Zum 100. Geburtstag des über die Grenzen des Kreises bekannten Lehrers und Ornithologen Georg Hoffmann

Einige Auszüge aus

Durch die Wälder, durch die Auen ...

von Georg Hoffmann (Festschrift 1956)

(Red. A. Lipskey)


... Der Kreis Rosenberg war reich an historischen Stätten.

        Nicht minder reich waren seine Landschaft und seine Natur. Große Forsten stockten auf seiner Bodenfläche, und nicht weniger als 65 Seen bedeckten den zwanzigsten Teil seines Umfanges. Unter diesen Seen nahm der Geserichsee mit einer Länge von rund 25 km und einer größten Breite von 4,3 km die erste Stelle ein.    ...

Der Größe nach folgten dann aufeinander: Sorgensee, Karraschsee, Labensee, Traupeler See und Guhringer See. Einige dieser 65 Seen waren schmale, tiefe Rinnenseen, von den Gletschern der Eiszeit geschürft. Andere waren flache, runde Pfannenseen, die stark in der Verlandung standen. Und diese verlandenden Seen wiesen nicht nur einen üppigen Pflanzenwuchs, sondern auch ein sehr reiches Tierleben auf. Sie waren unsere Tierparadiese. Und man brauchte in unserem Lande wahrhaftig nicht weit zu reisen, um eine einigermaßen unberührte Natur von großer Schönheit und Seltenheit zu finden. Stadt und Land, Kultur und Natur standen hier vielfach noch in einer innigen Verzahnung. Es konnte geschehen, daß Adler und Kraniche über den Städten kreisten, daß Wildgänse und Schwäne über einem Marktplatz ihren Gleitflug ansetzten, der sie zu ihrem Brutplatz dicht vor der Stadt brachte, oder daß am Abend das Spiegelbild einer Straßenlaterne auf einer Welle schaukelte, die von dem Kopf eines schwimmenden Fischotters ausging. Dort trat man an die Mauerbrüstung eines steil abfallenden Straßenrandes und blickte auf einen See, der dem berühmten Tookern in Schweden nicht viel nachstand. Dort saß man am Fenster einer Stadtwohnung und sah das Gaukeln einer jagenden Rohrweihe über den breiten Schilfsäumen, hörte das klatschende Aufstehen von Schwänen, das Quorren der Taucher und das immergleiche Lied der Drosselrohrsänger. Ich meine hier den Schloßsee, der sich unterhalb der Stadt Riesenburg hinbreitete.

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Die Gänse des Karraschsees mußten geradezu als ein Kleinod unserer Heimatnatur gelten. Die Wärme des Sommers trieb alljährlich größere Schlickflächen auf, die einen Anziehungspunkt für die durchziehenden Strandläufer und Schnepfenvögel bildeten. Da trat der Alpenstrandläufer in größerer Zahl auf, und dreimal wurde sogar der Stelzenläufer beobachtet. Im Herbst kehrten große Kranichflüge zum Übernachten im flachen Wasser ein. Hirsche und Säuen steckten in dem Dschungel des Schilfwaldes, und hier lebte auch der Fischotter.

    Am Nordwestrande der Kreisstadt Rosenberg breitete sich ein Schilfrohrsumpf wie ein grünes Meer aus. Dieser Brunauer See, von den Rosenbergern "Molscher See" genannt, hatte kein offenes Wasser mehr. Er konnte nicht genutzt werden und gehörte darum ganz seinen Tieren. Der Kranich, der so groß ist wie ein Mensch, der "Vogelstrauß des Nordens", war hier die auffälligste Vogelgestalt. Alle Welt ringsum vernahm es, wenn diese großen und scheuen Vögel im Frühjahr aus Afrika heimgekehrt waren oder wenn sie sich in der Folgezeit beim Brüten ablösten. Dann führten sie ein weitschallendes Geschmetter auf, das viele Bürger der Stadt bis in ihre Wohnungen hörten.    ...