Erstes Heimatkreistreffen in der Heimat 1.-3.9. 2000

2M01.jpg (14576 Byte)

Stadthalle ILAWA-Dt.Eylau 3.09.2000: Tanzgruppe "Augsburg" der dt. Minderheit

Was im Juni 1999 beim 20.Treffen des Heimatkreises Rosenberg in Halle/Westfalen als Gedanke auftauchte, wurde bereits ein Jahr später, Ende August/ Anfang September 2000, Wirklichkeit: ein erstes Heimatkreistreffen in der alten Heimat.

In vier Reisebussen der Firma Meyer-Reisen/Bremen und im eigenen PKW reisten annähernd 300 Personen zu diesem Treffen an. Sie nahmen Quartier am Abend des 30. August in den Hotels Komoran und Italiana in Ilawa/Dt. Eylau und in einer Freizeitanlage einer polnischen TV-Gesellschaft in der Gegend der alten Försterei Lannoch am Geserichsee. Auch Privatunterkünfte standen zur Verfügung.

Der erste Aufenthaltstag galt ausgiebigen Besuchen der Dörfer und Städte in der alten Heimat. Busse brachten die "Heimkehrer" zu ihren gewünschten Zielen und holten sie nach vorher verabredeten Zeiten wieder ab. Am 01.09. wurde ein ganztägiger Ausflug zum "Oberländer Kanal" angeboten. Die offiziellen Veranstaltungen fanden dann am Wochenende statt.

Am Sonnabend dem 2. September war der ökumenische Gottesdienst in der alten Ordenskirche zu Deutsch-Eylau so gut besucht, daß zahlreiche Besucher nur noch einen Stehplatz fanden. Der Gesang des Kammerchors "Camerata" aus Ilawa unter Leitung von Honorata Cybula, die als Solistin exellent brillierte, nahm die Gemeinde gefangen. Erich Nowek, in Dt. Eylau geboren und in der Ordenskirche getauft, begleitete den Gesang der Festgemeinde an der Orgel. Auf evangelischer Seite leitete Pfarrer i.R. Gerhard Scheil den Gottesdienst, auf katholischer Seite Pfarrer Andreas Schmeier. Er lebt in Allenstein und betreut seelsorgerisch die Katholiken der deutschen Minderheit in Ostpreußen.

Pfarrer Scheil, der aus Heinrichau stammt, hielt die Predigt. In seinen Worten hob er die Bedeutung dieses Gottesdienstes der Heimatvertriebenen in der alten Heimat hervor, rief dabei Erinnerungen an das Leben in der Vergangenheit wach und sprach zum Thema Versöhnung im Sinne christlicher Nächstenliebe über Schuld und Vergebung auf beiden Seiten. Die Kollekte wurde erbeten für die Unterstützung von Reparaturarbeiten an der Ordenskirche.

Am Nachmittag trafen sich die Teilnehmer des Heimattreffens in einer zwanglosen Begegnung alter Freund- und Bekanntschaften am Geserichsee in Lannoch. Bis in den Abend hinein wurde beim Grillen am Lagerfeuer gefeiert. Einige Lieder erklangen, vornehmlich aber wurde viel erzählt und im Restaurantraum der Freizeitanlage wurde so mancher Tanz aufs Parkett gelegt.

Am Sonntagvormittag, dem 03.09., war die Stadthalle von Ilawa bis auf den letzten der 350 Sitzplätze gefüllt, und auch hier konnten weitere Besucher nur als "Stehplatz- gäste" an der Feier teilnehmen. Die polnische und die deutsche Nationalflagge schmückten seitwärts vor dem Bühnenpodest den Saal, und ein großes Spruchband am Bühnenvorhang verkündete: "Erstes Heimattreffen in der Heimat 2000"

Zunächst wandte sich Franz von Czarnowski, Vorsitzender der "Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Dt. Eylau", an die Gäste und alle Mitwirkenden an dieser Feier; danach begrüßte Herr Zylinski, Bürgermeister der Stadt Ilawa, auch im Namen seiner Amtskollegen aus den Städten unseres ehemaligen Kreises Rosenberg die deutschen Gäste in ihrer alten Heimat und wünschte ihnen einen guten Verlauf ihres Treffens. Nach diesen Grußworten hielt der Heimatkreisvertreter des Kreises Rosenberg, Johannes Ziehmann, die Festrede.

Zunächst dankte er den polnischen Ehrengästen, daß sie seiner Einladung zu dieser Veranstaltung so zahlreich gefolgt seien. Unter den Ehrengästen konnte er begrüßen: Den stellvertretenden Landrat des Kreises Ilawa, die Bürgermeister von Ilawa/Deutsch-Eylau - Prabuty/Riesenburg - Susz/Rosenberg und Kisielice/ Freystadt - sowie weitere Damen und Herren aus der Verwaltung und den Schulen des Kreises. Dafür, daß den polnischen Gästen der Text des Redemanuskripts in ihrer Muttersprache zur Verfügung stand, hatte Prof. Olgierd Pietrek aus Rzeszow bei Krakau mit seiner Übersetzung gesorgt. Ihm sei an dieser Stelle nochmals für seine Mitarbeit gedankt.

Der Dank Ziehmanns an die Ehrengäste galt aber nicht nur ihrem Erscheinen, sondern auch ihrer Bereitschaft, das Heimattreffen von polnischer Seite begrüßt und unterstützt zu haben.

Die Organisation dieser Heimatreise und ihrer Veranstaltungen lag in den Händen der "Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Dt. Eylau" in Zusammenarbeit mit dem Reiseunternehmen "Meyer-Reisen" aus Bremen. Beiden sprach J. Ziehmann unter dem Applaus der Anwesenden für Planung, Gestaltung und Durchführung der Heimattage seinen Dank aus.

Den Begrüßungs- und Dankesworten folgte die Totenehrung. Alle Versammelten erhoben sich, um in einer Gedenkminute derer zu gedenken, "die durch die Kriegs-einwirkungen des 2. Weltkrieges hier ihr Leben ließen, unabhängig davon, auf welcher Seiter sie sich befanden".

In seinen von Heimatliebe und Realitätssinn geprägten Worten charakterisierte Ziehmann zunächst eine Entwicklung, vor der niemand die Augen zu schließen vermag. Er hob hervor, "daß die Zahl der ehemaligen deutschen Bewohner des Kreises Rosenberg...,für die dieses Land echte Heimat war und es bis an ihr Lebensende bleiben wird,..immer kleiner wird". Er erhielt Zustimmung von den Anwesenden, die als Kinder und Jugendliche die Heimat verlassen mußten, wenn er zu bedenken begab:

"Unsere Erinnerungen (an die Heimat) sind noch ganz lebendig, aber unsere Bindung ist etwas distanzierter. Unser Leben, Arbeit , Familie - entscheidende Abschnitte erlebten wir dort, wohin das Schicksal uns vertrieben hat. So ist für viele dort neues Land nun auch neue Heimat geworden, ganz sicher aber für unsere Kinder".

Im Blick auf die Anwesenden der jüngeren Generation, die nicht mehr in diesem Land geboren sind, stellte er die Frage, was sie bewege, bei dieser Heimatreise und dieser Feier dabeizusein. Es sei wohl der Drang, wissen und erfahren zu wollen, "wie denn das Land aussieht, in dem ihre Vorfahren oft seit vielen Generationen gelebt und gearbeitet haben". Sitten und Gebräuche, von denen die Alten berichtet haben, ein wertvolles kulturelles Erbe, das in Geschichten, Gedichten und Liedern, bewahrt sei, werden von dieser jungen Gegenration immer mehr wahrgenommen. Das lasse hoffen, "daß diese Güter bewahrt werden können, unabhängig von den politischen Gegebenheiten, deren Entscheidungen wir zu akzeptieren haben".

Auf unserer Spurensuche in diesen Tage sei "manches Monument...noch sichtbar, das aus der deutschen Zeit stammt und uns die Geschichte lebendig werden läßt". Aber wir seien nicht nur deswegen hierher gekommen. "Nein, wir nehmen immer stärker auch wahr, was hier in Polen geschieht: ...Die Annäherungen unserer Länder auf vielen Gebieten....haben besonders in den letzten zehn Jahren erfreuliche Kontakte geschaffen, und vielleicht kann auch dieses Treffen dazu beitragen, daß weitere Verbindungen sich anbahnen. Ein gutes Beispiel für eine solche deutsch-polnische Zusammenarbeit sei die Renovierung des Eylauer Rathauses. Mittel der deutsch-polnischen Stiftung hätten dafür zur Verfügung gestanden, "und daß die "Gesellschaft der Deutschen Minderheit" dort einen Raum erhalten hat, ist für uns ein wichtiger Anlaufpunkt hier in Eylau."

Bevor J. Ziehmann mit Anmerkungen zu seinen sehr persönlichen Erfahrungen deutsch-polnischer Begegnungen auf privater Ebene seine Rede beendete, erinnnerte er an den auch am 3. September in Deutschland begangenen "Tag der Heimat" und an das bereits vor 50 Jahren in der "Charta der Heimatvertriebenen" abgelegte Bekenntnis, "auf Rache und Vergeltung zur Schaffung eines geeinten Europas unter Wahrung von Recht und Gerechtigkeit" zu verzichten, damit..."aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird". "Wir Westpreußen - so zitierte Ziehmann den Vorsitzenden der Landsmannschaft Westpreußen, Siegfried Sieg, - "bekennen uns zum Prozeß des friedlichen Miteinanders, zur Verständigung zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk mit dem Ziel der Versöhnung". Ziehmann wies darauf hin, "daß zur Erreichung dieses Zieles noch manche Hürde zu nehmen ist, daß für viele..Landsleute manche Hoffnung unter Tränen begraben werden mußte und manches aus der Geschichte unserer Beziehungen noch aufzuarbeiten ist. Wir haben den Willen dazu. Diese Heimatfahrt und diese Stunde möge dazu beitragen". In diesem Sinne wünschte sich der Redner abschließend, daß "auch durch diesen Aufenthalt die über unsere Minderheitengruppe bestehenden guten Kontakte sich vertiefen und erweitern möchten. "Kultur und Eigenarten unserer Völker kennenzulernen und zu erfahren, wovon wir bei diesem Treffen viele ausgezeichnete Beispiele besonders auf dem musischen Gebiet geboten bekommen, fördert das Verständnis füreinander, das uns in einem sich enger zusammenschließenden Europa zu guten Nachbarn machen könnte."

Belege für die abschließende Feststellung des Festredners waren der Auftritt der Bartensteiner Volkstanzgruppe. Sie bot einem von ihrer Darbietung begeisterten Publikum heimatliche Tänze, aber auch Tänze anderer Nationen.

Ein Streichquartett der Musikschule Ilawa unter der Leitung und Klavierbegleitung von Gretel von Czarnowski bot mit seinem niveauvollen Musizieren mehr als nur einen musikalischen Rahmen der Veranstaltung. Gedichtvorträge zum Thema "Heimat" , die F. v. Carnowski mit zwei Schülern und einer Schülerin aus dem Kreis der dt. Minderheit einstudiert hatte, waren der dritte musische Beitrag, der die Anwesenden in eine nachdenkliche Faszination versetzte und zu lang anhaltendem Applaus herausforderte.

2M02.jpg (15924 Byte)

Stadthalle ILAWA-Dt. Eylau Begrüßung der Bürgermeister am 3.09.2000: vorn Bürgermeister  v. Susz-Rosenberg,  dahinter Bürgermeister Dawidowski v. Prabuty-Riesenburg. Johannes Ziehmann überreicht die Gastgeschenke.

Vor dem Ende der Veranstaltung überreichte Johannes Ziehmann den polnischen Ehrengästen Gastgeschenke als Dank für ihre Unterstützung des Treffens und zur Erinnerung an diese gemeinsam verbrachte Feierstunde. Sein aus ganzem Herzen kommendes Nachwort, er könne sich auf Grund des bisher Erlebten weitere Heimattreffen dieser Art vorstellen, fand ein lebhaftes Echo bei den Versammelten. Ihr Applaus war ein zustimmendes Votum für weitere Treffen in der alten Heimat. Mit dem gemeinsamen Singen der ersten Strophe des Westpreußenliedes endete die rundum gelungene Festveranstaltung. Bei einem Mittagessen im Hotel Komoran, zu dem der Heimatkreis die polnischen Gäste und Vertreter der dt. Minderheit geladen hatte, wurden u.a. Gespräche über weitere Möglichkeiten deutsch-polnischer Begegnungen in unserem Heimatgebiet geführt.

Am Nachmittag des gleichen Tages klang der offizielle Teil des Treffens auf dem Gelände in Lannoch aus. Dabei wurde den dort Versammelten ein musikalischer Leckerbissen besonderer Art geboten. Das große Jugendblasorchester Ilawa unter der Leitung von Bogdan Olkowski bot ein 90minütiges Programm von klassisch bis modern. Bei diesem Orchester handelt es sich um Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schule Ilawa. Dieses Orchester muß infolge des Schulabschusses von Mitgliedern ständig ergänzt werden. Umso erstaunlicher ist es, auf welch hohem Niveau Bogdan Olkowski mit seinem Schülerinnen und Schülern musiziert. Zahlreiche von Erfolg gekrönte Auslandsauftritte in den Niederlanden, Frankreich, England und Deutschland unterstreichen nur das Gesagte. Eine ganz im amerikanischen Stil auftretende Showformation junger Mädchen begleitete mit ihren Tänzen die Marsch- Samba- oder Tangorhythmen des Orchesters und begeisterte die Zuhörenden und Zuschauenden nach dem Motto "Altes Herz wird wieder jung".

Am Tage danach bot sich die Gelegenheit, den Dom und die Stadt von Marienwerder sowie die Marienburg zu besuchen. Dieses Tagesprogramm wurde von vielen Angereisten wahrgenommen. Als zuverlässige, aufgeschlossene und hilfsbereite Reisebegleiter bei den Touren durch den Kreis Rosenberg, zum "Oberländer Kanal" und zu den Ausflugszielen des letzten Tages seien zum Abschluß dieses Berichts Herr Bittermann von der Firma Meyer-Reisen und Joachim Salewski von der Deutschen Minderheit genannt. Dank sei ihnen für ihr Engagement gesagt sowie nochmals auch allen im Bericht bereits erwähnten Mitwirkenden. Sie alle haben zum Gelingen dieses "ersten Heimattreffens in der Heimat 2000" erheblich beigetragen und auch an dieser Stelle nochmals einen großen Applaus verdient.

Berichterstatter: Eberhard Kuptsch (Riesenburg), 21337 Lüneburg, Kurt-Schumacher-Str.43