und da fand man verendete Tiere, z. B. junge Rehe oder Hasen.



Roggenernte vor dem Krieg (G. Templin)

In der heißen Mittagszeit wurde ausgiebig Mittag gemacht. Zur Vesperzeit gab es dann ein kräftiges Mettwurstbrot oder Kuchen und Kaffee. Wie schön war es, auf dem Felde mit den Arbeitern zu essen. Es schmeckte noch einmal so gut.

Abends waren alle ziemlich erschöpft, denn diese Tage bedeuteten Knochenarbeit, aber am nächsten Tag ging es weiter. Wenn aber das Ende des Feldes kam, so waren auch hier die Gebräuche verschieden. Früher ließ man vielfach einen Rest des Getreides stehen, damit man im nächsten Jahr Glück hatte. Es war zugleich Dank für die göttliche Hilfe und Bitte um Fruchtbarkeit. Man sah darin eine Abgabe an die Gottheit. Bei meinen Großeltern wurde aus dem Rest der Erntekranz geflochten.



Die Leiterwagen werden mit den Garben beladen (G. Templin)

Einige Tage später, es sind die Hundstage, wurde eingefahren. Leiterwagen stehen bereit, Männer mit langen Forken reichen die Garben von beiden Seiten hinauf (siehe Bild), Frauen und Mädchen nehmen die Garben an und beladen gleichmäßig den Wagen. Dieses ist schon eine Kunst, denn über schiefgeladene Wagen wird gelacht. Auch hier kommt der Ladebaum über das ganze Fuder und wird festgemacht. Auch in der Scheune ist die Arbeit schwer und kostet manchen Tropfen Schweiß. Wenn das Feld leer war, wurde mit der Hungerharke das Feld abgeharkt, damit auch nichts liegen blieb. Die Vorgänge galten bei allen Getreidearten. An den Abenden saß die ganze Familie auf der Bank im Garten. Meine Tante und meine Mutter spielten Mandoline und es wurden die alten Volkslieder gesungen.

Ca. 100 m vom Grundstück war ein Weiher, wo am Abend die Hirsche aus dem Wald kamen, um ihren Durst zu löschen. Es war ein wunderbares Bild, wenn sie im Dunst des Gewässers zu röhren begannen. Nur unser Großvater mochte sie nicht, weil sie oft durch die Getreidefelder liefen und viel zerstörten.

Viel zu schnell verlief diese schöne Zeit bei den Großeltern. Bald fuhren wir nach Hause, beladen mit Erinnerungen und vielen Köstlichkeiten von der Großmutter. Die restlichen Ferientage verbrachten wir an unserem schönen Geserichsee in der Badeanstalt. Sehr oft angelte ich auch, bis zu den Knien im Wasser stehend, mit einer einfachen Angelrute. Die Ausbeute reichte immer für ein gutes Mittagessen.


Das Nutzungsrecht der Urheberrechte an den Bildern und Aufzeichnungen von Herrn Gerhard Templin wurde an Frau Christa Mühleisen übertragen.