Erinnerung an Joachim Salewski
von Gerhard
Templin
Der
junge Joachim Salewski / Mlody Im
letzten Jahr hat sich Joachim Salewski, Leiter der Deutschen Volksgruppe
in Deutsch Eylau, mit mir über sein bewegtes Leben unterhalten. Erst
jetzt nach seinem Ableben möchte ich diese Zeilen veröffentlichen. Ich
wusste, dass er in Kl. Radem, bei Deutsch Eylau geboren wurde, wo er
ab 1934 die Volksschule besuchte. Seine Mutter übernahm als Erbteil
eine kleine Landwirtschaft. Sie hatte eine kaufmännische Ausbildung und
verkaufte das ererbte Land. Bald gründete sie in Kl. Radem ein
Kolonialwarengeschäft, wie es so auf dem Lande üblich war. Hier gab es
alles: Petroleum, Bier, Zucker und alle anderen Lebensmittel. Sein Vater
war Eisenbahner und arbeitete in Deutsch Eylau auf dem Bahnhof.
Außerdem betrieben seine Eltern eine Bienenzucht mit 60 Völkern. Auf
dem Bienenstand mussten seine Schwester und er schon mithelfen. Es war
viel Arbeit, hauptsächlich, wenn der Honig geschleudert wurde und man
bekam immer einige Stiche ab.
Er erzählte nun weiter:
"1938
kam ich in das Hindenburg-Gymnasium in Deutsch Eylau, dass ich leider
1944 verlassen musste, da die Jahrgänge 1927/28 Marinehelfer wurden.
Die Jungens aus unserer Schule wurden in zwei verschiedene Hafenstädte
eingezogen, nach Pillau oder wie ich nach Gotenhafen. Der
Schulunterricht ging dort weiter: von morgens bis mittags Kriegs- und
Infanterieausbildung und nachmittags begann dann der Schulunterricht.
Wir haben dort unsere Feuertaufe bekommen, das war der 18. Dezember, der
große Luftangriff der Engländer auf Gotenhafen. Ende Januar wurden wir
in eine Stabsbatterie nach Oxhöft verlegt und kurz nachdem die Gustloff
untergegangen war, wurden wir auf dem ehemaligen KdF-Dampfer Hamburg
eingeschifft. Mit 3000 Verwundeten und etlichen Flüchtlingen ging es in
Richtung Insel Rügen. Über Saßnitz und Kiel gelangten wir in ein
Arbeitsdienstlager vor Hamburg, im Ort Hechthausen. Ende April 1945
geriet meine Einheit in englische Gefangenschaft und wir kamen in das
Sammellager Hesedorf bei Bremerförde. Wir haben uns dort mit dem
englischen Dolmetscher unterhalten, und der hat uns gesagt, wer in
erster Linie entlassen wird: "Pfarrer, Ärzte und
Landarbeiter." Ich gab an, ich sei Landarbeiter und wurde
entlassen.
Ich landete im Sauerland, arbeitete dort für Unterkunft und
Essen und bemühte mich, meine Eltern ausfindig zu machen. Ich bekam im
Oktober die Nachricht, dass mein Vater in Mecklenburg und meine Mutter
auf dem Treck nur bis Stargard gekommen und dann dort geblieben ist. -
Ich habe versucht, als 1946 die deutsche Polizei gegründet wurde, dort
unterzukommen, aber meines Namens wegen wurde ich leider schon
disqualifiziert. Man sagte mir ganz frech:" Salewski? Mensch, Sie
sind ja ein Pole." Ich habe ein Treffen mit meinem Vater
organisiert und dabei mit ihm die Rückkehr hierher nach Deutsch Eylau
besprochen. Die Fahrt hierher verlief sehr unterschiedlich. Uns wurde
sehr viel geholfen. Polnische Studenten in Berlin waren uns sehr
behilflich, und wir sind glücklich über die Grenze gekommen.
Hier kam
dann die Enttäuschung, als wir unsere Heimatstadt und Heimatort
wiedersahen. Die Stadt Deutsch Eylau war zu 70% zerstört und zwar
willkürlich, ohne Kampfhandlungen, abgebrannt worden und vorher
ausgeplündert. Ich habe mich bemüht, über Bekanntschaften irgendwo
unterzukommen, eine Arbeit zu finden, doch überall sagte man, die
müssen Polnisch können. Ich sprach damals kein Wort polnisch. Dann
habe ich fünf Monate einen Kurs auf der Volkshochschule bei Mohrungen
auf einem Gut absolviert, danach habe ich eine Arbeit im Forstamt
Schöneck bei Schwalgendorf bekommen. Beim Forstmeister Siegmund Metzig,
einem sehr freundlichen, sehr guten Menschen, der fließend Deutsch
sprach, habe ich viel gelernt. Ich war dort vier Jahre und fühlte mich
sehr wohl, die Waldarbeiter waren zu 80% Deutsche, wir trafen uns mit
der deutschen Jugend und durften Deutsch sprechen. Auf den Ämtern musste man Polnisch sprechen, es ging nicht anders. Die deutsche Sprache
war tabu. Dass ich die deutsche Sprache behalten habe, liegt auch daran,
dass ich die Möglichkeit hatte, an deutsche Bücher zu kommen und sehr
viel gelesen habe. In Deutsch Eylau durfte man weder im Geschäft noch
im Restaurant ein Wort Deutsch sagen, das war sehr schlecht angenommen.
Zu Weihnachten wurden zuhause deutsche Weihnachtslieder gesungen. Die
Spitzel vom Sicherheitsdienst horchten unter den Fenstern und am
nächsten Tag wurde man vorgeladen. "Bei Ihnen wird ja
deutsch gesprochen, das ist nicht erlaubt!"
Heute freuen
wir uns, dass wir jetzt auf der Straße laut Deutsch sprechen können,
dass niemand stehen bleibt und sich umdreht. - Nach dem Forstamt habe
ich umgesattelt in ein Bauunternehmen in Deutsch Eylau, wo ich bis 1982
als Lohnbuchhalter tätig war. 1990 haben wir nach den
deutsch-polnischen Verträgen einen deutschen Verein gründen können.
Da ich fast alle Deutschen in meinem Heimatkreis kannte, habe ich
versucht, alle zuhause aufzusuchen und sie zum Beitritt zum deutschen
Verein zu überreden. Viele sind unserem Verein in Deutsch Eylau
beigetreten. Hier war ich lange Jahre stellvertretender Vorsitzender.
Nachdem der 1. Vorsitzende Herr von Charnowski aus dem Verein ausschied,
übernahm ich seine Stelle. Ich fuhr jeden Tag nach Allenstein, denn dort
war ich Mitglied im Vorstand des VdGeO. Anfangs war es schwierig mit den
polnischen Behörden in Kontakt zu kommen. Die Zusammenarbeit ist jetzt
aber vorbildlich. Ich wünsche allen Vertretern der deutschen Minderheit
solch eine Zusammenarbeit, wie wir sie in Deutsch Eylau haben."
Soweit
die Lebenserinnerungen von Joachim Salewski. Nun noch einige Worte zu
seinen Verdiensten. Er hat große Veranstaltungen für den Heimatkreis
Rosenberg durchgeführt, Fahrten mit den Touristen beim Busunternehmen
Meyer/Bittermann. Er war der Mann, der an der Finanzierung für den
Rathaus-Neubau von deutscher Seite die Verhandlungen führte. Auch
kümmerte er sich um die Erhaltung der Emil von Behring Schule in
Hansdorf. Aber sein größter Verdienst und auch Denkmal war die 700
Jahrfeier in Deutsch Eylau, die vorbildlich von ihm durchgeführt wurde.
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