Tanker auf dem Silmsee bei Deutsch Eylau

von Gerhard Templin

(Bearbeitung C. Mühleisen)




Der Silmsee - Ölbild von Gerhard Templin

Kapitäne aus aller Welt üben auf dem Silmsee im polnischen Trainingszentrum Deutsch-Eylau (Ilawa) die Steuerung von Ozeanriesen. Ist ja einfach, auf spiegelglattem Meer ein Schiff zu steuern. Für Sturm- und Landnähe empfiehlt sich hingegen Training - etwa hier im heutigen Polen. Immer mehr Reedereien lassen ihr Personal nicht nur in Computer-Simulationen üben, sondern auch auf Modellschiffen. Das soll die Sicherheit auf dem Meer und im Hafen erhöhen. So hat man am Silmsee - Anfahrt über Steinersdorf - ein Ausbildungszentrum entstehen lassen. Hier soll aber über die Ausbildung berichtet werden. 7000 Dollar kostet die Teilnahme an dem Kursus. Die Teilnehmer aus ganz Europa wohnen während dieser Zeit im Hotel Kormoran am Geserichsee in Deutsch-Eylau. Sie erhalten auch zum Teil nach dem Abschluss ihre Patente von ihren Reedereien.





Mit ruhiger Hand steuert die dänische Lotsin Marlene Roselund den 150 000 Tonnen schweren Tanker - Koloss "Warta" - zwischen den engen Pfeilern der Brücke ins Hafenbecken. "Sechs Knoten, für so ein schwer beladenes Schiff viel zu schnell", brummt am Kai der 70-jährige Seebar Jerzy Kuklicz. Tatsächlich kommt der 326 Meter lange Tanker bei starker Seitenströmung von Backbord bei der Anfahrt zum Dock ins Trudeln. Roselund drosselt zu spät das Tempo, knirschend bohrt sich der Bug in die Kaimauern. "In einem echten Hafen hätte solch ein Unfall mindestens fünf Millionen Dollar gekostet, von ökologischen Folgen ganz zu schweigen", schmunzelt der frühere Tankerkapitän und heutige Fahrlehrer Jerczy. Doch im Hafen des Schifffahrts-Trainingszentrums im nordpolnischen Ilawa hat das missglückte Anlegemanöver des zwölf Meter langen Modells nur eine zersplitterte Bohle am Anlegesteg und einige Kratzer im Fiberglasrumpf der "Warta" verursacht. Auf Miniatur-Tankern und Containerschiffen üben Lotsen auf dem Silmsee schwierige Manöver ihres Berufsalltages, um echte Kollisionen und Umweltkatastrophen zu vermeiden. Lotsin Roselund erklärt ihr Malheur verlegen mit Kommunikationsproblemen auf der Brücke: "Aber aus solchen Fehlern wollen wir hier ja lernen".








Merkwürdig groß wirken die Oberkörper der Kapitäne in den Steuerkabinen der durch enge Schleusen, gewundene Kanäle und verschachtelte Hafenanlagen tuckernden Tankern, Containerschiffe und Fähren. Auf Modellschiffen im Maßstab 1:24 üben sich Kapitäne und Lotsen aus aller Welt auf dem beschaulichen Silmsee in der hohen Manövrier-Kunst des Anlegens, des Andockens auf hoher See oder das Fahren bei Gegen-, Seit- oder Kreuzströmung. "Wir mach es ihnen hier so schwer wie möglich", erläutert der Schiffsbau-Ingenieur und Dozent Misiag den Sinn des Parcours von Strömungsgeneratoren, engen Kanaleinfriedungen und Brückennachbauten.

Zu Zeiten der sozialistischen Volksrepublik wurde das Ausbildungszentrum vor 25 Jahren als Ableger des Marine-Instituts in Gdingen und der Fachhochschule in Danzig gegründet. Anfangs waren es fast ausschließlich polnische Kapitäne, die in Deutsch-Eylau für ihren Berufsalltag auf hoher See übten. Seit den 90er Jahren erschließt das Zentrum auch den Auslandsmarkt. "Vor der Konkurrenz in Southampton und Genf müsse sich Ilawa längst nicht mehr verstecken", sagt Misiag. die steigende Nachfrage nach den Kursen liege nicht nur an den niedrigen Preisen, sondern auch an der Vielfalt von Flotte und Kursprogramm: "Früher orientierten wir uns an der Konkurrenz im Westen, jetzt jagt sie uns".

"Im Simulator lasse sich zwar das Brücken-Management gut trainieren, man habe aber einfach nicht das Gefühl für das Schiff", erläutert der Däne Sören Farup. "Für die jüngere Kapitäns-Generation, die mit dem Computer groß wurde, ist der Simulator oft einfach nur ein anderes Computerspiel. Doch auf den Modellschiffen ist das Training viel intensiver, hier lernt man in einer Woche soviel wie im Simulator in fünf Wochen. Im Modellschiff könne er Manöver testen, ohne gleich Ladung, Schiff und Job aufs Spiel zu setzen", sagt sein Kollege Christian Stisage.








Die Hupen der "Blue Lady" und der "Dorchester Queen" dröhnen, als sie im schmalen Ost-Kanal im Zentimeterabstand aneinander vorbei gleiten. "Mindestens ein Jahr und mehrere 100 000 Dollar kostete Entwicklung und Bau eines Übungstankers", berichtete Schiffbau-Ingenieur Misiag. Von den Antriebswellen bis zu den Rotorblättern müssen alle Einzelteile individuell entworfen und von Hand gefertigt werden. "Zwar kommen zu den Kursen meist ausgebildete Kapitäne, doch die Schiffe hätten mehr auszuhalten als die Originale", sagt Misiag und deutet auf die vielen Manövermacken im Schiffslack. Ein Schiff sei nach einer Kollision im Hafen auch schon mal gesunken, wir konnten es nur mit Mühe bergen.



Fliegeraufnahme: Im Vordergrund ist der Silmsee mit der Tankerschule zu sehen, rechts der Kesselberg, darüber der Haussee und dazwischen der Ort Steinersdorf. 


Quellennachweis:
Aufsatz: Thomas Roser (90er Jahre)
Fotos: Joachim Bittermann, Fliegeraufnahme: Gerhard Templin.
Ölbild: Gerhard Templin

Copyright: Thomas Roser, Joachim Bittermann, Gerhard Templin und Christa Mühleisen